KSVPsych-RL: So nicht! Benachteiligung erst ausräumen

Spitzenfrauen Gesundheit und DÄB fordern Ministerium zu Beanstandung auf

Pressemitteilung
19.10.2021
In der aktuellen Fassung weist die neue KSVPsych-RL noch Mängel auf, die einer Korrektur bedürfen. Darauf weisen die Spitzenfrauen Gesundheit e.V. und der Deutsche Ärztinnenbund e.V. (DÄB) in einem gemeinsamen Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hin. Sie fordern das Ministerium auf, den Passus zu beanstanden, der es nur Ärzt:innen oder Psychotherapeut:innen mit vollem Versorgungsauftrag ermöglicht, als Bezugsärztin oder Bezugsarzt beziehungsweise Bezugspsychotherapeutin oder Bezugspsychotherapeut zu fungieren.

„Die Richtlinie in der vorgelegten Form bedeutet einen Rückschritt bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in medizinischen Berufen“, erklärt Dr. Christiane Groß, Präsidentin des DÄB. „Viele dieser Leistungserbringenden, die zusätzlich zum Beruf Sorgearbeit – etwa bei der Pflege ihrer Eltern – übernehmen, haben reduzierte Versorgungsaufträge. Sie werden durch die vorgeschlagene KSVPsych-RL unangemessen benachteiligt.“ Negative Auswirkungen befürchten die beiden Verbände auch für die Patientinnen und Patienten, denen die KSVPsych-RL eigentlich besser helfen soll. „Schon jetzt fehlt es an Behandlungsplätzen in der Psychotherapie. Viele psychisch kranke Menschen müssen monatelang auf ihre Therapie warten“, sagt Cornelia Wanke, Co-Vorsitzende von Spitzenfrauen Gesundheit. „Da ist es wenig hilfreich, den Kreis derjenigen, die Therapien anbieten, nur auf jene mit einem vollen Versorgungsauftrag zu beschränken. Wir befürchten gravierende Probleme durch diese Regelung.“

Die KSVPsych-Richtlinie soll dazu beitragen, schwer psychisch Erkrankte mit einem komplexen Handlungsbedarf künftig besser zu versorgen. Dazu sollen unter anderem Netzverbünde der zur Behandlung notwendigen Berufsgruppen beitragen. Die Spitzenfrauen Gesundheit e.V. und der DÄB beanstanden die Umsetzung laut § 4 Absatz 1 in Bezug auf Bezugsärztin oder Bezugsarzt sowie Bezugspsychotherapeutin oder Bezugspsychotherapeut. Hier erheben sie die Forderung, für diese Aufgaben auch Praxen mit einem reduzierten Versorgungsauftrag zuzulassen.

Mit dem Vertragsarztänderungsgesetz wurde 2007 die Möglichkeit eingeräumt, halbe Versorgungsaufträge zu übernehmen. Seit 2019 besteht nach der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte die Option, sich für dreiviertel Versorgungsaufträge zu entscheiden. „Ziel der Gesetzgebung war es in beiden Fällen explizit, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen“, betont DÄB-Präsidentin Groß. Die Spitzenfrauen-Gesundheit-Co-Vorsitzende Wanke ergänzt: „Damit wurde außerdem das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes umgesetzt. Diese Vorlage dreht das Rad zurück, denn es sind überwiegend Frauen, die wegen familiärer Aufgaben ihre Versorgungsaufträge reduzieren.“ Die beiden Verbände argumentieren, dass es auch mit einem reduziertem Versorgungsauftrag möglich ist, die betreffenden Menschen qualifiziert und umfassend zu behandeln, zumal es grundsätzlich zu den vertragsärztlichen Pflichten gehört, im Not- und Krisenfall für Patient:innen eine Erreichbarkeit zu sichern.

Die Spitzenfrauen Gesundheit sind ein Zusammenschluss von unterschiedlichsten Frauen aus dem Gesundheitswesen. Sie setzen sich insbesondere für die Förderung der Gleichberechtigung von Frauen im Gesundheitswesen und in der Gesundheitspolitik, die Wahrung ihrer beruflichen und sozialen Interessen sowie die Förderung von genderbezogenen Ansätzen in der Medizin und gesundheitlichen Versorgung ein. Sie vertreten die Belange der Frauen gegenüber dem Gesetzgeber, der Verwaltung und der Öffentlichkeit. Die Spitzenfrauen Gesundheit bilden darüber hinaus Netzwerke innerhalb der Mitgliedschaft und anderer interessierter Personen, unterstützen Frauen in Fragen der beruflichen Weiterentwicklung, organisieren Veranstaltungen und fördern wissenschaftliche Arbeiten oder Projekte im Sinne des Vereinszwecks.
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