Neue Hoffnungen und Herausforderungen für Medizin und Gesellschaft
Die aktuelle Diskussion über Genome-Editing mit CRISPR/Cas aus Sicht des DÄB-Ethikausschusses
Weltweit forschen Wissenschaftler hochtourig an der Entwicklung gentechnischer Verfahren, die große Hoffnungen auf durchschlagende Erfolge in der Gentherapie wecken. Genome-Editing mit CRISPR/Cas1 wird in Medien und Fachzeitschriften einerseits als Sensation gefeiert, da es mit dieser Methode gelingt, DNA besonders gezielt, präzise, effizient, schnell und kostengünstig zu verändern. Andererseits wird sehr kontrovers über mögliche Risiken und die ethischen, juristischen und gesellschaftlichen Herausforderungen diskutiert, die mit solchen Eingriffen in das menschliche Genom einhergehen.
Das große Dilemma: verboten, aber nicht nachweisbar
Der Ethikausschuss des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) hat sich mit diesem bedeutsamen Thema beschäftigt und plädiert für eine wohlüberlegte Abwägung der Argumente über Chancen und Risiken, die mit der Anwendung dieser Technik am Menschen einhergehen könnten. Dabei ist es dringlich zu klären, welche Auswirkungen beziehungsweise mögliche Konsequenzen einer systematischen Genomveränderung beim Menschen grundsätzlich abzulehnen sind und welche Ziele als wünschenswert gelten und verfolgt werden sollten.
Genetische Fehler beheben und sogar Heilung ermöglichen?
Ein deklariertes Ziel des Genome-Editing ist, genetische Fehler (Mutationen) durch zielgerichtete Genkorrektur und Genmodifikation zu beheben, damit ein bestimmtes gewünschtes Genprodukt (wieder) hergestellt werden kann. Das molekularbiologische Verfahren erlaubt es, „chirurgische“ Eingriffe in das Genom vorzunehmen wodurch eine gezielte Veränderung einer Gensequenz lebender Zellen erreicht wird. Die Eingriffe sollen die Behandlung und sogar Heilung bestimmter Krankheiten ermöglichen, indem die zugrundeliegenden Gene verändert werden. Im Fokus steht insbesondere die Behandlung monogen erblicher Erkrankungen, das heißt durch einen Defekt in einem einzelnen Gen hervorgerufene Krankheiten. Beispiele für scherwiegende monogene Krankheiten, für die bisher keine befriedigenden Behandlungsmöglichkeiten existieren sind: Varianten der Hämophilie, Sichelzellanämie, ß-Thalassämie, Cystische Fibrose, Chorea Huntigton und Muskeldystrophie Duchenne. Außerdem ist die Therapie der erworbenen HIV-Infektion möglich.
CRISPR bietet neue Behandlungsstrategien, die an humanen somatischen Zellen sowohl ex vivo (dem Patienten werden Zellen entnommen, verändert und reimplantiert) als auch in vivo (das CRISPR-Cas-System wird dem Patienten systemisch bzw. in das Zielorgan eingebracht) technisch durchführbar sind. Zu den bekannten aktuell schwer kalkulierbaren Risiken des Verfahrens zählt die Schwierigkeit, ausschließlich bestimmte Gewebe- und Zelltypen spezifisch zu therapieren. Außerdem sind „off-target Effekte“ das heißt Mutationen (d. h. Veränderungen der DNA an unbeabsichtigten Stellen im Genom) beobachtet worden, die zu schweren Immunreaktionen oder zur Tumorentstehung führen können.
Neben den Behandlungsansätzen im somatischen Kontext wird zunehmend über CRISPR/Cas auf der menschlichen Keimbahnebene diskutiert. Ziel ist es, Genvarianten, die Krankheiten verursachen, in sämtlichen Körperzellen zu entfernen und somit eine generationenübergreifende Übertragung der Erkrankung zu verhindern. So publizierten chinesische Wissenschaftler 2015 erste Genome-editing Experimente zur Änderung des ß-Globingens, relevant für die Behandlung von ß-Thalassämie, an humanen nichtentwicklungsfähigen Embryonen. 2017 folgte eine Publikation zur Korrektur des MYBPC3-Gens das für die Entwicklung einer autosomal-dominanten Kardiomyopathie-Variante von Relevanz ist.
