Initiative #SheHealth: Für die angemessene Anerkennung von Frauen in der Digitalen Medizin

Die #SheHealth-Community arbeitet darauf hin, dass Frauen die benötigte Unterstützung bekommen, um in der männerdominierten IT-Medizin erfolgreich zu sein. Die noch größtenteils männliche eHealth-Welt soll sich durch mehr SheHealth bereichern und in ihren Ansätzen und Perspektiven erweitern.

Die eHealth in Deutschland ist männlich – zumindest männlich dominiert. Mit dieser Aussage legten im Jahr 2016 die Ärztin und Professorin für Informatik im Gesundheitswesen, Sylvia Thun, und die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, Dr. med. Christiane Groß, den Grundstein der #SheHealth-Bewegung. Ausgangspunkt waren die geringen Anteile von Frauen in Führungspositionen von Medizin und Gesundheits-IT in Deutschland.

Zum Beispiel umfasst das Who is Who der Branchenzeitschrift EHEALTHCOM derzeit 463 Männer und 53 Frauen. Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick in die Nachbarländer Österreich und die Niederlande oder nach Nordamerika. Dort wurden unter weiblicher Führung fachlich hoch anerkannte Digital-Health-Projekte, Studien und Forschungsergebnisse im Bereich der digitalisierten Medizin erbracht. Daher plädierten die Gründerinnen der #She-Health-Bewegung dafür, eine eHealth-Quote einzuführen, die zumindest für den Anfang helfen sollte, den qualifizierten Frauen in diesem Sektor mehr Sichtbarkeit zu verschaffen.

Kaum Fortschritt bei MINT
Doch wenn künftig mehr Frauen in Führungspositionen in der Branche arbeiten sollen, ist es vor allem wichtig, in die Ausbildung dieser Frauen zu investieren. Betrachtet man die Zahl der weiblichen Studierenden in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), so sind diese immer noch deutlich in der Minderheit. Im Jahr 2018 gab es laut Bundesagentur für Arbeit in den MINT-Fächern einen Absolventinnenanteil von 29,3 Prozent. Die Zahlen haben sich in den letzten 25 Jahren kaum verändert.

Damit die Branche in den nächsten Jahren auf eine ausgewogene Anzahl von Absolventen und Absolventinnen zurückgreifen kann, gilt es, junge Frauen noch deutlich stärker als bisher für die MINT-Themen zu begeistern. Flankierend dazu müssen die Verhinderungsstrategien der „Entscheider“ beendet werden, damit Frauen adäquat eingebunden werden, in die Leitung gehen und sich die Kultur der Fächer ändert.

Frauen werden gezielt abgewehrt
Im Gegensatz zu den MINT-Fächern ist in der Human-medizin eine Steigerung des Frauenanteils bereits erreicht. Allerdings werden medizinische Leitungspositionen weiterhin häufiger von Ärzten als von ihren Kolleginnen besetzt, obwohl es im Medizinstudium doch seit über 20 Jahren mehr Frauen als Männer gibt.

Sicherlich gibt es massive Verhinde rungsstrategien von männlichen Führungskräften, nicht nur in der Industrie, sondern vornehmlich in der Wissenschaft: Frauen in Leistungspositionen (etwa Universitätsprofessur W3) werden abgewehrt: Berufungskommissionen sind oft ausschließlich mit Männern besetzt. Die Kriterien werden dementsprechend von Männern für Männer erstellt – oder für den passenden Mann nachjustiert. Die Relevanz von Forschungsgegenständen bestimmen Männer in wichtigen Positionen. Die gleichen Männergruppen dominieren die Drittmittelvergabe und die Publikationen. Die #SheHealth-Community will angesichts dieser Ausgangslage für die Unterstützung sorgen, die Frauen benötigen.

Frauennetzwerk für Digital Health
Mit dem Beitrag „Homo Faber und die Identitätsfindung von eHealth“ trat #SheHealth in der Jubiläumsausgabe zum zehnjährigen Bestehen der Zeitschrift EHEALTHCOM 2016 in die Öffentlichkeit. Dadurch wurde die weibliche Minderheit im eHealth-Bereich in Deutschland zum ersten Mal zu einem Diskussionsthema.

