Foto: Silke Rudolph, Fotos mit Herz, Berlin

Der Wissenschaftspreis des Deutschen Ärztinnenbundes: Rückenwind für forschende Ärztinnen

Der Wissenschaftspreis des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) ging aus der Ingrid zu Solms-Stiftung hervor. Er wurde eingerichtet, um vor allem jüngeren Ärztinnen und Zahnärztinnen einen Impuls zu geben, nicht nur ihre Forschungsergebnisse zu veröffentlichen – was Frauen bekanntlich erschwert wird –, sondern auch, um ihnen persönlich Rückenwind durch einen anspruchsvollen Preis zu verschaffen mit dem Ziel, ihre wissenschaftliche Tätigkeit
voranzutreiben.

Ein Kuratorium wacht über die Preisvergabe. Er ist mit 4 000 Euro dotiert und wird öffentlich ausgeschrieben. Die wichtigste Zielgruppe sind die jungen Ärztinnen in Weiterbildung der medizinischen Fakultäten, die sich eine Freistellung für Forschung in ihrer Klinik erkämpft haben und eine Karriere in der Wissenschaft anstreben. Eine Jury, bestehend aus zahlreichen Professorin­nen des DÄB, begutachtet ehrenamtlich die eingereichten Arbeiten und wählt nach einem transparenten Verfahren die nach den Preiskriterien beste aus. Wesentlich für die Beurteilung ist die wissenschaftliche Qualität der Arbeit. Der Preis wird in 2-jährlichem Abstand feierlich auf der Zusammenkunft des Ärztinnenbundes verliehen. Bei den letzten Ausschreibungen wurde besonders die Forschung zu geschlechtssensibler Medizin gefordert.

Der Wissenschaftspreis des DÄB rückt unter anderem auch einige bekannte Kritikpunkte am Wissenschaftsbetrieb in den Fokus. So wird oft der Impakt-Faktor des Journals, in dem ein Paper erscheint, als ein Kriterium für die Güte einer wissenschaftlichen Arbeit gewertet. Viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen halten davon nichts. Schließlich ist der Impakt-Faktor nur eine errechnete Zahl, die eine Information darüber gibt, wie oft Artikel dieses Journals in anderen wissenschaftlichen Journalen in einem Jahr zitiert werden. Er vergleicht also Zeitschriften. Die scientific community berauscht sich jedoch an dem Impakt-Faktor, der leicht und bequem, zum Beispiel bei Bewerbungen, zusammengezählt werden kann. Er ist zu einer Art Fetisch geworden. Daraus ergibt sich für wissenschaft­liche Karrieren eine Diskussion, inwiefern die Quantität von Publikationen eventuell höher wiegt als die Qualität. Hinzu kommt, dass durch die Konzentration auf den Impakt-Faktor oft der Wert von klinischen Studien zugunsten experimenteller oder tierexperimenteller Arbeiten unterschätzt wird.

In Kombination mit den anderen herrschenden Rahmenbedingungen für Ärztinnen und Zahnärztinnen erhöht sich so der Nachteil für wissenschaftlich arbeitende Frauen in der Medizin. Die Diskriminierung und Unsichtbarmachung dieser Frauen besteht seit Jahrhunderten – wie es auch der Artikel von Dr. med. Katrin Wolf ab Seite 30 verdeutlicht. Sie wurden in der Vergangenheit als unbequeme Exotinnen betrachtet und selbst dann nicht beachtet, wenn ihre Ergebnisse weitreichende Konsequenzen hatten. Damit teilen die Medizinforscherinnen, Ärztinnen und Zahnärztinnen das Schicksal etwa von Komponistinnen, Malerinnen und Schriftstellerinnen. Viele konnten früher nicht unter ihrem eigenen Namen wirken und bekannt werden. Hier einige Beispiele, wie vor noch nicht allzu langer Zeit mit Forscherinnen umgegangen wurde:

Der Name Eunice Foote (1819–1888) aus Connecticut ist vergessen. Sie bewies 1856 (!) mit einer einfachen Methodik, dass es eine direkte Beziehung zwischen dem Kohlendioxydgehalt der Luft und der Lufterwärmung gibt. Sie durfte ihre Entdeckung nicht selbst auf einem Kongress vortragen und wurde erst durch den Bericht in einer populärwissenschaftlichen Zeitung viel später bekannt.

Marie Curie (1867–1934) erhielt als erste Frau überhaupt einen Nobelpreis: 1903 für Physik. Mit dem zweiten Nobelpreis für Chemie (1911) ist sie bis heute die einzige Frau, die diese Auszeichnung mehrfach bekam. Die leidenschaftliche Forscherin und Mutter von zwei Töchtern erarbeitete sich insgesamt viele internationale Preise. Weil sie eine Frau war, wurde sie dennoch nicht in die französische Akademie für Wissenschaften aufgenommen, sondern vielmehr – auch von Frauen! – verhöhnt und beschimpft.

Rahel Hirsch (1870–1953) lehrte und forschte an der Berliner Charité. Als sie ihre Entdeckung präsentierte, dass großmolekulare Zucker sehr wohl die Darmwand passieren und in Blut und Urin nachzuweisen sind, wurde sie ausgelacht und ignoriert. Die Herren professoralen Kollegen der „Gesellschaft der Charité – Ärzte der medizinischen Fakultät“ scheuten sich nicht, von Nachttopf und Puderquaste zu schwadronieren. Der nach ihr benannte „Hirsch-Effekt“ ist inzwischen wissenschaftlich unbestritten. Sie, die sich auch allgemeinen Frauenfragen widmete, musste als Jüdin 1938 Deutschland verlassen, um ihr Leben zu retten.

Wissenschaft wird noch von Männern oft als Männersache
betrachtet – insbesondere in der Medizin, wo Spitzenpositionen der klinischen Medizin nur über Forschungsarbeiten erreicht werden können. Junge Ärztinnen und Zahnärztinnen sind bis heute in ihren wissenschaftlichen Ambitionen Diskriminierung und Frauenfeindlichkeit durch männliche Konkurrenz ausgesetzt. Der Wissenschaftspreis des DÄB leistet einen Beitrag zur Gleichstellung von jungen, begabten Ärztinnen und Zahnärztinnen.

Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk aus Berlin ist DÄB-Senior-Consultant. Von 2013 bis 2021 war sie Vizepräsidentin. Sie ist unter anderem Trägerin des Bundesverdienstkreuzes und „Mutige Löwin“. Über viele Jahre hat sie den Wissenschafts­preis betreut. Ihre Nachfolgerin ist Dr. Dr. Eva Hennel.