Bisher wird Genome-Editing an menschlichen Keimzellen oder Embryonen mehrheitlich sehr kritisch gesehen bzw. abgelehnt. So hatten sich Forscher weltweit 2015 für ein freiwilliges internationales Moratorium (Summit on Human Gene Editing) ausgesprochen, da gerade die langfristigen Auswirkungen von Keimbahninterventionen, die zudem das Genom der Nachkommen verändern, nicht einschätzbar und damit nicht vertretbar seien. In USA, China, UK und Schweden werden Experimente mit menschlichen Embryonen zu Forschungszwecken weiterhin befürwortet, mit dem Hinweis, dass diese Forschung nötig sei, um Aufschlüsse über Prozesse der embryonalen Entwicklung und der Reproduktion zu erhalten.
Eine internationale Regulierung von erblichen Keimbahneingriffen wird vom Deutschen Ethikrat gefordert. Eine Verständigung über internationale restriktive Regulierungsmöglichkeiten scheint jedoch aktuell schwer realisierbar.
In Deutschland werden die berechtigten Bedenken bezüglich nicht vorhersehbarer Nebeneffekte der genetischen Veränderung, die auf zukünftige Generationen übertragbar sind, hervorgehoben. Hier stellt sich zum Beispiel die Frage, welche Risiken für vererbbare Off-target-Mutationen akzeptabel wären. Außerdem ist zu fragen, ob neben einem Verbot der klinischen Anwendung von Keimbahneingriffen auch klinisch orientierte Keimbahnforschung verboten sein sollte. Das derzeit aktuelle Embryonenschutzgesetz formuliert lediglich ein eingeschränktes Forschungsverbot (§ 5 ESchG). So ist der Diskussionsbedarf in Deutschland erkennbar, ob verbrauchende Embryonenforschung generell ethisch (nicht) vertretbar ist. Auf Rechtsebene wäre über die Regulierung der Embryonenforschung nachzudenken.
Eine weitere Argumentation, die häufig gegen die Durchführung von Keimbahntherapien angeführt wird, betrifft die Tatsache, dass im Vorfeld des Genome-Editing eine Präimplantations Diagnostik (PID) erforderlich wäre, um überhaupt erst zu erkennen, an welchem Embryo der Eingriff durchzuführen ist. Auch hier ist eine sorgfältige Chancen - Risiko Abwägung zwischen der neuen Technik und dem etablierten Verfahren der PID, die keine gezielte Keimbahnveränderung verursacht, vorzunehmen. Derzeit scheint, im Vergleich mit der PID, Genome-Editing aufgrund der aktiven Genmodifikation deutlich risikoreicher. Außerdem steht mit der PID bereits eine bewährte Methode zur Vermeidung der Übertragung schwerer genetisch verursachter Erkrankungen zur Verfügung. Lediglich in äußerst seltenen Einzelfällen bei entsprechender genetischer Konstellation und fertilitätseinschränkenden Mutationen der Eltern dürfte die PID alleine nicht zielführend sein. Außerdem ist zu bedenken, dass im Zuge einer in-vitro-Fertilisation, Kontroll-PID und anschließendem Genom-Editing an der Keimbahn des Embryos ebenfalls überzählige Embryonen entstehen und ggf. verworfen würden.
Ein weiterer Diskussionspunkt ist, dass die CRISPR/Cas-Methode beim Menschen zur gezielten Optimierung (Enhancement) der genetischen Ausstattung (z. B. von Embryonen) eingesetzt werden könnte. Ziel des Verfahrens wäre dann, nicht die Abwendung von Krankheiten sondern die Veränderung von Genen, um einem Organismus besondere Fähigkeiten (Intelligenz, Musikalität,...) zu verleihen. Oben genannte Eigenschaften sind allerdings multifaktoriell bedingt und so komplex in ihrer Entstehung, dass selbst bei Veränderung mehrerer Gene das Ergebnis nicht vorhersehbar wäre. Allerdings bleibt zu fragen, welche monogenen Merkmale zu Verbesserungszwecken zugänglich und interessant sein könnten. Aktuell wird der Genome-Editing mit dem Ziel des Enhancements, also ohne Vorliegen einer medizinischen Indikation, aus ethischen Gründen mehrheitlich abgelehnt.
