Frauen leiden anders

Mythen und Fakten zum weiblichen (Kopf-) Schmerz / Ausdauernd vorbeugen, statt andauernd leiden

Pressemitteilung
08.08.2006
Foto: Bayer Vital GmbH
Schmerzen sind mit Abstand die am weitesten verbreiteten Gesundheitsstörungen im Alltag. Allein an Spannungskopfschmerz leiden täglich 2,5 Millionen Deutsche. Besonders häufig trifft es Frauen. In einer bundesweiten Befragung des Robert Koch-Instituts gaben nur sechs Prozent der Frauen an, im vergangenen Jahr keine Schmerzen gehabt zu haben. Bei den Männern waren es doppelt so viele. Das „schwache Geschlecht“ leidet häufiger und stärker unter Schmerzen. Dies bestätigt auch die aktuelle Forschung.

Professor Dr. Hartmut Göbel, Direktor der Schmerzklinik Kiel, fasst die neuesten Erkenntnisse zusammen: „Durch Bild gebende Verfahren wissen wir heute, dass das männliche und weibliche Gehirn bei gleichen Schmerzreizen unterschiedlich reagieren. Die Geschlechter erleben Schmerzen unterschiedlich, und sie gehen auch sehr unterschiedlich damit um.“ In jedem Fall sei es aber wichtig, frühzeitig etwas gegen akute Alltagsschmerzen an Kopf, Rücken, Gelenken oder Muskeln zu unternehmen. Dabei kommt der Bewegung eine entscheidende Rolle zu, wie Professor Dr. Klaus Völker, Direktor des Instituts für Sportmedizin des Universitätsklinikums Münster, betont: „Es gibt eine Vielzahl von Erklärungsansätzen, warum Sport beispielsweise gegen Kopfschmerzen wirkt. Was wir auf jeden Fall wissen, ist dass er wirkt.“

Dem weiblichen Schmerz auf der Spur
Dreimal häufiger als Männer leiden Frauen unter Migräne, auch einen schmerzenden Rücken müssen sie häufiger ertragen. „Die verbreitete Vorstellung, Frauen könnten Schmerzen besser ertragen, ist so nicht mehr haltbar“, sagt Göbel. In psychophysischen Experimenten reagierten Frauen nahezu doppelt so schmerzempfindlich auf Reize wie Männer. Dabei, so zeigten Gehirnscans, wird außerdem das limbische System stärker aktiviert, das für das emotionale Erleben verantwortlich ist und das für die Bindung der Frau an die Familie und damit für stärkeren Schutz und Zusammenhalt sorgt. Bei Männern werden hingegen eher die kognitiven und analytischen Bereiche der Wahrnehmung angeregt – und so der Urinstinkt „Verteidigung“ aktiviert. Das bestimmt die unterschiedlichen Reaktionen der Geschlechter auf Schmerzen: Frauen konzentrieren sich mehr auf emotionale und zwischenmenschliche Aspekte, lassen sich eher helfen, nehmen eher Medikamente ein und gehen früher zum Arzt. Männer ignorieren den Schmerz häufiger, suchen nach Erklärungen und Ursachen und wollen das Problem selbst lösen.

Mit effektiven vorbeugenden Maßnahmen und einer verträglichen Behandlung sollten Alltagsschmerzen frühzeitig bekämpft werden, rät Göbel: „Andernfalls können komplexe, schwer zu behandelnde Leiden entstehen, wie wir sie täglich in unserer Klinik sehen.“ Wichtig sei es, die Ursachen wie Stress und körperliche Überbelastungen zu beseitigen.

Wundermittel Bewegung
Bewegung und Sport ist ein Schlüssel zur Vorbeugung und Bewältigung von Alltagsschmerzen, erläutert Völker am Beispiel des Kopfschmerzes: „Es werden ständig neue positive Effekte der körperlichen Aktivität entdeckt. Egal wie spät und wie intensiv – es lohnt sich immer, in Bewegung zu kommen.“ So werden bei körperlicher Anstrengung Stoffe wie Serotonin und Endorphin ausgeschüttet, die die Schmerzwahrnehmung reduzieren, Ängste lösen und die Stimmung aufhellen. Auch der Zustand der Gefäße wird verbessert, was insbesondere bei Migränepatienten zu Verbesserungen der Symptomatik führen kann. Bei Spannungskopfschmerzen sollte man den Muskeln besondere Aufmerksamkeit schenken, wie Völker hervorhob: „Der moderne Mensch ist aus der Balance geraten. Wenn wir am PC kauern, müssen unsere Muskeln beispielsweise das Gewicht des Kopfes tragen, der unter normalen Umständen durch unser Skelett gestützt wird. Verspannungen und Kopfschmerzen sind bei einer Fehlhaltung die Folge.“ Durch eine klassische Rückenschule lassen sich die Beschwerden reduzieren, doch auch das chinesische Qi Gong ist sehr effektiv. Übrigens sei das bequem zurückgelehnte „Lümmeln“ auf einem Stuhl mit Lehne rehabilitiert: „Eine neue Studie hat gezeigt, dass dabei die Bandscheiben weniger belastet werden als beim aufrechten Stehen.“

Schmerzmittel richtig einsetzen
Wenn trotz Vorbeugung im Alltag dennoch einmal Schmerzen auftreten sollten, sei auch die Einnahme eines verträglichen rezeptfreien Schmerzmittels zu empfehlen. „Schmerzen auszuhalten ist keine Tugend“, stellte Göbel klar: „Schmerzmittel schützen das Nervensystem im Akutfall vor übermäßiger Schmerzstimulation und Stress. So können chronische Schmerzen vermieden werden.“ Dabei sei es wichtig, Schmerzmittel mit nur einer einzigen Wirksubstanz zu verwenden: „Ein Medikament der ersten Wahl ist dabei die Acetylsalicylsäure. Der Aspirin-Wirkstoff lindert die Schmerzen, aktiviert die Schmerzabwehrmechanismen, hemmt Entzündungen und stoppt die Schmerzbotenstoffe.“ Von Kombinationspräparaten rät Göbel hingegen ab. Analysen aus seiner Klinik zeigen, dass Medikamente mit mehreren Wirkstoffen und Koffein häufig überdosiert würden, was zu einem Dauerkopfschmerz sowie einem erhöhten Risiko von Magen-, Nieren- und Leberschädigungen führen kann. Grundsätzlich sollten Schmerzmittel maximal an zehn Tagen pro Monat eingenommen werden. Wegen des besonderen Risikos eines Übergebrauch hat die Internationale Kopfschmerzgesellschaft jedoch für Mischpräparate eine deutliche niedrigere Grenzschwelle angesetzt. „Bei Schmerzen, die partout nicht abklingen oder immer wieder auftreten, sollte man unbedingt einen Arzt aufsuchen“, plädiert Göbel abschließend.