Ergebnisse einer Meinungsumfrage zu Import und Forschung an und mit embryonalen Stammzellen

(nochmals gekürzte Kurzfassung)

Zwischen März und Mai 2002 führte der Ethikausschuss im deutschen Ärztinnenbund unter den Mitgliedern des DÄB eine Meinungsumfrage zu Import und Forschung an und mit embryonalen Stammzellen durch. 30 Leiterinnen der regionalen Gruppen wurden angeschrieben und gebeten an ihre Mitglieder eine Kurzinformation zu Stammzellen, Forschungszielen und klinischen Anwendungsmöglichkeiten zusammen mit einem Fragebogen zur anonymen Beantwortung zu versenden. 148 Kolleginnen antworteten. Im Folgenden stellen wir eine Kurzfassung der Auswertung vor und möchten damit eine weitere Meinungsbildung innerhalb des DÄB anregen.

Ergebnisse: Innerhalb der Altersverteilung der befragten Ärztinnen fällt der Häufigkeitsgipfel in die Hauptperiode der Berufstätigkeit (30-60 Jährige).
Das Spektrum der Fächerverteilung ist breit. Allgemeinmedizinerinnen und Gynäkologinnen sind am häufigsten vertreten. (n 50).

Frage 1: Welchen der drei im Bundestag zur Abstimmung vorgelegten Anträge zum embryonalen STZ - Import hätten Sie gewählt?


Import und Forschung an und mit ESTZ befürworteten 38 Ärztinnen. (Antrag 3)
68 Ärztinnen lehnten Import und Forschung uneingeschränkt ab (Antrag 1)
42 Ärztinnen sprachen sich für eine Zulassung unter strengen Auflagen aus.(Antrag 2)

Frage 2 : Wie beurteilen Sie das parlamentarische Abstimmungsergebnis: Mehrheitlich- (55%) - Antrag 2 beschlossen ? (Beurteilung des Parlamentsbeschlusses zum ESTZ-Import)

Beurteilung n %

tragfähig

10

7

akzeptabler Kompromiss

36

24

erreichbarer Minimalkonsens

32

22

inakzeptabel, zu restriktiv

23

17

inakzeptabel, da zu durchlässig

40

27

ohne Angabe

5

3

Summe

148

100


53% der Ärztinnen hielten das parlamentarische Abstimmungsergebnis für akzeptabel. Abgelehnt wurde der Beschluss von 17% der Befürworterinnen des ESTZ-Imports als "zu restriktiv", während 27% - vorwiegend Gegnerinnen des ESTZ-Imports - den Beschluss als "zu durchlässig" kritisierten.

Frage 3: Welche Hoffnungen verbinden Sie mit dem Import embryonaler Stammzellen?

Generell überwogen diejenigen Befragten, die mit dem ESTZ-Import erhoffte Ziele bejahten.

Wir differenzierten die einzelnen vorgegebenen Fragen weiter inhaltlich nach 2 Kategorien, solchen, die Grundlagenforschung (III/1;III/2;III5) - und solchen, die die klinische Anwendbarkeit betreffen( III3;III/4).

Bei Analyse der Häufigkeitsverteilungen der gewogenen Beantwortung der einzelnen Fragen ergaben sich unterschiedliche Akzente.

Hinsichtlich der in der Grundlagenforschung angestrebten Ziele setzten mehr als die Hälfte der Befragten große bis sehr große Hoffnungen auf einen Erkenntniszuwachs in das Potential und die Steuerung embryonaler STZ-Funktionen .Keine oder geringe Hoffnungen, insbesondere auf einen zukünftigen Verzicht auf ESTZ-Forschung zugunsten der Forschung an adulten STZ, äußerten dagegen 14-16%.

Im Hinblick auf zukünftige medizinische Anwendbarkeiten bestand demgegenüber eine deutliche Skepsis - mehr als ein Drittel der befragten Ärztinnen gaben hier keine oder geringe Hoffnungen an.

Frage 4: Welche Befürchtungen verbinden Sie mit dem Import von ESTZ?

Knapp 2/3 der befragten Ärztinnen hegten große bis sehr große Befürchtungen hinsichtlich der Folgen des ESTZ-Imports - fügt man die ungewogenen ("x") Meinungen hinzu sind es knapp ¾ der Befragten. Nur 11% - meist Befürworterinnen des ESTZ-Importes - hegten keine Befürchtungen bzgl. möglicher Folge-Risiken.