Fundamentale Fragen zu den neuen Genome-Editing-Technologien beschäftigen derzeit in Deutschland u. a. den Deutschen Ethikrat sowie die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina. In den Veröffentlichungen und Stellungnahmen dieser Gremien wird sowohl auf die Potentiale dieser Technologie hingewiesen, die das Vorantreiben der Grundlagenforschung zu rechtfertigen scheinen, als auch auf die Notwendigkeit einer breit angelegten global-gesellschaftlichen Diskussion, die eine realistische Erwartungshaltung fördern soll. Darüber hinaus wird derzeit empfohlen, diese Verfahren vorerst nicht in der Reproduktionsmedizin anzuwenden. Das Diskussionspapier der Leopoldina enthält außerdem die explizite Empfehlung, dass Grundlagenforschung auch zur Nutzen-Risiko-Bewertung von Keimbahntherapien mittels Genome-Editing notwendig ist. So sei hochrangige Forschung an „verwaisten“ Embryonen, die durch die derzeitige Praxis der Fortpflanzungsmedizin entstehen, vor dem Hintergrund der neuen Methoden zu diskutieren.
Außerdem ist zu fragen, inwiefern Erkenntnisse der Epigenetik für die derzeit kategorial unterschiedliche Bewertung von Keimbahn- und somatischen Genom-Eingriffen relevant sein können. Schließlich gilt es als erwiesen, dass die Aktivität einzelner Gene sowohl durch Veränderungen an der Erbsubstanz als auch durch die Umwelt beeinflusst wird. Epigenetische Muster werden demnach ebenfalls an die Nachkommen vererbt.
Eine umfassende Abwägung der Schadensrisiken und Nutzenchancen des Genome-Editing scheint derzeit (noch) nicht möglich. Mehr Erfahrung durch klinisch orientierte Forschung scheint erforderlich, um die vertretbaren Auswirkungen im Rahmen klinischer Anwendung einschätzen zu können. Es wurde vorgeschlagen, eine pragmatische Herangehensweise zu wählen, bei der jede einzelne Verfahrensanwendung differenziert und kontextbezogen (biomedizinische Forschung bzw. klinische Anwendung) nach verantwortbaren und nicht verantwortbaren Risiken für das betroffene Individuum (und seine Nachkommen) beurteilt wird (Rubeis, Steger 2016).
Aus ethischer Sicht ist dabei auf die Abwägung bioethischer Prinzipien: Nichtschädigung, Patientenwohl, Autonomie, Gerechtigkeit zu achten. Aus gutem Grund ist in Deutschland der Einsatz von somatischer Gentherapie mit Genome-Editing bisher nur im Rahmen klinischer Studien zulässig, die zuvor durch Ethikkommissionen und dem Paul-Ehrlich-Institut geprüft und positiv bewertet wurden. Wenn zukünftig mehr Erkenntnisse über die möglichen Konsequenzen der induzierten Genomveränderungen bekannt sind, wird es besser einschätzbar und formulierbar sein, unter welchen Umständen, auch Keimbahneingriffe, verboten, erlaubt oder geboten sein sollten. Dies wird wesentlich von der Plausibilität der Zielsetzungen und der Verständigung über das erforderliche Sicherheitsniveau der Methode zum Schutz der Betroffenen abhängen.
Abschluss
Um einen Einblick in die wissenschaftlichen Grundlagen, die bisherigen Erfahrungen und die Möglichkeiten der neuen Technik zu erhalten, haben die Mitglieder des DÄB-Ethikausschusses die Veranstaltung „Genome Editing: Praktische und ethische Aspekte der CRISPR-Cas9-Technik“ an der Universitätsmedizin Mannheim im August 2016 abgehalten. Geladener Referent war Herr Prof. Dr. Toni Cathomen, Direktor des Instituts für Zell- und Gentherapie des Universitätsklinikums Freiburg.
