Deutscher Ärztinnenbund: Tastuntersuchungen zur Erkennung von Brustkrebs müssen aufgewertet werden

Brustkrebs ist mit rund 45.000 Neuerkrankungen und rund 18.000 Todesfällen pro Jahr eines der bedeutendsten Gesundheitsprobleme für Frauen in Deutschland. Deshalb muss nach Auffassung des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) die Brustselbstuntersuchung von Frauen gefördert werden. Außerdem ist dringend wissenschaftlich klärungsbedürftig, in welchem Maß die Selbstuntersuchung gemeinsam mit der qualifizierten und gründlichen Abtast-Untersuchung durch Ärztinnen und Ärzte zu einem besseren Behandlungserfolg beiträgt. Um Karzinome in der Brust (medizinisch: Mamma-Karzinome) frühzeitig erkennen und behandeln zu können, lehnt der DÄB Reihen-Mammografien in sogenannten "Mamma-Mobilen" sowie die Errichtung von separat arbeitenden "Mamma-Zentren" ebenso wie eine ziel- und planlose Ausweitung der Mammografie-Untersuchungen als wenig patientinnen-freundlich ab.

DÄB-Vorstandsmitglied Dr. Friederike Perl, die als Gynäkologin die offizielle Stellungnahme des Verbandes zur Brustkrebsfrüherkennung vorbereitet hat: "Die bereits existierenden Screenings in Ländern wie England, Schweden, Holland und Kanada haben leider nicht dazu geführt, dass die Sterblichkeitsrate an Brustkrebs gesunken wäre. Die Mammografie ist eine mit Strahlen arbeitende Methode, die bei einer Reihenuntersuchung vor allem bei gesunden Frauen angewandt würde. Nach den jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen sollte die Anwendung der Methode sorgfältig abgewogen werden." Bei der Überprüfung von Früherkennungsmethoden müssen aus medizinischer und psychologischer Sicht auch unerwünschte Begleiterscheinungen bewertet werden, um Frauen vor unnötigen Belastungen durch irrtümlichen Krebsverdacht zu bewahren. Deshalb hält der Deutsche Ärztinnenbund bei allen Früherkennungsmethoden sinnvoll strukturierte Qualitätskontrollen für unabdingbar. Eine unüberlegte Ausweitung der Mammografien kann durch unnötige Sorgen und chirurgische Eingriffe zu Lasten der Patientinnen gehen, ohne dass die frühere Erkennung einer Brustkrebserkrankung gewährleistet ist und belastet außerdem die begrenzten Ressourcen des Gesundheitssystems.

Derzeit wird auch international in medizinischen Fachkreisen kontrovers diskutiert, mit welchen Methoden die möglichst frühe Erkennung des Brustkrebses vorangetrieben werden kann. Nach Auffassung des Deutschen Ärztinnenbundes muss die individuelle ärztliche Betreuung von Frauen Priorität haben. Reihenuntersuchungen, wie sie in den Nachkriegsjahren in der Bundesrepublik gegen Tuberkulose üblich waren, sind weder zeitgemäß noch frauenfreundlich. DÄB-Vorstandsmitglied Perl: " Möglicherweise wurde bisher der Wert des mammografischen Screenings überschätzt und der von Tastuntersuchungen, insbesondere der gründlichen Abtastung durch Ärztinnen und Ärzte, möglicherweise unterschätzt. Eine vor kurzem veröffentlichte Bewertung der methodischen Qualität der publizierten Mammografiestudien hatte enttäuschende Ergebnisse."

Wichtige Fragen in Bezug auf die effektivste Art der Früherkennung des Brustkrebses sind noch ungeklärt, so dass weitere Forschung erforderlich ist. Deshalb hält der DÄB die bevorstehenden Maßnahmen, das mammografische Screening in Deutschland ausserhalb von kontrollierten Studien einzuführen, für wissenschaftlich und ethisch nicht mehr vertretbar und fordert entsprechende Ergänzungen der bestehenden Protokolle. Der Deutsche Ärztinnenbund unterstützt alle Bemühungen, die 
  • die Frage klären helfen, ob gründliches ärztliches Abtasten gemeinsam mit der Selbstuntersuchung der Brust durch die Frauen einen nennenswerten Nutzen in Bezug auf Früherkennung und eine bessere Lebenserwartung haben könnte. Eine derartige Studie ist vom Deutschen Krebsforschungszentrum erarbeitet worden und sollte baldmöglichst durchgeführt werden.
  • dazu beitragen, dass sich alle interessierten gynäkologisch und radiologisch tätigen Ärztinnen und Ärzte gezielt an Screening-Massnahmen beteiligen und sich dafür entsprechend fortbilden können
  • die Qualität der Diagnostik in gynäkologischen und radiologischen Praxen verbessern und Fehldiagnosen minimieren

  • die systematische psychosoziale Begleitforschung in jedes Brustkrebs-Früherkennungsprojekt einbringen, um die Auswirkungen auf die Lebensqualität von Frauen festzustellen und um jene Frauen gezielt unterstützen zu können, die unter den seelischen und körperlichen Nebenwirkungen des Screenings besonders zu leiden haben
  • einen raschen Zugang zu qualitativ hochwertiger Diagnostik auch in entlegenen Teilen Deutschlands ermöglichen.
DÄB-Präsidentin Dr. Astrid Bühren hat diesen Forderungen in einem Brief an Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer Nachdruck verliehen. Bei der Brustkrebs-Vorsorge müsse die Orientierung auf die Patientinnen Priorität haben.