Junge Ärztinnen wünschen sich Klarheit – bevor sie schwanger werden

Wann ist der richtige Zeitpunkt für ein Kind? Diese Frage stellt sich wohl jede Frau einmal, wenn sie Mutter werden möchte. Viele junge Ärztinnen sehen sich aktuell durch ihren Beruf in einem besonderen Dilemma. Das drohende Beschäftigungsverbot bei einer Schwangerschaft verdichtet die Abwägung für sie zu einer Grundsatzfrage. Kind oder Karriere? Den DÄB erreichen immer wieder Berichte von Ärztinnen, die versuchen, ihre Zukunft zu planen und stattdessen gegen Wände prallen. Hier ein Fall:

Darf eine schwangere Ärztin eine FFP2-Maske tragen? Angeblich nicht. Zu gefährlich für das werdende Kind. So wurde es der angehenden Internistin Lisa Bergmann (Name von der Redaktion geändert) zugetragen. Das basiere auf Leitfäden des Gewerbeaufsichtsamts zum Mutterschutz in der Corona-Pandemie. Doch ohne Schutzmaske, das ist klar, ist man als werdende Mutter derzeit in einer Klinik nur sehr bedingt einsetzbar. Die Konsequenz: Beschäftigungsverbot für alle schwangeren Ärztinnen. Vorsorglich.

Viele Fragen, keine Vorarbeit

Ob sich das wirklich so ableiten ließe? Ob solche zum Beginn der Pandemie eilig erstellten Schutzvorgaben mit dem heutigen wissenschaftlichen Kenntnis­stand über Corona überhaupt noch anwendbar sind? Ob das Gewerbeaufsichtsamt wirklich relevant ist für die Entscheidung über die Beschäftigung von schwangeren Ärztinnen? Was ist mit der Betrachtung jedes einzelnen Falles und mit individuellen Lösungen? Lisa Bergmann weiß es nicht.

Seit einigen Wochen versucht sie mit mehreren Kolleginnen in der Klinik – jungen Ärztinnen in der Weiterbildung wie sie – herauszufinden, was Sache ist. „Wir stehen mit unseren Chefärzt:innen in Verbindung, mit der Personalabteilung, dem Personalrat und den Hausjurist:innen“, berichtet sie. „Alle sind sehr freundlich, aber es heißt immer, es gebe noch alles Mögliche zu klären.“

Lisa Bergmann hat das Gefühl, die Zeit arbeite gegen sie. „Würde ich jetzt schwanger und müsste allein deshalb 6 oder 7 Monate aussetzen, würde es extrem eng, beruflich noch mitzuhalten“, berichtet sie. „Ja zu sagen zur Mutterschaft, das fällt momentan vielen Ärztinnen schwer, obwohl es eigentlich gut ins Leben passen würde.“ Das Thema Mutterschutz: Für die Ärztinnen um die 30 im Umfeld von Lisa Bergmann ist es untrennbar mit entschiedenen Weichenstellungen in ihrem Leben verknüpft. „Gespräche dazu verlaufen oft sehr emotional“, berichtet sie.

10 Jahre für die Weiterbildung?

Kein Wunder, wenn einem Kolleginnen, die mehrere Kinder haben, vorrechnen, wie schnell sich die Weiterbildung mit Pausen durch Schwangerschaft, Elternzeit und Teilzeit auf 10 Jahre ausdehnen kann. „Als Frau hat man in der Klinik ohnehin ein paar Hürden mehr zu nehmen als Männer“, erzählt die 28-Jährige. „Da verdeutlicht einem die aktuelle Situation die wahre Chancenungleichheit besonders stark.“ Alleingelassen oder bevormundet, ohne etwas ändern zu können: So erleben sich viele Ärztinnen mit Kinderwunsch derzeit. „Wir erkennen geballt, was für Frauen in der Medizin noch schiefläuft, sei es Teilzeit, Jobsharing oder Kinderbetreuung.“

Lisa Bergmann wünscht sich eine Mutterschutz-Regelung, die junge Ärztinnen ernst nimmt: „Wir wissen sehr genau, was uns und einem Kind schadet.“ Greifbar scheint ihr eine Lösungsfindung auf Augenhöhe derzeit an ihrer Arbeitsstätte kaum. Für ihre Gruppe junger Ärztinnen stehen erst einmal weitere Gespräche an, etwa mit der Landesärztekammer. Die Situation frustriert: „Es gibt viele nette Worte, aber wenig konkrete Taten.“ Einen Lichtblick sehen die Ärztinnen mit Familienwunsch: „Inzwischen solidarisie­ren sich einige junge männliche Kollegen mit uns.“ (AvK)

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