Bei allem Optimismus, der mit der Verfügbarkeit dieser innovativen Methoden einhergeht, ist eine sorgfältige Risiko / Nutzen Abwägung unabdingbar, wobei sich die Risiken in einem vertretbaren Rahmen bewegen müssen und der zu erwartende Nutzen überwiegen muss. Grundlegend sind die Fragen, zu welchen Zwecken die Technik angewendet werden soll und welche Zielsetzungen aus welchen Gründen als (nicht) wünschenswert erachtet werden.
Dazu bedarf es öffentlicher gesellschaftlicher Diskussionen darüber, wie man verantwortungsbewusst mit dieser neuen Technik umgehen soll. Verständlicherweise drängen die Wissenschaftler auf solche Debatten. Grundlagenforscher wie Prof. Cathomen sagen: "Die Technik ist vorhanden. Sie funktioniert an (nicht-menschlichen) Primaten. Sie würde höchstwahrscheinlich auch am Menschen funktionieren. Wir müssen die Debatte jetzt führen: Was wollen wir machen? Was dürfen wir machen? Wo sollen wir unserem Handeln bewusst Grenzen setzen? Was ist ethisch (nicht) vertretbar?" Von ethischer Seite ist daher gesellschaftlich zu klären, welche Risiken vor dem Hintergrund der Chancen akzeptabel erachtet werden und welche Zielsetzung mit CRISPR/Cas verfolgt werden soll.
Der DÄB-Ethikausschuss befürwortet, dass medizinische Forschung vorangetrieben wird, die zur Verbesserung aktuell unbefriedigender Therapiemöglichkeiten führt. Insbesondere, wenn die begründete Hoffnung besteht, dass bei Patienten, die von schweren, lebensbedrohenden Krankheiten betroffen sind, Leidlinderung erreicht werden kann. Wir befürworten daher die Fortführung einer Grundlagenforschung mit der Zielsetzung, zu einer effektiven somatischen Gentherapie beizutragen.
Dr. med. Gabriele du Bois, erste Vorsitzende im Ethikausschuss des DÄB
Dr. med. Dorothee Dörr, zweite Vorsitzende im Ethikausschuss des DÄB
Das große Dilemma: verboten, aber nicht nachweisbar
Der Ethikausschuss des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) hat sich mit diesem bedeutsamen Thema beschäftigt und plädiert für eine wohlüberlegte Abwägung der Argumente über Chancen und Risiken, die mit der Anwendung dieser Technik am Menschen einhergehen könnten. Dabei ist es dringlich zu klären, welche Auswirkungen beziehungsweise mögliche Konsequenzen einer systematischen Genomveränderung beim Menschen grundsätzlich abzulehnen sind und welche Ziele als wünschenswert gelten und verfolgt werden sollten.
Genetische Fehler beheben und sogar Heilung ermöglichen?
Ein deklariertes Ziel des Genome-Editing ist, genetische Fehler (Mutationen) durch zielgerichtete Genkorrektur und Genmodifikation zu beheben, damit ein bestimmtes gewünschtes Genprodukt (wieder) hergestellt werden kann. Das molekularbiologische Verfahren erlaubt es, „chirurgische“ Eingriffe in das Genom vorzunehmen wodurch eine gezielte Veränderung einer Gensequenz lebender Zellen erreicht wird. Die Eingriffe sollen die Behandlung und sogar Heilung bestimmter Krankheiten ermöglichen, indem die zugrundeliegenden Gene verändert werden. Im Fokus steht insbesondere die Behandlung monogen erblicher Erkrankungen, das heißt durch einen Defekt in einem einzelnen Gen hervorgerufene Krankheiten. Beispiele für scherwiegende monogene Krankheiten, für die bisher keine befriedigenden Behandlungsmöglichkeiten existieren sind: Varianten der Hämophilie, Sichelzellanämie, ß-Thalassämie, Cystische Fibrose, Chorea Huntigton und Muskeldystrophie Duchenne. Außerdem ist die Therapie der erworbenen HIV-Infektion möglich.
