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Studium, Praktika, Staatsexamen: Mit Studierenden sprechen statt über sie

Die Corona-Pandemie hat das Medizinstudium in Deutschland schlagartig verändert. Examina wurden verschoben, Unterricht abgesagt und die Lehre auf digitale Formate umgestellt. Welche Hürden ergeben sich vier Monate nach der initialen Schließung der Hochschulen?

Am Freitag, 13. März, verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel die Schließung aller Hochschulen – also kurz vor Semesterbeginn. Zehntausende Medizinstudierende meldeten sich freiwillig, um bei der Bewältigung der Pandemie zu helfen.

Übergang zu digitaler Lehre
In wenigen Wochen setzten die Hochschulen um, was lange in Deutschland undenkbar war: Vorlesungen, Seminare, der Unterricht am Krankenbett und Klausuren wurden weitgehend durch digitale Lehrformate ersetzt. Viele Modelle funktionieren gut und zeigen, was aus Sicht der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) schon lange möglich gewesen wäre. Wir hoffen, dass diese Entwicklung nach der Pandemie fortgeführt wird.

Größere Schwierigkeiten zeigten sich bei den medizinischen Staatsexamina: Bayern und Baden-Württemberg entschlossen sich leider dazu, das zweite Staatsexamen (M2) zu verschieben und die Studierenden ohne Prüfung in ein vorzeitiges Praktisches Jahr (PJ) zu schicken. Hierdurch stehen nach dem PJ zwei Staatsexamina an. Zusätzlich zu dieser Doppelbelastung verkürzt sich die Lernzeit für das M2 von regulär über 100 Tagen auf weniger als sechs Wochen.

Neben den Herausforderungen im Studium stehen zahlreiche junge Menschen auch in anderen Lebensbereichen vor Hürden: finanzielle Notlagen, weil der Nebenjob weggebrochen ist oder eine adäquate Kinderbetreuung fehlt. Zudem leben rund 3,6 Prozent aller 15- bis 24- Jährigen mit mindestens einer COVID-19 relevanten Vorerkrankung. Das ist vor allem in der medizinisch-praktischen Ausbildung ein Problem.

Empfehlungen wurden gehört
Trotzdem hat der starke Zusammenhalt aller in den letzten Monaten ein Weiterführen unseres Studiums ermöglicht. Wir freuen uns, dass unsere Einschätzungen und Empfehlungen gehört und aufgegriffen wurden, wie etwa die Zusage zu kulanten Fehlzeitenregelungen bei Quarantäne oder COVID-19-Erkrankungen sowie gelockerte Anrechnungsregelungen von Einkünften auf das BAföG.

Gleichzeitig setzen wir uns weiterhin ein. Für zielführende Lösungen zum verschobenen Examen in Bayern und Baden-Württemberg, für eine faire Aufwandsentschädi gung im PJ und sichere Konzepte für Studierende mit Kind oder chronischen Erkrankungen sind wir aktiv. In der bvmd wurde uns vor allem eines wiederholt vor Augen geführt: Nur gemeinsam, mit vielen helfenden Köpfen und Kreativität, Flexibilität und Offenheit für neue Meinungen, Perspektiven und Wege sowie Kompromissbereitschaft sind wir in der Lage, die zahlreichen Ver-änderungen vorantragen zu können.

Evaluation neuer Lehrformate
Besonders in der Umstellung der Lehre hat sich wieder gezeigt, dass der Dialog auf Augenhöhe mit den Studierenden großes Potenzial birgt. In der kommenden Zeit wird die Evaluation und Weiterentwicklung digitaler Lehrformate zur Sicherung der Qualität des Studiums einen unserer Schwerpunkte darstellen. Die digitale Lehre muss ausgebaut und etwa durch die Implementierung der neuen Gegenstandskataloge zukunftsfähig gemacht werden. In der Ausgestaltung der Praxiseinheiten besteht zudem noch großer Entwicklungsbedarf. Wir sind uns sicher: Wenn weiterhin mit umfassender Gesprächsbereitschaft und unabhängig von Hierarchien an Lösungen gearbeitet wird, werden wir gemeinsam diese und kommende Herausforderungen meistern.

Aurica Ritter ist Präsidentin der bvmd und Co-Founderin von match4healthcare, einer Plattform, die freiwillige Helfende und Hilfesuchende im Gesundheitswesen vernetzt. Sie studiert im 10. Semester Medizin in Gießen.

Philip Plättner ist Vorstandsmitglied der bvmd und dort Bundeskoordinator für Gesundheitspolitik. Er studiert im 10. Semester Medizin in Göttingen und arbeitete während der Pandemie freiwillig im lokalen COVID-19 Testzentrum.

E-Mail: pr@bvmd.de
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