„Langfristig schadet schlechte Führung einem Unternehmen immer“
Nach den Vorfällen am UKSH hat Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) eine Reform der Medizinausbildung gefordert. Ärztinnen und Ärzte müssten besser auf eine Rolle als Vorgesetzte vorbereitet werden. Lässt sich überhaupt definieren, was gute Personalführung bedeutet?
Nicht pauschal. Wenn wir zunächst betrachten, was überhaupt erfolgreiche Führung ausmacht, lässt sich diese zum einen durch Ergebnisse wie Gewinn, Wachstum sowie Planabweichung oder Arbeitsunfälle erfassen. Zum anderen kann man erfolgreiche Führung an der Reaktion der Mitarbeiter*innen festmachen, hierzu zählen etwa Engagement oder Arbeitszufriedenheit, aber auch Krankenstand oder Personalfluktuation können Hinweise auf die Stimmung in einem Team sein. Welche Indikatoren gewählt werden und wie man sie gewichtet, entscheiden die Organisationen individuell.
Was beeinflusst die Führungsleistung? Hängt sie nur vom Verhalten einzelner Vorgesetzter ab?
Nein. In Führungssituationen spielen immer viele Faktoren hinein. Die Unternehmenskultur spielt eine wichtige Rolle und ebenso die Machtbasis, über die Führungskräfte verfü-gen, aber natürlich auch das Selbstverständnis einer ganzen Branche oder auch die Organisationsstruktur. Im Kontext solcher Rahmenbedingungen wirkt das Verhalten einer Führungskraft, das wiederum von deren Persönlichkeit und deren Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz geprägt ist. Dazu kommen Wechselwirkungen mit den Mitarbeiter*innen, die natürlich selbst ganz individuelle Erwartungen haben.
Bei so einem komplexen Wechselspiel: Wie könnte eine sinnvolle Vorbereitung auf Führungsaufgaben für Medizinstudierende aussehen?
Längst nicht alle Medizinstudierenden werden später eine klassische Führungsposition einnehmen. Darum hat es wenig Sinn, alle in typische Führungsseminare zu stecken. Wichtiger wäre es, das Studium so zu gestalten, dass es bei den Studierenden die Fähigkeit zum Perspektivwechsel und zur Selbstreflektion stärkt. Das sind soziale Kompetenzen, die sich im Berufsleben in jeder Rolle und auf jeder Hierarchieebene als extrem nützlich erweisen. Auch in der Medizin ist neben der Fachkompetenz die Fähigkeit zur Zusammenarbeit ein bedeutender Erfolgsfaktor. Das heißt, für junge Menschen ist es wichtig zu wissen, wie man Akzeptanz innerhalb einer Gruppe, aber auch Einzelnen gegenüber herstellt.
Wie wirkt sich die Stimmung bei den Mitarbeiter*innen tatsächlich auf Leistung und Erfolg aus?
Viele Studien belegen, dass motivierte Mitarbeiter*innen bessere fachliche Leistungen erzielen. Eine Weile lang kann eine Organisation oder ein Unternehmen über die Runden kommen, auch wenn man die Qualität der Personalführung vernachlässigt. Aber langfristig führt das immer zu messbaren Einbußen in der Produktivität. Schlechte Führung kann also nie im Sinne eines Unternehmens sein.
Trotzdem wird gerade in der Medizin immer wieder über Mobbing durch Vorgesetzte geklagt. Unter anderem sieht das auch die Ärztegewerkschaft Marburger Bund als Problem. Woran lieg das?
Selbstverständlich ergibt sich für die Gemobbten eine sehr belastende Situation, wenn sie ausgegrenzt oder schikaniert werden. Bei Mobbing durch Führungskräfte, populärwissenschaftlich als Bossing bezeichnet, geht es um andauerndes feindseliges Verhalten, das auf die bewusste psychische oder physische Schädigung von Mitarbeiter*innen zielt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu klären, inwieweit formale und informale Strukturen in einer Organisation so ein Verhalten der Führungskräfte fördern. Das gilt generell und nicht nur im Medizinsektor.
Reihenweise unzufriedene Mitarbeiter*innen deuten also auf ein Strukturversagen?
Oft ist das so. Im Fall von Frau Dr. Doreen Richardt hat ja sogar der Gerichtssprecher in einem Fernsehinterview darauf hingewiesen, dass sich das Klinikum nicht vor die Oberärztin gestellt habe. Obwohl sich Dr. Richardt, laut Urteil, nichts zu Schulden hat kommen lassen. Das bedeutet, dass am UKSH Mechanismen zur Konfliktregulierung entweder ungenügend institutionalisiert sind oder aber, dass sie versagt haben.
