DÄB-Ethik-Ausschuss: Kostenübernahme von nicht-invasiven Pränataltests (NIPT) durch GKV nur nach sorgfältiger Indikationsstellung unter Beachtung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Schwangeren

Pressemitteilung
23.05.2017
Der Ethik-Ausschuss des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) fordert in einer aktuellen Stellungnahme anlässlich des 120. Deutschen Ärztetages, der heute in Freiburg beginnt, die Kosten für die nicht-invasiven Pränataltests aus mütterlichem Blut nicht generell bei allen Schwangerschaften zu übernehmen, d.h. einen NIPT nicht allen Schwangeren anzubieten.

Dr. med. Christiane Groß, M.A., Präsidentin des DÄB, zu der Stellungnahme: „Die Praxis eines flächendeckenden Einsatzes von nicht-invasiven Pränatal Tests (NIPT) und der damit verbundene - in der Zukunft noch weiter zunehmende - gesellschaftliche Druck auf die Schwangeren wird explizit nicht unterstützt. Der DÄB plädiert vielmehr für eine Eingrenzung durch medizinische Indikationsstellung bei Risikoschwangerschaft. Der Ärztinnenverband spricht sich grundsätzlich für eine pragmatische Herangehensweise bei der Abwägung von Vor- und Nachteilen in Bezug auf eine mögliche Kostenübernahme der nicht-invasiven Pränatal Tests (NIPT) durch die gesetzliche Krankenversicherung aus“.

In der Schwangerenvorsorge werden seit Jahrzehnten Untersuchungen durchgeführt, um das Wohlergehen von Mutter und Kind zu überwachen und Risikoschwangerschaften frühzeitig zu erkennen. Die Untersuchungsmethoden haben sich mit der technischen Entwicklung verändert. Es wurde dabei auch immer abgewogen welche Entwicklungen sinnvoll und ethisch vertretbar sind. So wurde zum Beispiel das Ersttrimester-Screening mit der Messung der Nackentransparenz nicht in die Richtlinien der Mutterschaftsvorsorge aufgenommen.

Seit 2012 werden in Deutschland Bluttests für Schwangere angeboten, die DNA-Fragmente von kindlichen Zellen im mütterlichen Blut messen und erhöhte Werte für einzelne Chromosomen (Trisomie 21, 18 oder 13 sowie Geschlechtschromosomenanomalien) identifizieren können. Diese Tests müssen bisher mit ca. 250 bis 400 Euro selbst bezahlt werden. Ein solcher nicht-invasiver Pränataltest (NIPT) hat eine hohe Sicherheit (99% bzgl. Trisomie 21) und ist ungefährlich für das Kind. Er kann für Risikoschwangere sehr hilfreich sein, weil sich überwiegend ein normaler Befund ergibt und dies psychisch entlastend wirkt.

Für den Ethik-Ausschuss des DÄB ist nicht vertretbar, dass nur wohlhabende Schwangere oder Paare diese Tests in Anspruch nehmen können, während weniger Vermögende zur Risikoklärung eine invasive Diagnostik – mit entsprechendem Abortrisiko – als GKV-Kassenleistung erhalten.

Die Erste Vorsitzende des DÄB Ethik-Ausschusses, Dr. med. Gabriele du Bois, spricht sich entschieden dafür aus, dass eine Kostenübernahme der Krankenkasse nur bei Risikoschwangerschaften erfolgen sollte, das heißt, wenn durch konkrete Auffälligkeiten im Ultraschall, verdächtige biochemische Werte oder eine auffällige Vorgeschichte ein erhöhtes Risiko für eine kindliche Chromosomenstörung besteht, die von dem Test auch erfasst werden kann. Die Schwangere muss wie vor jeder genetischen Untersuchung laut Gendiagnostikgesetz von einer Ärztin oder einem Arzt über die Vor- und Nachteile aufgeklärt werden. Weiterhin muss ihr ausreichend Bedenkzeit vor der Zustimmung zum Test eingeräumt werden.

Grundsätzlich besteht ein individueller und gesellschaftlicher ethischer Konflikt im Zusammenhang mit der gezielten pränatalen Suche nach (genetischen) Erkrankungen, die bekanntlich häufig mit Beendigung der Schwangerschaft bei positivem Ergebnis einhergehen. Dr. med. Dorothee Dörr, Stellvertretende Vorsitzende des DÄB-Ethik-Ausschusses: „Nicht die einzelnen Techniken, sondern deren Zielsetzungen sind zu diskutieren. Das Interesse von Eltern an einem gesunden Kind ist sehr gut nachvollziehbar und moralisch nicht verwerflich. Dass viele Schwangere sich bewusst gegen das Austragen von Kindern mit schweren Fehlbildungssyndromen entscheiden, ist Ausübung ihres individuellen, reproduktiven Selbstbestimmungsrechts. Sie tun dies nicht leichtfertig und nur in Abwägung ihrer persönlichen Lebenssituation“.

Diese Abwägungen der einzelnen Paare sind nicht als Ausdruck einer generell diskriminierenden bzw. kränkenden Haltung gegenüber Menschen mit Behinderung zu werten. Die Inklusion von Menschen mit Behinderung ist und bleibt verpflichtend eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und jeder Form ihrer Diskriminierung ist entgegenzuwirken. Der möglicherweise gesellschaftlich ausgeübte Druck zur Pränatal Diagnostik, der auf Schwangere unverkennbar bereits ausgeübt wird, lässt sich nicht durch ein Verbot von NIPT vermeiden. Vielmehr ist die Stärkung der informationellen Autonomie der betroffenen Frauen und Paare, denen die Entscheidungsfähigkeit zugetraut werden soll und nicht abgesprochen werden darf, zu fördern.
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