Anpassung des Embryonenschutzgesetzes – gefordert von ÄRE und Ethikausschuss des DÄB

Nichtkommerzielle Eizellspende und altruistische Embryonenspende ermöglichen – damit Medizintourismus enden kann: So lautete der Titel der Pressemitteilung, die wir Mitte Dezember zu einer gemeinsamen Stellungnahme verschickt haben, die wir im Folgenden auszugsweise drucken. Denn es ist höchste Zeit, die rechtlichen Bedingungen für die künstliche Befruchtung in Deutschland so anzupassen, dass Paare mit unerfülltem Kinderwunsch erfolgversprechende, legale Möglichkeiten haben, die internatio­nalem Qualitätsniveau entsprechen.

Endlich mehr Rechtssicherheit

Sind bei einer Frau keine entwicklungsfähigen Eizellen vor­handen, bleibt den betroffenen Paaren momentan nur eine kommerzielle Eizellspende im Ausland. Das erschwert die Situation für sie zusätzlich – unter anderem, weil für sie ohne vorherige Beratung kaum abzuschätzen ist, wo sie im Ausland mehr oder weniger gut aufgehoben sind.

Diese Beratung ist ein weiteres großes Problemfeld dieses Themas. Aufgrund der aktuellen Rechtslage sahen sich in den vergangenen Jahren engagierte Personen mit juristischen Auseinandersetzungen konfrontiert, die sich jahrelang hinzogen. Diese drohende Kriminalisierung ist eine enorme Belastung für die Betroffenen. Sie führt außerdem dazu, dass entsprechende Beratungen kaum zu finden sind.

Umso wichtiger ist die Nachricht, dass sich in der juristischen Bewertung an einigen Stellen ein Wandel abzeichnet. So hat das Landgericht Augsburg ein Verfahren gegen die Vorstandsmitglieder des Netzwerk Embryonenspende e. V. wegen Geringfügigkeit der Schuld und mangelndem Interesse der Öffentlichkeit an einer Strafverfolgung gegen eine Geldauflage eingestellt. Ebenfalls eingestellt ist ein weiteres Verfahren in Augsburg: gegen die selbstständige Kinderwunschberaterin Dipl. Soz. Päd. Christine Büchl. Darin war es auch um die Frage gegangen, ob Beratende unverbindlich die Adressen von Einrichtungen zur Kinderwunschbehandlung im Ausland weitergeben dürfen. Die Angelegenheit ist in diesem Fall beendet.

Gesetzesänderung ist nötig

Als nächster Schritt ist eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) wichtig.

Mehr dazu finden Sie in der Stellungnahme der Arbeitsge­meinschaft der Ärztinnen in der Reproduktionsmedizin und Endokrinologie (ÄRE) in der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (DGRM) zusammen mit dem Ethikausschuss des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB), die hier in Auszügen folgt. Verfasst von Dr. Gabriele du Bois und Prof. Dr. med. Monika Bals-Pratsch ist sie im Journal für Reproduktionsme­dizin und Endokrinologie erschienen*:

Hier die Stellungnahme

„Seit vielen Jahren ist die Reformierung des Embryonen­schutzgesetzes (ESchG) von 1990 in Diskussion. (...) Das ESchG sollte dringend für die Zulassung der nichtkommer­ziellen Eizellspende und der altruistischen Embryonenspende aus Eizellen im Vorkernstadium geändert werden. Die kommerzielle Eizellspende ist in allen Mitgliedsstaaten der Euro­päischen Union (EU) durch die Geweberichtlinie von 2004 und die EU-Charta verboten. (...) Seit Inkrafttreten des (ESchG) hat sich unsere Gesellschaft verändert und die Reproduktionsmedizin und Embryologie haben sich weiterentwickelt. Daher fordern wir: Die künstliche Befruchtung in Deutschland soll erfolgversprechend und auf internationalem Qualitätsniveau möglich sein und Mehrlingsschwangerschaften als Risiko für die Kindergesundheit und die Gesundheit der Schwangeren sollen vermieden werden.

Zusätzlich soll Paaren in Deutschland eine legale Alternative zu kommerziellen Eizellspenden im Ausland ermöglicht werden, wenn bei einer Frau keine entwicklungsfähigen Eizellen vorhanden sind. Sobald eine Spenderin für eine Eizellspende bezahlt wird und mehr als eine Aufwandsentschädigung erhält, ist eine Spende in der EU illegal.

Sicht der Frauen berücksichtigen

Die Kinderwunschbehandlung wird inzwischen überwiegend von Ärztinnen durchgeführt. 78 Prozent der Frauenärzte mit dem Schwerpunkt Reproduktionsmedizin sind Frauen. Weiterhin ist es immer die Frau eines ungewollt kinderlosen Paares, die sich der hormonellen und operativen Behandlung bei einer Kinderwunschtherapie aussetzt. Die Frau wird mit Hormonen zur Eizellreifung stimuliert und zur Eizellgewinnung operiert, selbst wenn nur der Mann unfruchtbar ist. Vor diesem Hintergrund hat sich die Arbeitsgemeinschaft der Ärztinnen in der Reproduktionsmedizin (ÄRE) zusammen mit dem Ethikausschuss des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) entschlossen, insbesondere die Sichtweise von Frauen zum Regelungsbedarf der Fortpflanzungsmedizin in die Diskussion einzubringen. (...)

Es besteht ein dringender Änderungsbedarf des ESchG, damit der „Medizintourismus“ für betroffene Frauen sowie eine Kriminalisierung von Kolleginnen und Kollegen (wie bei der altruistischen Vermittlung von gespendeten Embryonen nach Freigabe von befruchteten Eizellen geschehen) in unserem Land aufhören kann. (...) Denkbar ist für die ÄRE und den DÄB die Umsetzung in einem Fortpflanzungsmedizingesetz oder in der Ergänzung des Embryonenschutzgesetzes wie bei der
Umsetzung der Präimplantationsdiagnostik. (...)

