Digitale vertrauliche Spurensicherung

iGOBSIS: Das intelligente Gewaltopfer-Beweissicherungs- und Informationssystem

Untersuchungen gewaltbetroffener Menschen, auch im Sinne sogenannter vertraulicher Spurensicherung, gehören mittlerweile zum klinischen Alltag. Der Gesetzgeber hat die Relevanz der vertraulichen Spurensicherung sowie den Bedarf einer flächendeckenden, professionalisierten Lösung erkannt. Er hat die Gewaltbetroffenenversorgung durch § 27(1) und § 132k SGB V als „Krankenbehandlung“ definiert, die mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechenbar ist.

Bei uns in Nordrhein-Westfalen ist zum 01.03.2025 ein entsprechender Vertrag in Kraft getreten – zwischen dem NRW-Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, dem NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, den gesetzlichen Krankenkassen sowie den Universitätskliniken Düsseldorf, Köln und Münster. Weitere Universitätskliniken mit ihren rechtsmedizinischen Instituten werden nachfolgen.

Die Leistungen der vertraulichen Spurensicherung umfassen danach neben der Untersuchung der von Gewalt betroffenen Menschen inkl. einer standardisierten Verletzungsdokumentation und Spurensicherung auch forensisch-toxikologische Laboruntersuchungen – bei expliziter medizinischer Indikation und positiver Rücksprache mit dem kooperierenden Institut für Rechtsmedizin. Ebenso gehört die Archivierung der sichergestellten Asservate mit den gesetzlichen Krankenkassen dazu.

Der Vertrag sieht zudem u. a. die Nutzung der digitalen Dokumentationsanwendung iGOBSIS vor, um Leistungen der vertraulichen Spurensicherung abrechnen zu können. Denn nur eine gerichtsfeste Dokumentation und Spurensicherung unterstützt Betroffene von Gewalt wirklich.

Eine optimale Versorgung setzt voraus, dass Ärztinnen und Ärzte Gewaltfolgen richtig einordnen, gerichtsfest dokumentieren, Spuren korrekt sichern und Betroffene sachkundig zu beratenden und therapeutischen Angeboten im psychosozialen Sektor informieren und weiterleiten können. Dafür wird das in Düsseldorf angesiedelte Projekt iGOBSIS samt bestehendem Netz aus Kliniken und Praxen im Zuge der Umsetzung der Neuregelungen des SGB V ausgeweitet. iGOBSIS unterstützt Ärztinnen und Ärzte aus NRW über ein Informationsportal sowie eine webbasierte Dokumentationsanwendung bei der gerichtsfesten Dokumentation und regelt den Transport und die sachgemäße Lagerung von asservierten Spurenträgern. Begleitend finden Schulungen zur Versorgung von Gewalt betroffener Personen statt, und es besteht das Angebot einer jederzeit erreichbaren, telekonsiliarischen, rechtsmedizinischen Beratung.

iGOBSIS wird kontinuierlich evaluiert und weiterentwickelt. Teilnehmende Einrichtungen sind in einem zentral-dezentralen Ansatz aus einem interdisziplinären Gewaltbetroffenenzentrum, Schwerpunktkliniken sowie Kliniken und Praxen in der Fläche miteinander verbunden.

Idealerweise wird so in nicht allzu ferner Zeit sichergestellt sein, dass möglichst viele Ärztinnen und Ärzte jedweder Fachrichtung Dokumentation und Spurensicherung im Rahmen von Gewaltbetroffenenuntersuchungen auf qualitativ hohem Niveau beherrschen und dabei bedarfsgerecht unterstützt werden.

So kann selbst in einem bevölkerungsreichen Bundesland mit erheblicher Flächenausdehnung wie Nordrhein-Westfalen eine flächendeckende, qualitativ hochwertige vertrauliche Spurensicherung gewährleistet werden. Betroffene sollten keine langen Wege in Kauf nehmen müssen, wenn ihnen Gewalt widerfahren ist und sie kompetente Ansprechpersonen brauchen.

Weitere Informationen über die Umsetzung der Vertraulichen Spurensicherung in Nordrhein-Westfalen stehen unter https://gobsis.de zur Verfügung und werden kontinuierlich aktualisiert.

Dr. med. Britta Gahr ist Bereichsleiterin der Rechtsmedizinischen Ambulanz für Gewaltopfer am Universitätsklinikum Düsseldorf.

E-Mail: britta.gahr@med.uni-duesseldorf.de
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