Hausärztinnen: Wer selbst gesundheitsbewusst lebt, kann Patienten und Patientinnen Prävention besser vermitteln

Niedergelassene Hausärztinnen leben selbst gesundheitsbewusster als ihre männlichen Kollegen. Deshalb sind sie auch besser geeignet, im Zuge von Gesundheitsförderung und Prävention Patientinnen und Patienten Strategien für ein gesundheitsbewusstes Leben zu vermitteln. Dies ergibt die Doktorarbeit der Ärztin Petra Kaiser an der Universität Marburg, die in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift "Ärztin" des Deutschen Ärztinnenbundes veröffentlicht ist (Ärztin 4/2002). Die Auswertung einer Fragebogen-Aktion ergab, dass sich Ärztinnen gesünder ernähren als ihre befragten männlichen Kollegen. Nach einer zugrunde gelegten Lebensmittelliste ernährten sich rund 50 Prozent der Ärztinnen gesund, jedoch nur rund 22 Prozent der Ärzte. Nur rund 16 Prozent der Frauen waren schwer überwichtig (adipös),  jedoch rund 39 Prozent der Männer.  Fast alle Hausärztinnen (87 Prozent) hatten selbst schon einmal eine Krebsfrüherkennungsuntersuchung in Anspruch genommen; bei den Männern waren es weniger als die Hälfte (42 Prozent).

Im Interesse der Patientenversorgung ist dieses Ergebnis ein wichtiges Indiz dafür, dass die Tätigkeit von niedergelassenen Ärztinnen auch gezielt gefördert werden muss. Dr. Astrid Bühren, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes: "Die Kassenärztlichen Vereinigungen, die den Sicherstellungsauftrag im niedergelassenen Bereich garantieren, müssen hier umdenken. Die Frage heißt heute: Wie müssen die Weichen gestellt werden, damit Ärztinnen und Ärzte sinnvoll in eigener Praxis arbeiten und dies beispielsweise auch mit Familienpflichten vereinbaren können." Notwendig ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen von Gemeinschaftspraxen, die Suche nach sinnvollen Arbeitszeitmodellen und flexibleres Job-Sharing im ambulanten Bereich. Eine Untersuchung aus Hamburg im Jahr 2000 hat gezeigt, dass Ärztinnen lieber in Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften tätig sind. Bühren: "Dies kommt auch der zeitintensiveren präventiven Arbeit mit Patientinnen und Patienten zugute. Außerdem: Wenn Ärztinnen und Ärzte sinnvolle Arbeitsbedingungen haben, hat das auch positiven Einfluss auf die Patientenversorgung."

Wegen des sich abzeichnenden Ärztinnen- und Ärztemangels in Deutschland wird es in den nächsten Jahren zunehmend schwieriger werden, frei werdende Kassenarztsitze neu zu besetzen. Bereits jetzt zeichnet sich dies in den neuen Bundesländern spürbar ab: Wer die Praxis abgeben will findet keine/n Nachfolger/Nachfolgerin und verliert dadurch auch die Altersversorgung. In einem Brief an den Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Manfred Richter-Reichhelm, weist DÄB-Präsidentin Bühren darauf hin, dass sich die KVen - noch immer Männerdomänen mit entsprechenden Entscheidungs- und Kommunikationsstrukturen - öffnen und Probleme neu andenken müssten. Für die kassenärztliche Tätigkeit müssten zunehmend Kolleginnen und Kollegen gewonnen werden, die aufgrund der familienunfreundlichen Arbeitsbedingungen bisher andere Tätigkeitsfelder bevorzugen.

Bühren weist auch darauf hin, dass niedergelassene Ärztinnen im Falle einer Schwangerschaft vor wesentlich größere Probleme als die männlichen Kollegen gestellt sind. Hier stellt sich die Frage der Vertretung, der Präsenzpflicht und der Teilnahme an den Bereitschaftsdiensten. Bühren: " Für niedergelassene Ärztinnen mit kleinen Kindern sollten keine Extrawürste gebacken werden. Aber wenn nicht anders machbar, sollte über die Option zur Freistellung von den Bereitschaftsdiensten sowie über Entlastungsassistenten und -assistentinnen nachgedacht werden." Dies sind Maßnahmen, die die Patientenversorgung in der Arztpraxis zu einem auch für familienorientierte Ärztinnen und Ärzte interessanten Arbeitsgebiet macht. Zusätzlich ist wichtig, dass der von der Bundesregierung geschlossene Koalitionsvertrag eingehalten wird, der die flächendeckende Einrichtung von Ganztagsschulen und Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder von der Geburt bis zum 6. Lebensjahr vorsieht.

DÄB-Präsidentin Bühren: "Vor dem Hintergrund der Kostendiskussion im Gesundheitswesen kommt einer medizinisch hochwertigen, ganzheitlichen und bereits bei der Krankheitsvorbeugung ansetzenden Grundversorgung der Bevölkerung zunehmend Bedeutung zu. Hier sind Ärztinnen zusätzlich zu ihrer Fachkompetenz aufgrund ihrer spezifischen biografischen Erfahrungen besonders geeignet." Der Deutsche Ärztinnenbund wird sich deshalb in nächster Zeit schwerpunktmäßig mit den Arbeitsbedingungen für niedergelassene Ärztinnen beschäftigen und sucht in diesem Zusammenhang auch die Kooperation mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und mit den Kassenärztlichen Vereinigungen.