Sexarbeit: Antidiskriminierungs-Label für ärztliche Praxen im Modellprojekt

Für eine fachlich versierte und menschlich sensible medizinische Betreuung von Sexarbeiter:innen tritt „Frauen fördern die Gesundheit e. V.“ ein – und unterstützt das Modellprojekt „Roter Stöckelschuh“.

Im Juli 2020 hat der Berufsverband erotische und sexu­elle Dienstleistungen e.V. (BesD) als Projektträger das
Berliner Modellprojekt „Roter Stöckelschuh“ gestartet. Der Hintergrund: Jede Person, die der Sexarbeit nachgeht, sieht sich mehr oder minder häufig mit Vorurteilen, Ablehnung und Diskriminierung konfrontiert, wenn sie sich zu ihrer Tätig­keit äußert. Als Konsequenz vermeiden es viele Sexarbeitende, sich selbst ihrem engsten Umfeld anzuvertrauen. Auch der Be­such in ärztlichen Praxen ist eine Hürde. Es liegt auf der Hand, dass Sexarbeit die Gesundheit beeinflusst. Deswegen ist es notwendig, Sexarbeiter:innen zu signalisieren, dass sie in ärztlichen Praxen willkommen sind und einen fachlich versierten und menschlich wertschätzenden, sensiblen Umgang erwarten können.

An diesem Punkt sieht „Frauen fördern die Gesundheit“ den Bezug zu und die Herausforderung für uns Ärztinnen: Es geht nicht darum, uns zur Situation, zu Rechten und Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter:innen zu positionieren. Das Anliegen ist eine adäquate medizinische Versorgung. Über das Modellprojekt sollen Ärztinnen und Ärzte – zunächst mit Fokus auf Berlin – darin geschult werden, in ihrem Berufsalltag die ärzt­liche Behandlung angemessen anzubieten.

Dafür sind Fortbildungen und Informationsveranstaltungen für interessierte Ärzt:innen und Mitarbeiter:innen des Gesundheitswesens geplant. Praxen, die sich beteiligen, sollen mit einem Logo ihre Aufgeschlossenheit in den Praxisräumen sichtbar machen. Auf den Veranstaltungen soll über Sexarbeit als Lebens- und Arbeitsrealität informiert werden und die Ärzt:innen sollen sich über die Arbeit mit Sexarbeiter:innen, etwa als Patient:innen, austauschen.

Dazu gehören Fragen wie: Welche Arbeitspraktiken sind gängig? Welche gesundheitlichen Risiken ergeben sich daraus? Welche Untersuchungen benöti­gen Sexarbeiter:innen? Wie ist ihre Versicherungslage? Oder: Welche gesundheitlichen Maßnahmen, zum Beispiel zur Empfängnisverhütung, sind für Sexarbeiter:innen praktikabel?

Auch der Vorstand des DÄB unterstützt das Anliegen, für diese Berufsgruppe gut qualifizierte ärztliche Versorgung anzubieten und Ärztinnen und Ärzte zu schulen. Und die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung stellt für das zweijährige Modellprojekt Landesmittel bereit.

Die Auftakt-Veranstaltung zum Modellprojekt fand am 17. November online statt. Ab 2022 ist geplant, das Projekt bundesweit auszuweiten. Bis dahin gibt es viel zu tun. Wir wünschen uns daher: Liebe Kolleginnen, haben Sie ein offenes Ohr für diese Thematik.

Weitere Informationen erhalten Sie auch über die Projekt­verantwortliche Deborah Hacke.

E-Mail: roterstoeckelschuh@besd-ev.de

Dr. med. Brigitte Klein ist niedergelassene Frauenärztin in Dortmund und Vorsitzende des Vereins Frauen fördern die Gesundheit e. V. beim DÄB. Um agieren zu können, freut sich der Verein über Spenden: Konto: DE30 3006 0601 0001 7143 84 bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank Münster.


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Die angemessene medizinische Betreuung von Sexarbeiter:innen ist nur ein Aspekt der Prostitution. Schon lange diskutiert der DÄB intern auch über Menschenrechtsfragen, die sich im Zusammenhang mit der Prostitution stellen. Es geht dabei insbesondere um die Frage, ob der DÄB offiziell das „nordische Modell“ unterstützen soll. Es zielt darauf ab, den Kauf von sexuellen Dienstleistungen einzudämmen – unter anderem indem Sexarbeiter:innen entkriminalisiert sind, jedoch Kauf und das Anbieten, auch durch Bordellbetreiber:innen, unter Strafe gestellt wird. Kritiker:innen weisen darauf hin, dass dieser Weg das Diskriminierungsproblem nicht ausreichend löst und die Gefahr besteht, Prostitution wieder insgesamt in die Illegalität zu verdrängen.

Bislang gibt es dazu keine Stellungnahme des DÄB.

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