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DÄB – eine Erfolgsgeschichte für Ärztinnen: Bereits viel bewirkt,
noch viel zu erreichen

Als Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) von 1997 bis 2009 habe ich das Ziel verfolgt, dass der DÄB eines Tages „überflüssig“ wird, weil die ärztinnen- , patientinnen- und frauenspezifischen Aspekte selbstverständlich in jeder standes- und berufspolitischen Entscheidung und in der Bundespolitik zielgerichtet berücksichtigt werden. Das haben wir auch 2024 noch nicht geschafft, dennoch ist der DÄB eine Erfolgsgeschichte! Viele Fortschritte konnten und können nur mit großer Beharrlichkeit der politisch tätigen Akteurinnen erreicht werden.

Der Deutsche Ärztinnenbund wurde 1924 als Bund Deutscher Ärztinnen (BDÄ) gegründet, Ende 1936 aufgelöst und 1950 wieder gegründet. Nach der NS-Diktatur war es für die Ärztinnen unter anderem existenziell, dass sie nicht länger benachteiligt wurden, wenn sie sich in einer Kassenarztpraxis niederlassen wollten. Ich selbst habe den DÄB erst wahrgenommen, als ich 1983 nach einem Umzug von Hannover ins Saarland mit zwei kleinen Kindern und wegen der „Ärzteschwemme“ keine Stelle bekam. Von der DÄB-Gruppe Saarbrücken wurde ich mit offenen Armen empfangen und die 1. Vorsitzende, SR Dr. Renate Dessauer, wurde eine wichtige Mentorin und Freundin. Gleich in der ersten Gruppensitzung, an der ich teilnahm, bekam ich vom Referenten eine Stelle angeboten.

1987 war ich Gründungsmitglied und 1. Vorsitzende des Jungen Forums, im Vorstand des DÄB fungierte ich als Nationale Koordinatorin (NC) und Vizepräsidentin, bis ich 1997 zur Präsidentin gewählt wurde. Meine Mentorinnen waren Dr. Helga Thieme und Dr. Ingeborg Retzlaff. Da ich in der Landesärzte­kammer Bayern und der KV-Bayern Delegierte war, wurde ich 1999 von DÄB-Kolleginnen aufgefordert, mich beim Deutschen Ärztetag (DÄT) für einen Sitz im Vorstand der Bundes­ärztekammer (BÄK) zu bewerben. Das war eine große Herausforderung nach dem Motto: „Du hast keine Chance, also nutze sie!“ Von 1999 bis 2007 habe ich dieses Ehrenamt intensiv ausgeübt – von 19 BÄK-Vorstandsmitgliedern waren lange Dr. Ursula Auerswald, Kammerpräsidentin in Bremen, und ich die einzigen Frauen – und konnte unter anderem erreichen, dass ich beim DÄT 2002 den TOP III – „Ärztinnen – Zukunftsperspektive für die Medizin: Familie und Beruf – beides muss möglich sein“ gestalten durfte. Die Bundesforschungsministerin Bulmahn, die erste Ordinaria für Chirurgie, Prof. Dr. Doris Henne-Bruns, und ich hielten Reden zur Bedeutung der Ärztinnen; die meisten der im Vorstandsantrag platzierten Forderungen wurden nach und nach von der ärztlichen Selbstverwaltung umgesetzt beziehungsweise in die entsprechenden Bundesministerien weitergeleitet.

Als Vorsitzende der Ärztinnen-Gremien in der BÄK war ich als Initiatorin, Autorin und Herausgeberin beteiligt an den Handbüchern „Karriereplanung für Ärztinnen“, 2006, und „Familien­freundlicher Arbeitsplatz für Ärztinnen und Ärzte“, 2010. Unglaublich eindrucksvoll und lehrreich waren meine regelmäßigen Teilnahmen an Kongressen der Medical Women’s International Association (MWIA) – 1986 nahm ich erstmals als Delegierte in Südkorea teil – und als Delegierte bei Weltärztekongressen seitens der Bundesärztekammer.

