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Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise auf Frauen

Unter Druck neigen wir alle dazu, in alte Muster zurückzufallen. Das scheint sich auch in der aktuellen Pandemie abzuzeichnen. Erste Studien deuten in Richtung Re-Traditionalisierung der Geschlechterrollen. Welche Gruppen sind ökonomisch am stärksten von der Krise betroffen?

Als Japan im Februar 2020 als eines der ersten Länder eine Homeoffice-Empfehlung herausgab, hieß es gleichzeitig, die Firmen mögen doch bitte Mütter freistellen, damit diese ihre Kinder betreuen könnten. Hatten wir nicht jahrzehntelang dafür gekämpft, dass Eltern Kinder betreuen und nicht nur Mütter? Doch seitdem haben weltweit vor allem Frauen ihr Pensum reduziert oder ihren Job – nicht immer freiwillig – aufgegeben, um sich um Kinder und Angehörige zu kümmern. Es hat ein starker Re-Traditionalisierungseffekt eingesetzt, der uns noch einige Zeit beschäftigen wird.

UN-Generalsekretär António Guterres hat mehrmals darauf hingewiesen, dass die Pandemie die ohnehin schon großen Ungleichheiten, denen Frauen und Mädchen ausgesetzt sind, verschlimmert – und damit jahrelange Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter zunichtemacht.

Prekäre Ausgangssituation

Frauen arbeiten mit größerer Wahrscheinlichkeit in den Bereichen, die am stärksten von der Pandemie betroffen sind. Sie sind um 24 Prozent gefährdeter, ihren Arbeitsplatz zu verlieren und stärkere Einkommenseinbußen zu erleiden. Das hat auch damit zu tun, dass fast 60 Prozent der Frauen weltweit im informellen Sektor arbeiten, in dem sie weniger verdienen, kaum sparen können und folglich einem größeren Armutsrisiko ausgesetzt sind. Das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern hat sich weiter vergrößert, auch im Gesundheitssektor. Beispielsweise arbeiten in den USA nur 17 Prozent der erwerbstätigen Frauen in systemnotwendigen Jobs, aber 24 Prozent der erwerbstätigen Männer.

Und wer vermutet, dass Frauen durch die Homeoffice-Welle stärker profitieren, hat sich ebenfalls getäuscht: Da Männer häufiger in höherqualifizierten Berufen arbeiten, sind ihre Arbeitsplätze besser für Homeoffice geeignet. Auch in der Schweiz haben mehr Männer die Möglichkeit, flexible Arbeitszeiten in An- spruch zu nehmen. 52 Prozent der Män­ner konnten laut Bundesamt für Statistik 2019 flexibel arbeiten, aber nur 41 Prozent der Frauen. Aus der Diversity-
Perspektive sind aktuell Junge – oftmals Frauen aus Minderheitengruppen und aus unteren sozialen Schichten – in vielen Ländern am negativsten von den Folgen der Pandemie betroffen. Alleinerziehende trifft es besonders hart und hier finden wir ebenfalls mehr Frauen. COVID-19 birgt also auch die Gefahr, dass aus der ökonomischen Perspektive Frauen, Schwarze, Jüngere, sozial Schwächere etc. während und nach der Krise größeren Herausforderungen gegenüberstehen als andere Gruppen.

Nachteile in Industrienationen

Selbst in der Schweiz, welche die Krise gut gemeistert hat und meistert, leiden besonders die Frauen und die Jungen. Bei Letzteren stieg die Arbeitslosigkeit 2020 auf knapp unter 10 Prozent – ein Rekordwert für die Schweiz.

Gleichstellungs- und Diversity-Themen werden gerne als Schönwetter-Programme eingeordnet. Steigt der Druck auf Wirtschaft und Gesellschaft, sind wir geneigt, uns um scheinbar Wichtigeres zu kümmern. Dabei bietet gerade eine Krise eine große Chance, um mehr Chancengerechtigkeit zu erreichen, weil sich die Normen zwangsläufig ändern.

Prof. Dr. oec. Gudrun Sander ist Titularprofessorin für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des Diversity Managements an der Universität St. Gallen in der Schweiz, Co-Direktorin der Forschungsstelle für Internationales Management sowie Direktorin des Kompetenzzentrums für Diversität und Inklusion.

gudrun.sander@unisg.ch