Anwendung von KI in der Mammadiagnostik

Wie kann KI die radiologische Befundung unterstützen?

Das Mammakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung der Frau (etwa jede achte Frau ist betroffen). Eine große Errungenschaft in der Früherkennung war die Einführung des Mammographie-Screening-Programms vor ca. 15 Jahren, eine andere die Erweiterung der oberen Altersgrenze zum 1. Juli 2024. Frauen ab dem 50. bis zum Tag vor dem 76. Geburtstag sind alle zwei Jahre anspruchsberechtigt: pro Jahr über 8 Mio. Frauen. Die Befundenden im Screening sichten in kurzer Zeit große Mengen an Aufnahmen. Nur ein geringer Anteil ist auffällig – dieser darf jedoch nicht übersehen werden. Die Identifizierung subtiler Auffälligkeiten braucht speziell geschultes Personal, das diese von unauffälligen Befunden differenziert. Die vorgeschriebene unabhängige Doppelbefundung ist ein Qualitätsmerkmal, erfordert jedoch erhebliche personelle Ressourcen.

Bei der Auswertung der Datenmengen in radiologischen Untersuchungen findet Künstliche Intelligenz (KI) zunehmend Anwendung. KI ist in der Lage, große Datenmengen in kurzer Zeit zu verarbeiten. Dabei „lernt“ sie, indem sie mit Bilddaten gesunder und erkrankter Frauen „gefüttert“ wird. Für die Mammadiagnostik gibt es verschiedene KI-Anwendungen: Programme, die Auffälligkeiten im Bild kennzeichnen (z. B. Mikroverkalkungen, Architekturstörungen oder Herdbefunde, sodass die Befundenden sich diese Stelle genauer ansehen können), Programme, die einen Risikoscore für das Vorliegen eines Malignoms berechnen oder Programme, die unauffällige/auffällige Mammographien mit hoher Sicherheit herausfiltern. Im Gegensatz zu Menschen ermüdet die KI auch nach einem 10-stündigen Arbeitstag nicht.

Die aktuell in Nature Medicine veröffentlichte PRAIM-Studie verglich die Performance der KI-unterstützten Doppelbefundung mit der Standard-Doppelbefundung im Rahmen des deutschen Mammographie-Screening-Programms. Die Brustkrebs-Detektionsrate war in der KI-unterstützten Gruppe um 17,6 % höher als in der Standard-Doppelbefundung bei einer um 2,5 % verringerten Abklärungsrate. Die Studie gibt eine mögliche Arbeitsersparnis von 56,7 % bei gezielter Integration von KI in das Mammographie-Screening-Programm an.

KI findet auch außerhalb des Screenings Anwendung. In unserer Praxis läuft bei allen kurativen Mammographien eine KI mit, gleichsam als zweites Augenpaar. Sie weist auf Auffälligkeiten hin oder bietet Entscheidungshilfe bei unklaren Befunden. Dabei steht die KI keinesfalls in Konkurrenz zu menschlichen Befundenden, sondern ermöglicht diesen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: den komplexen Fall oder das Patientengespräch. Und genau in diesem Bereich ist die Grenze zwischen dem Einsatzbereich von KI und der ärztlichen Tätigkeit zu sehen: in der Bewertung der Befunde im klinischen Kontext, der Beratung der betroffenen Frau und der gemeinsamen Entscheidung mit ihr. Wie der Mensch ist die KI nicht frei von Fehlern. Auch von ihr werden Karzinome übersehen oder aber z. B. harmlose Gefäßverkalkungen, eine Hautfalte oder Narbe als auffällig markiert.

Leider existiert bislang keine Abrechnungsziffer zur adäquaten Vergütung der KI-Nutzung. Auch daher ist die Anwendung sehr heterogen verteilt: Nicht jede Praxis kann es sich leisten, mehrstellige Summen in KI-Programme zu investieren. Im Sinne einer effizienten, sicheren Patientenversorgung ist die Politik gefordert, Abhilfe zu schaffen.

PD Dr. med. Susanne Grandl ist Fachärztin für Diagnostische Radiologie, Gesellschafterin der Praxisgemeinschaft DIE RADIOLOGIE und Programmverantwortliche Ärztin im Deutschen Mammo­graphie-Screening-Programm für die Region Schwaben-Nord/Augsburg. Mit der Radiologie Initiative Bayern setzt sie sich für eine adäquate Vergütung der KI-basierten Diagnostik ein. Sie ist DÄB-Mitglied.

E-Mail: susanne.grandl@die-radiologie.de
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