Pathologische Schilddrüsenbefunde häufiger als vermutet

IV. Münchner Schilddrüsensymposium diskutierte über das interdisziplinäre Management des hyperfunktionellen Schilddrüsenknotens

Pressemitteilung
04.08.2006
„Knotige Schilddrüsenveränderungen sind bei 30 bis 40 Prozent der Frauen und 20 bis 30 Prozent der Männer zu finden und nehmen altersabhängig zu“, erklärte Professor Petra-Maria Schumm-Draeger, München. Um eine optimale Behandlungsplanung vornehmen zu können, müsse die Differentialdiagnostik hypofunktioneller Schilddrüsenknoten eine sinnvolle Kombination von klinischer Untersuchung, Sonographie, Szintigraphie und Feinnadelaspirations-biopsie sowie die zytologische Abklärung suspekter Schilddrüsenbefunde beinhalten. Eine histologische Klärung sei immer anzustreben, wenn auf Grund der Diagnostik die Malignitätskriterien hypofunktioneller Schilddrüsenknoten überwiegen. In Abhängigkeit von der Situation des Patienten sei bei hypofunktionellen Schilddrüsen-knoten im Allgemeinen eine Operation zu empfehlen. Zur Zeit werde in einer klinischen Studie geprüft, inwieweit Patienten mit hypofunktionellen Schilddrüsenknoten, die nicht primär einer Operation zugeführt werden, von einer Kombinationstherapie aus Levothy-roxin und Jodid profitieren können.

Klinische Symptomatik wenig eindrucksvoll
„Die klinische Symptomatik von Schilddrüsenkarzinomen ist in den meisten Fällen wenig eindrucksvoll“, erklärte Professor Klaus-Dieter Palitzsch, München. Klassische Zei-chen wie Schluckbeschwerden, Heiserkeit oder Stridor seien nur bei einem kleinen Teil der Patienten nachweisbar. Ein rasch wachsender solitärer Schilddrüsenknoten solle daher ebenso gründlich abgeklärt werden wie plötzlich auftretende Schwellungen von Halslymphknoten bei vorbekannter Schilddrüsenerkrankung. Grundsätzlich können an der Entstehung eines Schilddrüsenkarzinoms genetische Defekte, externe oder interne Strahlenexposition, hormonelle Einflüsse, die diätetische Jodversorgung und andere Faktoren wie Körpergröße und Gewicht ursächlich beteiligt sein.

Biomarker unterstützen die konventionelle Zyto- und Histopathologie
„Die überwiegende Mehrzahl der tumorösen Schilddrüsenveränderungen ist klinisch und makroskopisch nicht durch maligne Stigmata gekennzeichnet“, erläuterte Professor Ferdinand Hofstädter, Regensburg. Zudem sei der Pathologe mit einem komplexen Regelwerk der Dignitätsfindung konfrontiert, bei dem die Kernpolymorphie keine Rolle spiele. Aus neuen Erkenntnissen über die molekulare Pathogenese der verschiedenen Schilddrüsentumore würden sich Kandidaten für die konventionelle Zyto- und Histopathologie unterstützenden Biomarker sowie Ansätze zu einer spezifischen Therapie ergeben. Molekulare Techniken zur Unterstützung der konventionellen diagnostischen Kriterien seien notwendig zur präziseren Klassifikation sowie zur präziseren Abschätzung der Prognose des zu erwartenden klinischen Verlaufs, die Basis einer individualisierten Therapie sei.

Zunahme radikaler Operationsstrategien
„Trotz der verhältnismäßig günstigen Langzeitprognose von differenzierten Karzinomen des Follikelepithels ist die Thyreoidektomie das Operationsverfahren der ersten Wahl für den Primäreingriff“, beschrieb Professor Hubertus Wenisch, Potsdam. Gekapselte Mikrokarzinome, die im Langzeitverlauf auch nach eingeschränkter Operation eine günstige Prognose haben, seien relativ selten und würden daher im T1-Stadium der UICC-Klassifikation nicht speziell berücksichtigt. Auch für den überwiegenden Teil der T1-Karzinome sei die Thyreoidektomie der Regeleingriff. Aufgrund der zunehmenden Erfahrung bei der Darstellung und Protektion von Stimmbandnerven und Neben-schild-drüsen sei trotz radikalerer Erstoperationen keine Zunahme der Komplikationsrate zu verzeichnen. Auch gutartige Schilddrüsenerkrankungen würden zunehmend radikaler operiert. Begründet werde dies mit den niedrigen Komplikationsraten, der hohen Rezidivrate in der Restschilddrüse und der signifikant höheren Komplikationsrate von Rezidivoperationen.

Lebenslange Nachsorge erforderlich
„In Abhängigkeit von der histologischen Klassifikation und der Stadieneinteilung werden alle Patienten mit Schilddrüsenkarzinom nach der Operation einer lebenslangen Nachsorge zugeführt“, erklärte Professor Friedhelm Raue, Heidelberg. Bei den papillären und follikulären Schilddrüsenkarzinomen werde primär eine Radiojodtherapie zur Ausschaltung von Restschilddrüsengewebe und möglichem Tumorgewebe durchgeführt – eine Ausnahme stellen nur die papillären Mikrokarzinome (Durchmesser < 1cm) dar. Da Schilddrüsenkarzinome ein TSH-abhängiges Wachstum aufweisen, ist eine suppressive Thyroxinsubstitution anzustreben. Im weiteren Verlauf sei der Thyreoglobulinspiegel ein Marker für Heilung bzw. Rezidiv. Bei Patienten mit medullärem Schilddrüsenkarzinom entscheide das postoperative Calcitonin über das weitere Procedere. Bei erhöhtem Calcitonin und Ausschluss von Fernmetastasen sei die Frage einer Reoperation zu diskutieren.
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