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Der Ethikausschuss: Expertise für besonders gewichtige Themen

Der Deutsche Ärztinnenbund e. V. (DÄB) hat 1999 seinen Ethikausschuss eingesetzt, um zu aktuellen medizinethischen Themen aus Sicht des Ärztinnenbundes Stellung zu nehmen. Zu dieser Zeit gab es vollkommen neue und strittige Entwicklungen, etwa die Forschung an embryonalen Stammzellen oder die Präimplantationsdiagnostik. Auch heute beschäftigen uns immer wieder neue, ethisch herausforderndeFragen.

Die Themen, die der Ausschuss behandeln soll, werden häufig von den Ausschussmitgliedern selbst an den Vorstand herangetragen und auch mit den Kolleginnen des Beirats abgesprochen. Die Stellungnahmen werden dann dem Vorstand vorgelegt und bei Zustimmung über die Pressereferentin öffentlich gemacht.

Als erste Vorsitzende wurde Prof. Dr. med. Renate Nolte eingesetzt, eine in Tübingen ansässige Neuropädiaterin, wodurch die anfängliche Gruppe sich aus Kolleginnen aus dem Raum Stuttgart/Tübingen zusammensetzte. Allerdings war dadurch nicht für alle interessierten Kolleginnen eine regelmäßige Teilnahme möglich. Weil die ersten ethischen Stellungnahmen auf ein breites öffentliches Interesse stießen, entschied sich der Vorstand des DÄB 2011, den Ausschuss in der Verbandssatzung zu verankern. Ab da leitete ein 5-köpfiger Vorstand den Ausschuss und es wurde entschieden, dass er vorwiegend zur gleichen Zeit wie der Beirat tagt – um Kolleginnen aus ganz Deutschland die Mitwirkung zu erleichtern.

So können Sie teilnehmen

Im Lauf der Zeit wurden immer wieder zusätzliche Sitzungen einberufen und es gab Workshops zu den jeweils aktuellen Themen. So ist der Kreis der Mitwirkenden größer geworden. Inzwischen ermöglicht der schriftlich erklärte Beitritt die Mitgliedschaft im Ausschuss. Darüber hinaus kann jede Kollegin bei Interesse an dessen Sitzungen teilnehmen.

Natürlich haben im Deutschen Ärztinnenbund nicht alle Kolleginnen die gleiche ethische Einstellung. Die Stellungnahmen versuchen daher eine ethische Frage in alle Richtungen auszuloten, dabei vor allem eine frauenspezifische Sicht aufzu­zeigen und nach einem Minimalkonsens zu suchen. Renate Nolte etwa hatte zu ethischen Fragestellungen wie embryo­nale Stammzellforschung und aktive Sterbehilfe Fragebogen entwickelt und bei der Auswertung die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Antworten herausgearbeitet.

Bewertungen wandeln sich

Als Humangenetikerin aus Stuttgart, die Prof. Dr. med. Renate Nolte während der Weiterbildung in der Kinderklinik Tübingen kennengelernt hatte, war Dr. med. Gabriele du Bois von Anfang an am Ethikausschuss beteiligt. Die damaligen und auch heutigen Themen haben häufig mit der Humangenetik Schnittpunkte, so dass der fachliche Hintergrund gut passt. 2009 übernahm Gabriele du Bois die Leitung des Ausschusses. Die erste Stellungnahme war eine erneute Beurteilung der PID (Prä-Implantations-Diagnostik). Schließlich ändern sich ethische Bewertungen im Lauf der Zeit ebenso, wie die Gesellschaft es tut.

Hatte die Stellungnahme von 2001 vor allem die Risiken dieser Technik betont und gewarnt, empfahl der Ethikausschuss 2011 einen streng geregelten Zugang zur PID: nur für Paare mit hohem Risiko für eine schwere Erkrankung beim Kind oder bei einem hohen Risiko für Fehl- oder Totgeburten. Seit 2015 leitet Gabriele du Bois eine von 5 PID-Ethikkommissionen, die inzwischen in Deutschland eingerichtet sind und die alle PID-Anträge überprüfen.

Weitere Themen

Als langjährige zweite Vorsitzende bringt Dr. med. Dorothee Dörr als klinische Ethikberaterin ihre Erfahrungen in die Stellungnahmen ein. Sie hat nach einer Anästhesie-Ausbildung ein Masterstudium Medizinethik durchlaufen und ist seit 2012 Referentin für klinische Ethikberatung und seit 2014 Vorsit­zende des klinischen Ethikkomitees an der Universitätsmedizin Mannheim. Vor allem das derzeitige Thema „der assistierte Suizid“ profitiert von dieser Expertise.

Im Lauf der Zeit hat der Ausschuss auch folgende Themen
bearbeitet: Priorisierung medizinischer Leistungen, Bedeutung der Genschere CRISPR-Cas9, Einführung des nichtinvasiven Pränataltests (NIPT) für Schwangere sowie Pro­bleme der Embryonenspende und der Leihmutterschaft.

Aufwendige und tiefgehende Recherchen

Dem jeweiligen Thema nähert sich der Ausschuss durch
Literaturrecherchen und Brainstormings in der Gruppe, in der das Vorgehen abgesprochen wird. Die Ausschussmitglieder überlegen, wann es Sinn hat, zum Beispiel Referent:innen einzuladen, Fragebogenaktionen auszuarbeiten oder Workshops zu veranstalten. Am Ende steht nach Rücksprache mit dem Vorstand in der Regel eine Stellungnahme, die dann auch auf der Website des DÄB abrufbar ist. Nach wie vor gilt: Die Bewertungen des Ethikausschusses fließen in die gesellschaft­liche Debatte ein und haben Gewicht. So werden seine Expertinnen zu den teilweise äußerst komplizierten Themen oft interviewt und neuerdings auch zu Podcasts eingeladen.

Dr. med. Gabriele du Bois ist erste Vorsitzende des Ethikausschusses. Dr. med. Dorothee Dörr, M.A., ist die zweite Vorsitzende. Mehr Informationen zu den beiden finden Sie im Text oben.

E-Mail: gabrieledubois93[AT]gmail.com