Viele Mitglieder des DÄB waren und sind berufs- oder standespolitisch tätig in Kammern, KVen, bei Deutschen Ärztetagen, in Fachgesellschaften und Berufsverbänden und wir alle zusammen haben viel für Medizinstudentinnen und Ärztinnen erreicht. Mir war Folgendes besonders wichtig:

  • Mehr Frauen in Führungs- und Entscheidungspositionen: Ich habe mich sehr eingesetzt für die Berufung der ersten Ordinaria in der Frauenheilkunde und der ersten Ordinaria in der Viszeralchirurgie. Auch bei weiteren Lehrstuhlbesetzungen mit Frauen konnten wir Entscheidendes leisten.
  • Weiterbildung seit 1989 und PJ in Teilzeit, Jobsharing in der Niederlassung seit 1997;
  • Pionierarbeit für die Gendermedizin in Deutschland, der DÄB- Kongress in Gießen 1999 befasste sich bereits mit „Schlagen Frauenherzen anders?“.
  • Mehr betriebseigene Kinderbetreuung, flexiblere Arbeitsbedingungen, Weiterbildung und PJ auch in Teilzeit;
  • Mutterschutz: Der DÄB war ein Motor für das neue Mutterschutzgesetz, das 2018 mit neuen Inhalten in Kraft trat wie der „psychischen Belastung“ und der Aufgabe des Arbeitgebers, der Schwangeren die Fortführung ihrer Tätigkeit durch geeignete Schutzmaßnahmen zu ermöglichen.
  • Aufbau eines DÄB-MentorinnenNetzwerkes seit 2001 als Ergebnis der ersten von mir organisierten Sitzung für „Frauen in der Chirurgie“ beim DGCH-Kongress;
  • Anerkennung von Kindererziehungszeiten auch für Mitglieder der berufsständischen Versorgungswerke;
  • Erstellung vieler Checklisten, etwa „Medizinstudieren mit Kind“, „Die familienfreundliche Niederlassung“, „Das familienfreundliche Krankenhaus“, „Weiterbildung“
  • seit 1974 der Kinder- und Jugendbuchpreis des DÄB „Die Silberne Feder“, früher „Das Fröhliche Krankenzimmer e. V.“. Seit einigen Jahren bin ich begeisterte Jury-Vorsitzende zusammen mit Dr. Maria Linsmann-Dege.
Selbstverständlich muss sich ein Verein wie der DÄB auch stets mit der Verantwortung für seine Vergangenheit auseinandersetzen. Im März 1933 hatte der BDÄ in der Satzung den „Arierparagraph“ eingeführt und das „Führerprinzip“ verankert, entsprechend wurden Ärztinnen jüdischer Abstammung beziehungsweise „nichtarische“ Mitglieder ausgeschlossen. Diese Kolleginnen hatten bis 1933 eine wichtige Rolle im BDÄ gespielt – nicht zuletzt als vier der acht Vorstandsmitglieder. Diese Phase ist bis heute forschungshistorisch in der Diskussion und muss uns sensibilisieren.

Ein Ausblick

Heute sind 70 Prozent der Medizinstudierenden weiblich und rund 50 Prozent der ärztlich Berufstätigen Frauen. Damit ist das Standing und Selbstbewusstsein des DÄB weiter gestärkt! Tatsache ist: Wir sind immer noch nicht so weit, dass der DÄB in Bezug auf die Ärztinnen- , Patientinnen- und Frauengleichberechtigung „überflüssig“ geworden ist.
  • Ärztinnen müssen mindestens die Hälfte der Entscheidungspositionen einnehmen: an Universitätskliniken, in Krankenhäusern, in der Niederlassung, in den Ärztekammern, in KV-Gremien, Berufsverbänden, Fachgesellschaften etc.
  • Geschlechterstereotype verstärkt thematisieren: Damit diese die Frauen in ihrer Karriere nicht länger behindern
  • Jobsharing in Führung muss selbstverständlich werden
  • Tätigkeit nach Wunsch der Schwangeren weiter etablieren
  • Das Thema Gender – insbesondere auch die Gendermedizin und -forschung in all ihren Dimensionen – bedarf weiterhin hoher Aufmerksamkeit und Fortschritte
  • Sprechende Medizin stärken
  • geeignete Rahmenbedingungen für die zufriedenstellende Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Karriere müssen beständig eingefordert und verbessert werden
  • DÄB-Burn-out-Hotline/Beratung wieder intensivieren
In Bezug auf die vielen Freundschaften, das Junge Forum, die Foren 60 plus und 40 plus, das Netzwerk, die Mentoring-Beziehungen, kollegialen Austausch und Zusammenhalt, die internationalen Ärztinnen-Kontakte und die Vorbilder und Role Models für junge Ärztinnen wird der Deutsche Ärztinnenbund wohl immer seine Notwendigkeit behalten.

Dr. med. Astrid Bühren ist Ehrenpräsidentin des DÄB. 2020 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande und 2021 als „Mutige Löwin“ vom DÄB ausgezeichnet. Die Paracelsus- Medaille wurde ihr anlässlich des DÄT 2024 verliehen.