Frauen in der Chirurgie im Digitalisierungsprozess

Die Digitalisierung nicht nur in der Medizin, sondern über alle Professionen hinweg, schreitet voran und sie wird immer weiblicher. Hier ein Einblick in aktuelle Fortschritte am Beispiel meiner Abteilung.

Obgleich viele von struktureller Diskriminierung in der Chirurgie sprechen, möchte ich ein positives Beispiel zeigen: Das Universitätsklinikum Frankfurt am Main ist bei der Frauenförderung vorn dabei. Die Abteilung der Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie besteht zur Hälfte aus Frauen. 50 Prozent der Oberärzt:innen sind hier Frauen. Die leitende Oberärztin hat vier Kinder. Das motiviert mich als junge Frau enorm.

Forschungsarbeit gefördert

Die Digitalisierung ist ein großer Forschungsbereich. Eine meiner Kolleginnen und ich verfügen jeweils über eine 50-Prozent-Forschungsstelle, um uns neben der Chirurgie auf wissenschaftliche Arbeit konzentrieren zu können. Dabei besteht die Arbeitsgruppe (AG), welche sich mit Digitalisierung in der Chirurgie beschäftigt, hauptsächlich aus Frauen. Wir fördern in unserer AG den Wechsel von Rehabilitation zu Prähabilitation. Dazu gehören ein multimodales Programm aus aerobem Ausdauertraining, Lebensstiländerung wie Nikotin- und Alkoholkarenz, eine gesunde Ernährung sowie mentale Techniken etwa zur Stressreduktion. Damit dieses Programm – gerade in Zeiten der Pandemie – baldmöglichst remote (also über weite Entfernungen), in Echtzeit und individualisiert möglich ist, entwickeln wir eine medizinische App für den Part des Ausdauertrainings unter der Leitung von Prof. Dr. Schnitzbauer.

Chirurgie als Fach verlangt beiden Geschlechtern enorm viel ab. Doch Karriere und Familie zu vereinbaren ist bei weitem nicht mehr unmöglich. Eine 80Prozent-Stelle nach der Elternzeit sowie Elternzeit für männliche Kollegen sind Möglichkeiten, die in der chirurgischen Abteilung der Uni Frankfurt unter Leitung von Prof. Dr. Bechstein umgesetzt werden. Gefördert werden Frauen am Universitätsklinikum nicht nur in der Chirurgie, sondern auch in anderen Abteilungen. In der Forschung gibt es den sogenannten Lady’s Lunch.

Dort findet Austausch über Projekte und Problembewältigung in der Forschung statt. Das FIT-Mentoring wird als Karriereförderprogramm für Frauen angeboten. „Mentoring Hessen“ ist ein weiteres Frauenförderprogramm in Wissenschaft und Wirtschaft. Es unterstützt mich in meiner Karriereplanung ebenso wie das Mentoring-Programm des Deutschen Ärztinnenbundes. Der im letzten Jahr neu gegründete Verein „Die Chirurginnen e. V.“ hat sich in Rekordgeschwindigkeit etabliert und fördert gegenseitige weibliche Unterstützung, auch um die eigene wissenschaftliche Reichweite zu vergrößern.

Noch viel zu tun

Gleichberechtigung ist jedoch immer noch nicht flächendeckend vorhanden. Je weiter nach oben man sich auf der Karriereleiter bewegt, desto geringer werden die Zahlen weiblicher Vorbilder. An Universitätskliniken waren es laut der Untersuchung des DÄB, Medical Women on Top, 13 Prozent Frauen in Führungspositionen im Jahr 2019. In der Chirurgie sind es nur 5 Prozent. Die standardmäßige Verlängerung der Weiterbildung durch Schwangerschaft ist nicht wegzudiskutieren. Dennoch vollzieht sich auch hier ein Wandel und Operieren ist in unserer Abteilung bis 6 Wochen vor Geburtstermin gemäß des seit 2018 geltenden Mutterschutzgesetzes möglich (OPidS). Jedes Jahr hören wir vom Ärzt:innenmangel, von Stellenbesetzungsschwierigkeiten in der Chirurgie. Auch in diesem Kontext bleibt Frauenförderung ein wichtiger Faktor – nicht nur für die Chirurgie!

Dr. med. Svenja Sliwinski ist Digitalisierungsbeauftragte in der Chirurgie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main und forscht in ihrer Habilitation an Digitalisierung im chirurgischen translationalen Bereich der Prähabilitation.

E-Mail: svenja.sliwinski@kgu.de
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