Welche Möglichkeiten haben Mitarbeiter*innen in so einer Situation?
Strukturelle Probleme muss die Unternehmensführung lösen. Das ist nicht die Aufgabe der Mitarbeiter*innen und ihnen auch gar nicht möglich. Im eigenen Interesse kann man dann nur kündigen oder klagen. So etwas hinzunehmen, macht einen oft krank.
Existieren Zeichen dafür, ob man sich in einem neuen Job in ein gutes oder ein ungutes Führungsumfeld begibt?
Ein Unternehmen sollte seine Führungsgrundsätze niedergeschrieben haben und auch die Strukturen, die für Konfliktfälle vorgesehen sind, sollten transparent sein. Das vermittelt nicht nur den Mitarbeiter*innen Vertrauen. Es gibt auch den Führungskräften etwas an die Hand, an das sie sich halten können und müssen. Ein gutes Zeichen sind zum Beispiel feste Vorgaben für Feedbacks und Bewertungsgespräche – am besten solche, bei denen auch Führungskräfte von ihrem Team Rückmeldung erhalten. Gut ist es auch, wenn bei Streitfällen externe Moderatoren hinzugezogen werden. Darüber hinaus sind die Arbeitsbedingungen und die Leistungsbewertung wichtige Faktoren in der Zusammenarbeit. Wenn von den Mitarbeiter*innen Teamarbeit gefordert wird, aber das Vergütungssystem keine Teamprämie vorsieht, passt dies nicht zusammen. Hohe Arbeitsbelastung oder unsichere Arbeitsverhältnisse sind beispielsweise schwierige Bedingungen für Führungskraft und Mitarbeiter*innen. Nach dem Motto „It takes two to tango“ gehören zu guter Führung immer zwei, es geht um das Zusammenspiel. Hier zeigt sich wieder, wie wichtig in der Führung Selbstreflexion ist und die Fähigkeit, eine Aufgabe oder Situation auch einmal aus dem Blickwinkel anderer Menschen zu betrachten. Das hilft auch im Umgang mit Konflikten. Oft hört man dann, das seien weibliche Führungseigenschaften. Mit solchen Zuordnungen läuft man aber leicht Gefahr, Geschlechterstereotype zu bedienen. Gute Führung ist vor allem etwas, das man lernen kann.
Interview: Alexandra v. Knobloch
E-Mail: graml@fb3.fra-uas.de
Nicht pauschal. Wenn wir zunächst betrachten, was überhaupt erfolgreiche Führung ausmacht, lässt sich diese zum einen durch Ergebnisse wie Gewinn, Wachstum sowie Planabweichung oder Arbeitsunfälle erfassen. Zum anderen kann man erfolgreiche Führung an der Reaktion der Mitarbeiter*innen festmachen, hierzu zählen etwa Engagement oder Arbeitszufriedenheit, aber auch Krankenstand oder Personalfluktuation können Hinweise auf die Stimmung in einem Team sein. Welche Indikatoren gewählt werden und wie man sie gewichtet, entscheiden die Organisationen individuell.
Was beeinflusst die Führungsleistung? Hängt sie nur vom Verhalten einzelner Vorgesetzter ab?
Nein. In Führungssituationen spielen immer viele Faktoren hinein. Die Unternehmenskultur spielt eine wichtige Rolle und ebenso die Machtbasis, über die Führungskräfte verfü-gen, aber natürlich auch das Selbstverständnis einer ganzen Branche oder auch die Organisationsstruktur. Im Kontext solcher Rahmenbedingungen wirkt das Verhalten einer Führungskraft, das wiederum von deren Persönlichkeit und deren Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz geprägt ist. Dazu kommen Wechselwirkungen mit den Mitarbeiter*innen, die natürlich selbst ganz individuelle Erwartungen haben.
Bei so einem komplexen Wechselspiel: Wie könnte eine sinnvolle Vorbereitung auf Führungsaufgaben für Medizinstudierende aussehen?
Längst nicht alle Medizinstudierenden werden später eine klassische Führungsposition einnehmen. Darum hat es wenig Sinn, alle in typische Führungsseminare zu stecken. Wichtiger wäre es, das Studium so zu gestalten, dass es bei den Studierenden die Fähigkeit zum Perspektivwechsel und zur Selbstreflektion stärkt. Das sind soziale Kompetenzen, die sich im Berufsleben in jeder Rolle und auf jeder Hierarchieebene als extrem nützlich erweisen. Auch in der Medizin ist neben der Fachkompetenz die Fähigkeit zur Zusammenarbeit ein bedeutender Erfolgsfaktor. Das heißt, für junge Menschen ist es wichtig zu wissen, wie man Akzeptanz innerhalb einer Gruppe, aber auch Einzelnen gegenüber herstellt.
