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Bedeutung der Klimakrise für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

Jugendliche sorgen sich stark um ihre Zukunft, besonders mit Blick auf die Klimaveränderungen weltweit. In einer Studie der Bertelsmann Stiftung äußerten 80 Prozent der Befragten im Alter von 12 bis 18 Jahren ihre Sorge, 42 Prozent waren sogar sehr besorgt. Zu ähnlichem Ergebnis kommt eine Umfrage der Krankenkasse Barmer. Grundschulkinder äußerten vorrangig konkrete Ängste, wie die Angst vor Feuer oder Überschwemmung. Jugendliche beschäftigen sich dagegen stärker mit politischen Zusammenhängen.

Die Kinder und Jugendlichen spüren Verzweiflung, Ohnmacht und Wut. Viele Jugendliche fühlen sich in dieser Krise alleingelassen. In einer 2021 publizierten Untersuchung in „The Lancet“ wurden 10 000 Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahren in 10 Ländern aller Kontinente zu Gedanken und Gefühlen in Bezug auf die Klimakrise befragt. 56 Prozent stimmten der Aussage zu, die Menschheit sei verloren. 45 Prozent gaben an, dass sich ihre Gefühle bezüglich des Klimawandels auf ihr tägliches Leben auswirken würden. Rund die Hälfte aller befragten Mädchen und Frauen zögern aus diesem Grund, Kinder zu bekommen.


Von Klimaangst geplagt

Kinder und Jugendliche befinden sich in einer entscheidenden Phase ihrer seelischen und körperlichen Entwicklung. In diesem Zeitraum sind sie durch das Erleben von Stress und Angst wesentlich anfälliger für psychische Beschwerden.

Symptome der Klimaangst können Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Panikattacken und zwanghaftes Denken beinhalten. Bislang zeigen nur wenige Studien, wie sich die Klimakrise konkret auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auswirkt, da dieses Phänomen erst seit Kurzem im Fokus steht.

Bekannt ist, dass Kinder und Jugendliche besonders sensibel auf die Folgen des Klimawandels reagieren. Einerseits ist die reale Bedrohung größer, weil sie noch viele Jahre damit leben. Sie sind über ihren Medienkonsum zudem ständig mit der Bedrohung konfrontiert. Hinzu kommt eine andere Verarbeitung von Gefühlen, denn vor dem 25. Lebensjahr ist der präfrontale Kortex noch nicht vollständig entwickelt. Das ist der Teil des Gehirns, der einen Großteil unseres Verhaltens und unserer Emotionen steuert. Teenager und junge Erwachsene gehen emotionaler mit Geschehnissen um, sie können sich noch nicht so leicht von der Bedrohung lösen und sie logisch und distanziert verarbeiten. Das führt dazu, dass sich viele Teenager von negativen Emotionen überwältigt sehen.

Wo verläuft vielleicht die Grenze zu einer spezifischen Krankheit? Klimaangst kommt in den gängigen Krankheitskatalogen als Begriff nicht vor und Fachleute warnen, Klimaangst einseitig als Störung zu beschreiben. Weitaus überwiegend sei diese Angst eine natürliche und gesunde Reaktion auf eine reale Katastrophe. Im besten Fall motiviert sie dazu, etwas dafür zu tun, um die Bedrohung abzuwenden. Die Psychologie spricht hier von der „instrumentellen Angstbewältigung“, die am Problem und seiner Lösung orientiert ist. Beispiels­weise werden das Engagement in Klimaschutzorganisationen und ein umweltbewussteres Verhalten als Resilienz fördernd beschrieben. Als Eltern, Großeltern und Ärzt:innen können wir Vorbild sein, einen sensiblen Umgang mit Medien unterstützen, den Zugang zu guten Informationsquellen anbieten und Gesprächspartner sein.

Dr. med. Tonia Iblher ist eine der beiden Vorsitzenden des
Ausschusses „Klima und Gesundheit“ des DÄB.

E-Mail: klima@aerztinnenbund.de