Zur detaillierteren inhaltlichen Analyse ordneten wir die vorgegebenen Fragen folgenden Bereichen zu:
A: Forschungsinteressen(IV/1)
B: wirtschaftliche Interessen IV/2
C: zukünftige medizinische Anwendbarkeit (IV/4;IV/6;IV7/;IV/9)
D: Auswirkungen auf die Rolle der Frau (IV/3;IV/5) und
E: Gesellschaftliche Auswirkungen (IV/8;IV/10)

Für den Bereich der Grundlagenforschung befürchten ¾ der Befragten eine Zunahme verbrauchender Embryonenforschung im Gefolge eines ESTZ-Importes, einhergehend mit starken wirtschaftlichen Interessen an den als "neuer Rohstoff" apostrophierten embryonalen STZ.
Für diese beiden Bereiche gaben nur 3 - 5 % der Befragten keine oder geringe Befürchtungen an.

Die für den Bereich zukünftiger medizinischer Anwendungen angeführten Fragen wiesen demgegenüber ein geringer differierendes Meinungsspektrum für die Fragen IV/4 und IV/7 - Herstellung von "Designerbabies und Gefahr der Tumorbildung" - auf, während die Meinungsergebnisse bzgl. des Anreizes zum Klonen und einer möglichen genetischen Zellmanipulation auf erhebliche Befürchtungen bei den befragten Ärztinnen hinweisen.

Auch die beiden, die Rolle der Frau betreffenden Fragen erfuhren eine unterschiedliche Wägung. Keine und große Befürchtungen halten sich bei der Frage bzgl. der "Retortenbabies" die Waage.

Das Modell der Entwicklung einer künstlichen Gebärmutter ist bereits in einem japanischen Zentrum im Versuchsstadium. Vielleicht wird diese Möglichkeit, die den Ausfall des Schwangerschaftserlebens für die Frau mit Auswirkungen auf die Mutter/Kind-Beziehung bedeutet, als eine nicht realisierbare Utopie angesehen, und deshalb von einem Teil der Befragten nicht befürchtet.

Anders verteilt sind die Meinungen zu Frage IV/3 : - "Anreiz zur Eizellspende". Knapp die Hälfte der Befragten hegt hier große bis sehr große Befürchtungen . Sie beziehen sich auf eine Instrumentalisierung der Frau mit der Gefahr in die Rolle einer "Eizellieferantin" gedrängt zu werden.

Annähernd ähnlich verteilt wie bei Forschungs- und Wirtschaftsinteressen sind die Befürchtungen für den Bereich gesellschaftlicher Auswirkungen. Bei beiden Fragen -  "Risiken für nachfolgende Generationen" und negative Änderungen das bisher geltende Wertesystem betreffend - hegten mehr als die Hälfte der befragten Ärztinnen große bis sehr große Befürchtungen.

Frage 5: Hat für Sie als Ärztin die "Ethik des Heilens" Vorrang vor dem absoluten Schutz eines frühen Embryos bis zum 14. Tag?

Diese Frage sollte ein Meinungsbild zur Auffassung vom ärztlichen Auftrag und der Verantwortung des handelnden Arztes/der Ärztin in bestimmten Situationen angesichts der neuen Möglichkeiten der rasch fortschreitenden biotechnolo-gischen Entwicklung wiedergeben. Wie weit gilt es dabei den ärztlichen Auftrag nicht mehr allein gegenüber dem betroffenen Patienten, sondern auch gegenüber den mitbetroffenen Embryonen - einem frühen Entwicklungsstadium der gemeinsamen menschlichen Gattung - zu wahren?

Bei den hier befragten Ärztinnen wurde für diesen Fall der Embryonenschutz mehrheitlich als vorrangig vor dem Heilungsauftrag beurteilt.

Frage 6: Halten Sie eine befristete Beschränkung auf Forschung vorerst an adulten Stammzellen in Deutschland für eine ausreichende Alternativlösung?

Diese Frage bezieht sich auf einen unter vier im Nationalen Ethikrat diskutierten Antragsvorschlägen, über den jedoch dann im Bundestag nicht abgestimmt wurde.
  • 56% der befragten Ärztinnen beurteilten diesen Vorschlag positiv,
  • 38% lehnten ihn ab.
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