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Einstieg in den Ärztinnenbund: Auch in Corona-Zeiten positiv

Seit Februar bin ich Mitglied im DÄB. Coronabedingt habe ich noch keine anderen Frauen aus dem Verein persönlich kennengelernt. Trotzdem habe ich schon einige gute Erfahrungen gemacht. Ein Plädoyer für mehr Frauennetzwerke in der medizinischen Wissenschaft.

Über die Ausschreibungen zu Leitungsstellen und Professuren, die der DÄB weitergibt, bekam ich, kaum eingetreten, eine Stelle in meinem Fach rundgemailt. Ein Glücksfall, denn mit der Klinischen Pharmakologie besetze ich ein kleines Gebiet. Es kann vorkommen, dass es fünf Jahre lang in ganz Deutschland keine Ausschreibungen gibt. Ich habe den Hinweis an eine sehr begabte junge Nachwuchswissenschaftlerin weitergereicht. Sie wurde vom Dekanat persönlich informiert, dass ihre Bewerbung noch einbezogen würde, auch wenn die offizielle Frist schon etwas zurücklag.

Funktionsweise von Netzwerken abschauen
Das zeigt mir den Wert von Frauennetzwerken. Ich persönlich halte es für wichtig, zu verstehen, wie Männernetzwerke funktionieren, um auch eine bessere Vernetzung von Frauen zu erreichen. Es ist vermutlich typisch, dass meine Verbindungen im wissenschaftlichen Bereich gut und weitreichend sind, dabei allerdings – was die Player angeht – zu 90 Prozent aus Männern bestehen.

Meine Erfahrung aus der Mitarbeit in Berufungskommissionen zeigt mir, dass Aufforderungen zu Bewerbungen über die fachlichen Netzwerkverbindungen kommen. Dabei schlagen Männer andere Männer aus ihrem Netzwerk vor und es ist ein Manko, dass es zu wenige fachlich orientierte Frauennetzwerke gibt, die gezielt Kandidat*innen benennen würden. Ein weiteres Beispiel für eine gelungene Unterstützung unter Frauen: die Fakultätspolitik. Männer richten es sich in ihrem Berufsleben für sich passend ein und betreiben dafür aktiv strategischpolitische Planung zur Schwerpunktsetzung, etwa von Forschungsgebieten, Lehrgestaltung – und vor allem des zugehörigen Budgets.

Fakultätspolitik strategisch angehen
Ich habe etwa erlebt, wie die Mittelvergabe für Lehrleistungen an einer Fakul tät vollkommen umgestaltet wurde, sobald eine Gruppe von jungen Professoren einen neuen Studiengang etabliert hatte. Neu in der medizinischen Fakultät an der RWTH habe ich darum die weiblich inspirierte Schwerpunkt setzung und Fakultätspolitik unter Professorinnen angesprochen und angeboten, mich für den Fakultätsrat aufstellen zu lassen. Die Resonanz war durchweg positiv.

Auch wegen der Finanzierung von Forschung und Wissenschaft benötigen wir tragfähige und nachhaltige Frauennetzwerke. Wohin das öffentliche Geld in gro-ßem Stil fließt, wird durch sogenannte Opinon Leader beeinflusst. Wie sich bei Covid-19 unschwer feststellen ließ, sind diese fast ausschließlich männlich. Dabei gäbe es viele weiblich motivierte Themen, die pekuniär besser ausgestattet sein könnten.

Frauenthemen in die Forschungsförderung bringen
Wenn auch bei DFG-Einzelanträgen auf eine gewisse Genderquote geachtet wird, sprechen wir dabei von Beträgen in niedriger fünfstelliger Höhe. Die wirklich interessanten Forschungsförderungen liegen im zweistelligen Millionenbereich. In einer Broschüre des BMBF zur Förderung der Deutschen Gesundheitsforschungszentren (im Durchschnitt je über 50 Millionen Euro pro Jahr) fand sich keine einzige Frau unter den porträtierten Spitzenkräften. Ich kann daher nur ermuntern, gestaltungswillige Frauen an strategisch wichtige Positionen zu bringen, über die Generationen hinweg in Kontakt zu bleiben und sich gegenseitig Motivation zu geben. Da ist es gut, dass man solche Themen im DÄB diskutieren kann. Das ging trotz Corona unkompliziert per Mail und Telefon.

Prof. Dr. med. Julia C. Stingl ist Direktorin des Instituts für Klinische Pharmakologie am Universitätsklinikum der RWTH Aachen und seit 2004 außerordentliches Mitglied der Arzneimittelkommission. Von 2014 bis 2019 war sie Vizepräsidentin des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.

E-Mail: jstingl@ukaachen.de