CRISPR bietet neue Behandlungsstrategien, die an humanen somatischen Zellen sowohl ex vivo (dem Patienten werden Zellen entnommen, verändert und reimplantiert) als auch in vivo (das CRISPR-Cas-System wird dem Patienten systemisch bzw. in das Zielorgan eingebracht) technisch durchführbar sind. Zu den bekannten aktuell schwer kalkulierbaren Risiken des Verfahrens zählt die Schwierigkeit, ausschließlich bestimmte Gewebe- und Zelltypen spezifisch zu therapieren. Außerdem sind „off-target Effekte“ das heißt Mutationen (d. h. Veränderungen der DNA an unbeabsichtigten Stellen im Genom) beobachtet worden, die zu schweren Immunreaktionen oder zur Tumorentstehung führen können.
Neben den Behandlungsansätzen im somatischen Kontext wird zunehmend über CRISPR/Cas auf der menschlichen Keimbahnebene diskutiert. Ziel ist es, Genvarianten, die Krankheiten verursachen, in sämtlichen Körperzellen zu entfernen und somit eine generationenübergreifende Übertragung der Erkrankung zu verhindern. So publizierten chinesische Wissenschaftler 2015 erste Genome-editing Experimente zur Änderung des ß-Globingens, relevant für die Behandlung von ß-Thalassämie, an humanen nichtentwicklungsfähigen Embryonen. 2017 folgte eine Publikation zur Korrektur des MYBPC3-Gens das für die Entwicklung einer autosomal-dominanten Kardiomyopathie-Variante von Relevanz ist.
Bisher wird Genome-Editing an menschlichen Keimzellen oder Embryonen mehrheitlich sehr kritisch gesehen bzw. abgelehnt. So hatten sich Forscher weltweit 2015 für ein freiwilliges internationales Moratorium (Summit on Human Gene Editing) ausgesprochen, da gerade die langfristigen Auswirkungen von Keimbahninterventionen, die zudem das Genom der Nachkommen verändern, nicht einschätzbar und damit nicht vertretbar seien. In USA, China, UK und Schweden werden Experimente mit menschlichen Embryonen zu Forschungszwecken weiterhin befürwortet, mit dem Hinweis, dass diese Forschung nötig sei, um Aufschlüsse über Prozesse der embryonalen Entwicklung und der Reproduktion zu erhalten.
Eine internationale Regulierung von erblichen Keimbahneingriffen wird vom Deutschen Ethikrat gefordert. Eine Verständigung über internationale restriktive Regulierungsmöglichkeiten scheint jedoch aktuell schwer realisierbar.
In Deutschland werden die berechtigten Bedenken bezüglich nicht vorhersehbarer Nebeneffekte der genetischen Veränderung, die auf zukünftige Generationen übertragbar sind, hervorgehoben. Hier stellt sich zum Beispiel die Frage, welche Risiken für vererbbare Off-target-Mutationen akzeptabel wären. Außerdem ist zu fragen, ob neben einem Verbot der klinischen Anwendung von Keimbahneingriffen auch klinisch orientierte Keimbahnforschung verboten sein sollte. Das derzeit aktuelle Embryonenschutzgesetz formuliert lediglich ein eingeschränktes Forschungsverbot (§ 5 ESchG). So ist der Diskussionsbedarf in Deutschland erkennbar, ob verbrauchende Embryonenforschung generell ethisch (nicht) vertretbar ist. Auf Rechtsebene wäre über die Regulierung der Embryonenforschung nachzudenken.
