Sind Forscherinnen wirklich bescheidener als Forscher? Der DÄB fordert größere Objektivität bei der Beurteilung von Wissenschaftlerinnen

Pressemitteilung
06.03.2020
In den Spitzenpositionen der Wissenschaft sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Besonders eklatant ist das Ungleichgewicht in der Medizin. Vor einigen Wochen sorgte eine Beobachtungsstudie eines Forscherteams der Universität Mannheim, der Harvard Medical School und der Yale University für Aufsehen. Sie hatte ergeben, dass Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse in Fachjournalen öfter etwa als „ausgezeichnet“, „neuartig“ und „einzigartig“ anpreisen, als Frauen dies tun. Der Deutsche Ärztinnenbund e. V. (DÄB) warnt davor, aus dieser Erkenntnis den Schluss zu ziehen, dass Frauen bei der Beurteilung ihrer wissenschaftlichen Leistung zurückhaltender seien als Männer – und sich auf dem Weg an die Spitze quasi selbst behindern.

Unter anderem war in der Studie herausgekommen, dass Forschende, die ihre Arbeit im Titel und im Abstract positiv darstellten, eine bessere Chance hatten, zitiert zu werden. Die Relevanz eines Wissenschaftlers oder einer Wissenschaftlerin bemisst sich oft an der Menge der Zitierungen. Die sprachliche Verpackung der eigenen Leistung kann sich folglich auf die Karriere auswirken.

„Angesichts dieser Studie liegt es nahe“, erläutert Groß, „Frauen zu raten, sie sollten sich stärker an männlichen Vorbildern orientieren. Doch das greift viel zu kurz. Es lässt komplexere Mechanismen der immer noch systematischen Benachteiligung von Frauen außer Acht.“ Schon die Studienautoren selbst hatten darauf hingewiesen, dass Fachpublikationen von Frauen womöglich deshalb weniger enthusiastisch präsentiert werden, weil die Peer Reviewer – die Gutachter, die über die Veröffentlichung entscheiden – die Arbeit von Frauen strenger beurteilen als die von Männern. Die Studie „Publishing while female“ der britischen Wissenschaftlerin Erin Hengel hatte bereits 2018 Hinweise auf so eine Diskriminierung erbracht.

„Die Studie über den genderspezifischen Sprachgebrauch in wissenschaftlichen Publikationen ist ein Lehrstück darüber, wie stark gesellschaftlich bedingte Rollenklischees unsere Wahrnehmung zum Nachteil von Frauen immer noch verzerren können“, erklärt DÄB-Präsidentin Groß. „Statt den Anpassungsdruck auf Frauen groß zu halten, müssen wir uns darauf konzentieren, die Ursachen systematischer Frauendiskriminierung ausräumen.“ Im Fall der ungleichen Darstellung von weiblicher und männlicher Forschung könnte das unter anderem bedeuten, sprachliche Standards für Fachjournale zu definieren. So ließe sich zum Beispiel transparent machen, welcher Grad an Evidenz (Beweiskraft) erwartet wird, um eine Erkenntnis als „neu“ zu betiteln. Eine Kommentatorin des British Medical Journal, in dem die Studie erschienen ist, hat dies bereits vorgeschlagen.
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