Bei der Konferenz MEDICA im selben Jahr fand dann das erste offizielle Treffen der #SheHealth-Bewegung statt. Hier wurde eine Podiumsdiskussion zum Thema Digital Health ausschließlich mit weiblichen Podiumsgästen besetzt. Von da an kamen die #SheHealth-Frauen auf jeder bedeutenden Konferenz für Gesundheits-IT zusammen. Es entstand ein starkes Netzwerk, das über mögliche Strategien zur professionellen Weiterentwicklung von Frauen – sowohl in der Industrie als auch in der Wissenschaft – diskutierte, und es wurden Ideen gesammelt, um diese gemeinsam im politischen Raum zu platzieren. Zugleich fungierten die Expertinnen für die Nachwuchswissenschaftlerinnen auch als Role Models.

Frauen auf die Podien!
So wurde auf der Jahrestagung 2018 der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) e. V. zum Beispiel darüber diskutiert, dass es bisher keine mit einer Frau besetzte W3-Professur in der medizinischen Informatik gibt. Auch das Thema rein männlich besetzter Podiumsdiskussionen wird immer wieder aufgegriffen. Damit solche Podien mehr Dynamik bekommen und nicht nur junge Frauen, sondern auch junge Männer die Möglichkeit erhalten, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, gibt es die Forderung der SheHealth-Frauen, zu Podiumsdiskussionen 30 Prozent Frauen, 30 Prozent Männer und zugleich 40 Prozent Frauen und Männer mit einem Alter unter 40 Jahren einzuladen.

Information über Twitter
Das SheHealth-Netzwerk besteht nun aus etwa 140 Frauen, sowohl aus der Wissenschaft als auch aus der Industrie, die sich mindestens drei Mal im Jahr treffen. Die Initiative ist aktiv auf Twitter (@SHEHEALTH1) mit Hashtags wie #SHEHEALTH, #digitalhealth und #WomeninDigitalhealth. Dort kann man sich über Entwicklungen der eHealth-Szene und die Repräsentation von Frauen in „Digital Health“ informieren und findet die Ankündigung wichtiger Veranstaltungen. Die Website findet sich unter: www.shehealth.org

Digitale Köpfe für die Medizin
Die #SheHealth-Initiative hat sich als eines ihrer Ziele gesetzt, Frauen-Netzwerke im Bereich Medizin und Gesundheits-IT zu stärken und somit die weibliche Repräsentation auf den Führungsebenen von Medizin und Gesundheits-IT zu erhöhen. Sie gibt jungen Frauen die Möglichkeit, sich nicht nur untereinander auszutauschen, sondern will auch eine Plattform bieten, Mentorinnen in ihren jeweiligen Fachbereichen kennenzulernen. Für Frauen in der Gesundheits-IT gibt es nur wenige technikaffine Vorbilder. Weiterhin hilft die Initiative dabei, dass junge Ärztinnen und Wissenschaftlerinnen die Chance bekommen, sich auf – noch männerdominierten – Konferenzen als Rednerinnen oder als Teil einer Podiumsdiskussion profilieren zu können.

Wenn wir Deutschland in einen Wandel von alteingesessenen, medizinischen Systemen und Prozessen hin zu neuen Technologien führen wollen, müssen digitale Köpfe her.

Prof. Dr. Sylvia Thun ist Professorin für Informations­ und Kom­munikationstechnologie im Gesundheitswesen. Am Berlin In­stitute of Health leitet sie die Core Unit eHealth und Interopera­bilität und kümmert sich darum, wie die vielen Daten, die in der Medizin und in der medizinischen Forschung anfallen, sinnvoll genutzt werden können. Gerade hat sie eine Tagung veranstal­tet, die sich mit der Rolle von Frauen und künstlicher Intelligenz in der Medizin beschäftigt.

E-Mail: sylvia.thun@bihealth.de
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