Eine weitere Argumentation, die häufig gegen die Durchführung von Keimbahntherapien angeführt wird, betrifft die Tatsache, dass im Vorfeld des Genome-Editing eine Präimplantations Diagnostik (PID) erforderlich wäre, um überhaupt erst zu erkennen, an welchem Embryo der Eingriff durchzuführen ist. Auch hier ist eine sorgfältige Chancen - Risiko Abwägung zwischen der neuen Technik und dem etablierten Verfahren der PID, die keine gezielte Keimbahnveränderung verursacht, vorzunehmen. Derzeit scheint, im Vergleich mit der PID, Genome-Editing aufgrund der aktiven Genmodifikation deutlich risikoreicher. Außerdem steht mit der PID bereits eine bewährte Methode zur Vermeidung der Übertragung schwerer genetisch verursachter Erkrankungen zur Verfügung. Lediglich in äußerst seltenen Einzelfällen bei entsprechender genetischer Konstellation und fertilitätseinschränkenden Mutationen der Eltern dürfte die PID alleine nicht zielführend sein. Außerdem ist zu bedenken, dass im Zuge einer in-vitro-Fertilisation, Kontroll-PID und anschließendem Genom-Editing an der Keimbahn des Embryos ebenfalls überzählige Embryonen entstehen und ggf. verworfen würden.
Ein weiterer Diskussionspunkt ist, dass die CRISPR/Cas-Methode beim Menschen zur gezielten Optimierung (Enhancement) der genetischen Ausstattung (z. B. von Embryonen) eingesetzt werden könnte. Ziel des Verfahrens wäre dann, nicht die Abwendung von Krankheiten sondern die Veränderung von Genen, um einem Organismus besondere Fähigkeiten (Intelligenz, Musikalität,...) zu verleihen. Oben genannte Eigenschaften sind allerdings multifaktoriell bedingt und so komplex in ihrer Entstehung, dass selbst bei Veränderung mehrerer Gene das Ergebnis nicht vorhersehbar wäre. Allerdings bleibt zu fragen, welche monogenen Merkmale zu Verbesserungszwecken zugänglich und interessant sein könnten. Aktuell wird der Genome-Editing mit dem Ziel des Enhancements, also ohne Vorliegen einer medizinischen Indikation, aus ethischen Gründen mehrheitlich abgelehnt.
Fundamentale Fragen zu den neuen Genome-Editing-Technologien beschäftigen derzeit in Deutschland u. a. den Deutschen Ethikrat sowie die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina. In den Veröffentlichungen und Stellungnahmen dieser Gremien wird sowohl auf die Potentiale dieser Technologie hingewiesen, die das Vorantreiben der Grundlagenforschung zu rechtfertigen scheinen, als auch auf die Notwendigkeit einer breit angelegten global-gesellschaftlichen Diskussion, die eine realistische Erwartungshaltung fördern soll. Darüber hinaus wird derzeit empfohlen, diese Verfahren vorerst nicht in der Reproduktionsmedizin anzuwenden. Das Diskussionspapier der Leopoldina enthält außerdem die explizite Empfehlung, dass Grundlagenforschung auch zur Nutzen-Risiko-Bewertung von Keimbahntherapien mittels Genome-Editing notwendig ist. So sei hochrangige Forschung an „verwaisten“ Embryonen, die durch die derzeitige Praxis der Fortpflanzungsmedizin entstehen, vor dem Hintergrund der neuen Methoden zu diskutieren.
Außerdem ist zu fragen, inwiefern Erkenntnisse der Epigenetik für die derzeit kategorial unterschiedliche Bewertung von Keimbahn- und somatischen Genom-Eingriffen relevant sein können. Schließlich gilt es als erwiesen, dass die Aktivität einzelner Gene sowohl durch Veränderungen an der Erbsubstanz als auch durch die Umwelt beeinflusst wird. Epigenetische Muster werden demnach ebenfalls an die Nachkommen vererbt.
Eine umfassende Abwägung der Schadensrisiken und Nutzenchancen des Genome-Editing scheint derzeit (noch) nicht möglich. Mehr Erfahrung durch klinisch orientierte Forschung scheint erforderlich, um die vertretbaren Auswirkungen im Rahmen klinischer Anwendung einschätzen zu können. Es wurde vorgeschlagen, eine pragmatische Herangehensweise zu wählen, bei der jede einzelne Verfahrensanwendung differenziert und kontextbezogen (biomedizinische Forschung bzw. klinische Anwendung) nach verantwortbaren und nicht verantwortbaren Risiken für das betroffene Individuum (und seine Nachkommen) beurteilt wird (Rubeis, Steger 2016).