Wie wirkt sich die Stimmung bei den Mitarbeiter*innen tatsächlich auf Leistung und Erfolg aus?
Viele Studien belegen, dass motivierte Mitarbeiter*innen bessere fachliche Leistungen erzielen. Eine Weile lang kann eine Organisation oder ein Unternehmen über die Runden kommen, auch wenn man die Qualität der Personalführung vernachlässigt. Aber langfristig führt das immer zu messbaren Einbußen in der Produktivität. Schlechte Führung kann also nie im Sinne eines Unternehmens sein.
Trotzdem wird gerade in der Medizin immer wieder über Mobbing durch Vorgesetzte geklagt. Unter anderem sieht das auch die Ärztegewerkschaft Marburger Bund als Problem. Woran lieg das?
Selbstverständlich ergibt sich für die Gemobbten eine sehr belastende Situation, wenn sie ausgegrenzt oder schikaniert werden. Bei Mobbing durch Führungskräfte, populärwissenschaftlich als Bossing bezeichnet, geht es um andauerndes feindseliges Verhalten, das auf die bewusste psychische oder physische Schädigung von Mitarbeiter*innen zielt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu klären, inwieweit formale und informale Strukturen in einer Organisation so ein Verhalten der Führungskräfte fördern. Das gilt generell und nicht nur im Medizinsektor.
Reihenweise unzufriedene Mitarbeiter*innen deuten also auf ein Strukturversagen?
Oft ist das so. Im Fall von Frau Dr. Doreen Richardt hat ja sogar der Gerichtssprecher in einem Fernsehinterview darauf hingewiesen, dass sich das Klinikum nicht vor die Oberärztin gestellt habe. Obwohl sich Dr. Richardt, laut Urteil, nichts zu Schulden hat kommen lassen. Das bedeutet, dass am UKSH Mechanismen zur Konfliktregulierung entweder ungenügend institutionalisiert sind oder aber, dass sie versagt haben.
Welche Möglichkeiten haben Mitarbeiter*innen in so einer Situation?
Strukturelle Probleme muss die Unternehmensführung lösen. Das ist nicht die Aufgabe der Mitarbeiter*innen und ihnen auch gar nicht möglich. Im eigenen Interesse kann man dann nur kündigen oder klagen. So etwas hinzunehmen, macht einen oft krank.
Existieren Zeichen dafür, ob man sich in einem neuen Job in ein gutes oder ein ungutes Führungsumfeld begibt?
Ein Unternehmen sollte seine Führungsgrundsätze niedergeschrieben haben und auch die Strukturen, die für Konfliktfälle vorgesehen sind, sollten transparent sein. Das vermittelt nicht nur den Mitarbeiter*innen Vertrauen. Es gibt auch den Führungskräften etwas an die Hand, an das sie sich halten können und müssen. Ein gutes Zeichen sind zum Beispiel feste Vorgaben für Feedbacks und Bewertungsgespräche – am besten solche, bei denen auch Führungskräfte von ihrem Team Rückmeldung erhalten. Gut ist es auch, wenn bei Streitfällen externe Moderatoren hinzugezogen werden. Darüber hinaus sind die Arbeitsbedingungen und die Leistungsbewertung wichtige Faktoren in der Zusammenarbeit. Wenn von den Mitarbeiter*innen Teamarbeit gefordert wird, aber das Vergütungssystem keine Teamprämie vorsieht, passt dies nicht zusammen. Hohe Arbeitsbelastung oder unsichere Arbeitsverhältnisse sind beispielsweise schwierige Bedingungen für Führungskraft und Mitarbeiter*innen. Nach dem Motto „It takes two to tango“ gehören zu guter Führung immer zwei, es geht um das Zusammenspiel. Hier zeigt sich wieder, wie wichtig in der Führung Selbstreflexion ist und die Fähigkeit, eine Aufgabe oder Situation auch einmal aus dem Blickwinkel anderer Menschen zu betrachten. Das hilft auch im Umgang mit Konflikten. Oft hört man dann, das seien weibliche Führungseigenschaften. Mit solchen Zuordnungen läuft man aber leicht Gefahr, Geschlechterstereotype zu bedienen. Gute Führung ist vor allem etwas, das man lernen kann.
Interview: Alexandra v. Knobloch
E-Mail: graml@fb3.fra-uas.de