Geschlechtsspezifisches Risikoprofil bei PatientInnen mit Adipositas Grad III
Chirurgische Therapie und Prognose

Aus dem Vortrag von Priv.-Doz. Dr. med. Anna-Maria Wolf

Priv.-Doz. Dr. med. Anna-Maria Wolf Ist Oberärztin und Ärztin für Chirurgie und Viszeralchirurgie sowie Spezialistin für Bariatrische Chirurgie in Ulm. E-Mail
Laut Weltgesundheitsorganisation gilt Adipositas als chronische Erkrankung, die weltweit epidemieartig zugenommen hat (siehe auch Vortrag Bäßler, Seite 10). Neueste Untersuchungen von Sturm et al. zeigen, dass in den USA die Adipositas Grad III (Body Mass Index ? 40 kg/m2) von 2001 bis 2010 um 120 Prozent zugenommen hat. In Deutschland gab das Statistische Bundesamt 2010 bekannt, dass 14 Prozent der Frauen und 16 Prozent der Männer adipös (? 30 kg/ m2) sind, wobei es sich hier um erfragte und nicht um gemessene Daten handelt. Das ist von Bedeutung, da Frauen oft ein niedrigeres Gewicht und Männer eine höhere Körpergröße angeben.

Dies hat Einfluss auf den BMI, der sich aus Körpergewicht und –länge berechnet (BMI = Körpergewicht (kg) : Körperlänge (m2). Die Adipositas ist nicht zu unterschätzen, da sie Begleiterkrankungen (gestörte Glukosetoleranz, Insulinresistenz, Diabetes mellitus Typ II, Dyslipidämie, arterielle Hypertonie) nach sich zieht, die die kardiovaskuläre Mortalität um das Dreifache und die Gesamtmortalität um das Zweifache erhöht. Adipöse Patienten haben abhängig von ihrem Fettverteilungstyp häufig ein Schlafapnoe-Syndrom und prämenopausale Frauen können ein polycystisches Ovarsyndrom und Hirsutismus aufweisen. Zudem konnte gezeigt werden, dass das Krebsrisiko für einige Tumorentitäten deutlich erhöht ist.

Geschlechtsspezifisches Risikoprofil

Bezüglich des Risikoprofils liegen geschlechtsspezifische Unterschiede vor, die auf die Fettverteilung zurückzuführen sind. So entspricht der männliche Fettverteilungstyp einer viszeralen (=Apfel-)Form und die der prämenopausalen Frauen einer gluteo-femoralen (=Birnen-)form. Dies ändert sich bei Frauen in der Menopause: zu der vorhandenen gluteo-femoralen Fettverteilung kommt der viszerale Typ hinzu. Um den Fettverteilungstyp erfassen zu können, ist die Messung des Taillenumfangs von Bedeutung.

Abbildung I: Geschlechtsspezifische Fettverteilung
Universitätsklinikum Ulm


Abbildung II: Fettverteilung Frauen
Universitätsklinikum Ulm

Bariatrische Chirurgie kann Reduktion des Körpergewichtes erleichtern
Die bariatrische Chirurgie ist eine Möglichkeit, mit deren Hilfe Patienten mit Adipositas Grad III ihr Körpergewicht reduzieren können. Allerdings sollte dabei beachtet werden, dass es sich bei dieser chirurgischen Behandlung um keine übliche chirurgische Therapieform handelt, bei der die krankmachende Ursache entfernt wird, sondern um eine symptomorientierte Behandlungsform, die nur so gut sein kann, wie der Betroffene damit umgeht. Dies präoperativ zu erfassen, ist sowohl für die Betroffenen wie auch die Therapeuten schwierig. Prinzipiell sollte erfragt werden, ob der Patient für eine solche Maßnahme, die eine Lebensstilumstellung als Voraussetzung hat, in Frage kommt. Von entscheidender Bedeutung ist, ob der Wirkmechanismus der bariatrischen Maßnahme von den Betroffenen verstanden wurde und ob die absolut notwendigen Lebensstilveränderungen mit den beruflichen und häuslichen Gegebenheiten vereinbar sind.

Präoperativ sollte eine interdisziplinäre Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion mit Ernährungsberatern, Sporttherapeuten, Endokrinologen, Internisten und Psychotherapeuten bzw. Psychosomatikern über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten erfolgt sein. Nach einer bariatrischen Maßnahme kann anhand von Verläufen mittels Body-Impedanz-Analyse gesehen werden, dass Männer häufig schneller als Frauen Muskulatur auf- und Fettgewebe abbauen, sobald sie körperlich aktiv werden und gegebenenfalls auch Sport treiben.

Neben einer Verbesserung und teilweise auch kompletten Aufhebung der pathologischen Symptome zeigen die postoperativen Verläufe, dass die Spiegel der im Fettgewebe sezernierten Hormone Adiponektin und Leptin bei Frauen unabhängig vom Körpergewicht immer höher liegen als die der Männer. Diese beiden Hormone haben einen gegenläufigen Verlauf, d.h. das entzündungshemmende (anti-inflammatorische) Adiponektin steigt postoperativ an, während das entzündungsfördernde (pro-inflammatorische) Leptin abfällt.

Frauen fordern fünf Mal häufiger weltweit eine bariatrische Chirurgie ein

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Frauen vor einer bariatrischen Maßnahme durchschnittlich einen geringeren BMI aufweisen als Männer und aufgrund des gluteo-femoralen Fettverteilungstyps seltener ein Schlafapnoesyndrom aufweisen. Frauen fordern international gesehen fünf Mal häufiger eine bariatrische Therapie ein, haben durchschnittlich mehr Diäten durchgeführt und leiden öfter an Depressionen und Ängsten. Die geschlechtsspezifischen metabolischen Risiken bariatrischer Patienten zeigen Unterschiede aufgrund des unterschiedlichen Fettverteilungsmusters, wobei die Frauen nach der Menopause den gleichen Fettverteilungstyp aufweisen wie die Männer und dann ein ähnliches Risikoprofil haben.

Literatur bei der Verfasserin.
Mehr zum Thema