Aus ethischer Sicht ist dabei auf die Abwägung bioethischer Prinzipien: Nichtschädigung, Patientenwohl, Autonomie, Gerechtigkeit zu achten. Aus gutem Grund ist in Deutschland der Einsatz von somatischer Gentherapie mit Genome-Editing bisher nur im Rahmen klinischer Studien zulässig, die zuvor durch Ethikkommissionen und dem Paul-Ehrlich-Institut geprüft und positiv bewertet wurden. Wenn zukünftig mehr Erkenntnisse über die möglichen Konsequenzen der induzierten Genomveränderungen bekannt sind, wird es besser einschätzbar und formulierbar sein, unter welchen Umständen, auch Keimbahneingriffe, verboten, erlaubt oder geboten sein sollten. Dies wird wesentlich von der Plausibilität der Zielsetzungen und der Verständigung über das erforderliche Sicherheitsniveau der Methode zum Schutz der Betroffenen abhängen.
Abschluss
Um einen Einblick in die wissenschaftlichen Grundlagen, die bisherigen Erfahrungen und die Möglichkeiten der neuen Technik zu erhalten, haben die Mitglieder des DÄB-Ethikausschusses die Veranstaltung „Genome Editing: Praktische und ethische Aspekte der CRISPR-Cas9-Technik“ an der Universitätsmedizin Mannheim im August 2016 abgehalten. Geladener Referent war Herr Prof. Dr. Toni Cathomen, Direktor des Instituts für Zell- und Gentherapie des Universitätsklinikums Freiburg.
Bei allem Optimismus, der mit der Verfügbarkeit dieser innovativen Methoden einhergeht, ist eine sorgfältige Risiko / Nutzen Abwägung unabdingbar, wobei sich die Risiken in einem vertretbaren Rahmen bewegen müssen und der zu erwartende Nutzen überwiegen muss. Grundlegend sind die Fragen, zu welchen Zwecken die Technik angewendet werden soll und welche Zielsetzungen aus welchen Gründen als (nicht) wünschenswert erachtet werden.
Dazu bedarf es öffentlicher gesellschaftlicher Diskussionen darüber, wie man verantwortungsbewusst mit dieser neuen Technik umgehen soll. Verständlicherweise drängen die Wissenschaftler auf solche Debatten. Grundlagenforscher wie Prof. Cathomen sagen: "Die Technik ist vorhanden. Sie funktioniert an (nicht-menschlichen) Primaten. Sie würde höchstwahrscheinlich auch am Menschen funktionieren. Wir müssen die Debatte jetzt führen: Was wollen wir machen? Was dürfen wir machen? Wo sollen wir unserem Handeln bewusst Grenzen setzen? Was ist ethisch (nicht) vertretbar?" Von ethischer Seite ist daher gesellschaftlich zu klären, welche Risiken vor dem Hintergrund der Chancen akzeptabel erachtet werden und welche Zielsetzung mit CRISPR/Cas verfolgt werden soll.
Der DÄB-Ethikausschuss befürwortet, dass medizinische Forschung vorangetrieben wird, die zur Verbesserung aktuell unbefriedigender Therapiemöglichkeiten führt. Insbesondere, wenn die begründete Hoffnung besteht, dass bei Patienten, die von schweren, lebensbedrohenden Krankheiten betroffen sind, Leidlinderung erreicht werden kann. Wir befürworten daher die Fortführung einer Grundlagenforschung mit der Zielsetzung, zu einer effektiven somatischen Gentherapie beizutragen.
Dr. med. Gabriele du Bois, erste Vorsitzende im Ethikausschuss des DÄB
Dr. med. Dorothee Dörr, zweite Vorsitzende im Ethikausschuss des DÄB
Weiterführende Literatur
- Deutscher Ethikrat
- Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina
- Position Statement, Summit on Human Gene Editing, Washington D.C. 2015
- Hinxton Group 2015
- Hong Ma et al. 2017
- Rubeis, Steger 2016 ...