SET und Eizellspende

Für die Praxis besteht bezüglich des Single-Embryo-Transfers (SET) zur Vermeidung von Mehrlingen entgegen der öffent­lichen Diskussion kein gesetzlicher Regelungsbedarf, da der Wandel in der Implementation des ESchG bereits voll­zogen ist und der SET auch praktiziert wird. (...) Das deutsche ESchG verbietet die Befruchtung einer fremden Eizelle, um einer anderen Frau eine Schwangerschaft zu ermöglichen. (...) Eine Samenspende ist legal möglich, so dass sich die Frage der Ungleichbehandlung für unfruchtbare Frauen gegenüber unfruchtbaren Männern stellt. Wenn hier eine Änderung kommen soll, muss die 2004 erlassene EU-Geweberichtlinie, welche 2007 umgesetzt wurde und „kommerzielle“ Eizellspenden verbietet, beachtet werden. (...) Die Eizellspenden im Ausland erfolgen in der Regel anonym. Das bedeutet, dass die aus einer solchen Eizellspende geborenen Kinder später keine Möglichkeit haben werden, ihre genetische Mutter zu finden. (...)

Wir sind der Meinung, dass eine legale Eizellspende in
Deutschland für die Paare, die sich ein Kind mit einem biologischen Elternteil wünschen, möglich sein sollte. Eine Möglichkeit wäre, dass Patientinnen mit vielen Eizellen bei ihrer künstlichen Befruchtung diese mit einer weiteren Frau teilen („egg sharing“) oder auch Frauen nach „social freezing“ ihre lagernden Eizellen spenden, wenn sie diese nach abgeschlossener Familienplanung nicht mehr benötigen.

Embryonenspende in Deutschland

Die Embryonenspende stellt für einige Paare eine Alternative zur Eizellspende im Ausland oder auch zur Adoption dar. Nach erfolgreicher Therapie und sicher abgeschlossener Familienplanung können ehemalige Kinderwunschpaare ihre übriggebliebenen, bereits entstandenen Embryonen spenden. Es gibt derzeit nur wenige solcher Embryonen (überzählige befruchtete Eizellen mit Entwicklungsfähigkeit nach zwei- bis fünf-
tägiger In-vitro-Kultur), die für eine Spende in Frage kommen. Es könnten jedoch sehr viele mehr sein, wenn die Spende aus freigegebenen befruchteten Eizellen im Vorkernstadium rechtssicher durchgeführt werden könnte. Bei einer erfolgreichen Befruchtung enthalten die Zellen den weiblichen und männlichen Vorkern mit den Erbinformationen von Frau und Mann, die Kerne sind jedoch noch nicht „verschmolzen“. Somit gelten diese Zellen derzeit noch nicht als Embryo.

In deutschen Kinderwunschzentren lagern hunderttausende solcher befruchteten, auch „imprägniert“ genannten Eizellen. (...) Es sollte unserer Meinung nach möglich sein, Embryonen aus freigegebenen befruchteten Eizellen im Vorkernstadium spenden zu dürfen.

Beratung unbedingt mitregeln

In einer Gesetzesänderung bzw. Neuregelung muss für Spender- und Wunschelternpaare unbedingt ein juristisches sowie psychosoziales Beratungsangebot vor der Entscheidung zur Behandlung ermöglicht werden. Es muss allen Betroffenen klar sein, dass durch Beteiligung Dritter bzw. Vierter die Verwandtschaftsverhältnisse eines Kindes kompliziert werden. Die Studien in diesem Bereich zeigen, dass ein offener Umgang mit den Tatsachen Kindern und Eltern am besten hilft, ihre Identität zu wahren. Diese Beratung sollte sich an den Leitlinien des Beratungsnetzwerks Kinderwunsch Deutschland (BKiD) orientieren.

In Anlehnung an das bundesweite Samenspender-Register von 2018, das personenbezogene Angaben von Samenspendern und Empfängerinnen im Zusammenhang mit ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtungen speichert, müssten auch Eizell- bzw. Embryonen-Spenderinnen und -Spender und Empfängerinnen registriert und gespeichert werden. Nur so ist gewährleistet, dass auf diese Weise gezeugte Kinder künftig bei einer zentralen Stelle erfahren können, wessen Eizelle bzw. wessen Embryo verwendet worden ist und sie somit ihre Abstammung klären können.

Die ÄRE und der DÄB fordern die Politik auf, sich in der neuen Legislaturperiode unverzüglich mit diesen drängenden Pro­blemen der Reproduktionsmedizin zu beschäftigen und durch Diskussionen mit Experten und Betroffenen im Bundestag eine konsens- bzw. tragfähige Rechtslage zu beschließen. (...) ?

Mitgeteilt von Dr. med. Gabriele du Bois, Fachärztin für Humangenetik und Vorsitzende des DÄB-Ethik-
ausschusses und Prof. Dr. med. Monika Bals-Pratsch,
Reproduktionsmedizinerin und langjährige Sprecherin der ÄRE


* Bals-Pratsch M., du Bois G.. Ärztinnen fordern die zeitgemäße Anpassung des deutschen Embryonenschutzgesetzes (ESchG). J Reproduktionsmed Endokrinol 2022; 19 (6) 331. Der Artikel wurde uns von Krause & Pachernegg GmbH, Verlag für Medizin und Wirtschaft zum auszugsweisen Abdruck überlassen. Das Original finden Sie hier: www.kup.at/journals/inhalt/2066.html