„Streicht Paragraf 219a“: Kommt bald das erfolgreiche Ende der Kampagne?

Ziel der Kampagne „Streicht Paragraf 219a“ von Terre des Femmes ist die Abschaffung des Paragrafen 219a, damit Ärztinnen und Ärzte über Methoden, Risiken oder Ablauf von Schwangerschaftsabbrüchen öffentlich informieren und ungewollt Schwangere informierte Entscheidungen treffen dürfen. Die Politik will es nun angehen.

Am 19.01.2021 twitterte die Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel: „Nun bin ich leider gezwungen, meine Informationen von der Webseite zu nehmen, sonst wäre ich am Ende finanziell ruiniert. Aber, wichtig: Alle Personen, die KEINE ABBRÜCHE MACHEN, dürfen über Schwangerschaftsabbrüche informieren. Bitte tut das jetzt!“

Vorausgegangen war diesem Tweet die Verurteilung Hänels nach dem Paragrafen 219a StGB vor dem Oberlandesgericht Frankfurt. Ein Paragraf, der schwerwiegende Folgen für Mediziner:innen und ungewollt Schwangere hat. Ärzt:innen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, dürfen über diese ärztliche Leistung nicht öffentlich informieren. Ungewollt Schwangeren wird so der Zugang zu fachlich gesicherten Informationen erschwert, und sie können sich in ihrer Notlage nur mit hohem Aufwand orientieren.

Laien liefern die Information

Was Kristina Hänel nicht mehr darf, übernehmen in der Kampagne „Streicht Paragraf 219a“ Laien: In vier Kurzvideos teilen fachfremde Personen wie ein Gastronom, eine Moderatorin oder ein Kfz-Mechaniker Informationen über einen Schwangerschaftsabbruch und machen damit auf den Irrsinn des frauen­feindlichen Paragrafen aufmerksam: Sie sprechen aus, was Ärztinnen und Ärzten laut Paragraf 219a StGB „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ verboten ist.

Auf der Webseite www.streicht219a.jetzt finden sich weitere wichtige Informationen rund um das Thema, die Ärzt:innen nach geltendem Recht nicht veröffentlichen dürfen. Materia­lien, Texte und Bilder kann jede und jeder über die eigenen Social-Media-Plattformen teilen. Mehr als 25 000 Menschen konnten bis heute mit der Kampagne erreicht werden, viele haben die Inhalte geteilt, Betroffene informiert und – gemeinsam mit Terre des Femmes – von der Politik gefordert „Streicht Paragraf 219a“.

Nun könnte die Kampagne bald ein erfolgreiches Ende nehmen: Die drei Parteien der Ampel-Koalition wollen Paragraf 219a abschaffen. Das haben sie im Koalitionsvertrag vereinbart. Damit ist eine Entkriminalisierung von ungewollt Schwangeren und Mediziner:innen jedoch noch nicht gegeben. Nicht solange ein Schwangerschaftsabbruch nach Paragraf 218 StGB grundsätzlich rechtswidrig ist und nur unter bestimmten Bedingungen straffrei bleibt.

Eine selbstbestimmte, eine freie Entscheidung wird Frauen damit weiterhin aberkannt. Einer der am häufigsten durchgeführten gynäkologischen Eingriffe bleibt strafrechtlich geregelt. Das führt nach unserer Einschätzung zu Defiziten in der Versorgung, in der Lehre und in der Qualität von Abbrüchen und gefährdet das Leben und die Gesundheit von Frauen. Terre des Femmes fordert daher zusätzlich #KeinGeburtstagfür218. Wir finden: Es kann nicht sein, dass ein Paragraf aus der Kaiserzeit seit 150 Jahren über das Selbstbestimmungsrecht von Frauen gestellt wird – 150 Jahre sind genug!

Sina Tonk ist Bereichsleiterin Referate bei „TERRE DES FEMMES Menschenrechte für die Frau e. V.“. Sie leitet die Referate Weibliche Genitalverstümmelung, Gewalt im Namen der Ehre sowie Häusliche und sexualisierte Gewalt und ist Ansprechpartnerin für sexuelle und reproduktive Rechte. Terre des Femmes ist eine gemeinnützige Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Berlin, die sich seit 1981 für ein selbstbestimmtes, gleichberechtigtes und freies Leben für Mädchen und Frauen einsetzt.

E-Mail: bl-referate@frauenrechte.de

Der DÄB hat sich 2019 für die Abschaffung des § 219a ausgesprochen. Zum § 218 gibt es keine Beschlusslage.
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