Foto: © B. R. Basha

Mitmachen und weitersagen: Anregungen zum nachhaltigen ärztlichen (Be-)Handeln

Wären alle Gesundheitssektoren weltweit ein Land, hätte es Platz 5 der größten Verursacher von klimaschädlichen Gasen im weltweiten Ranking der Länder inne. Speziell in Deutschland entstehen ungefähr fünf Prozent aller CO2-Emissionen durch unser Gesundheitswesen, wie Klug e. V. in seinem „Rahmenwerk klima­gerechte Gesundheitseinrichtungen“ ausführt. Klima-Expert:innen halten einen Jahres-Pro-Kopf-Ausstoß von 400 Kilogramm an CO2-Äquivalent für die Inanspruchnahme des Gesundheitssystems für gerechtfertigt, was für eine bessere Gesundheit und Lebensqualität sorgt. In Deutschland liegt der Pro-Kopf-Wert jedoch – laut Health Care Climate Footprint Report – bei 700 Kilogramm und somit weit über dem Sinnvollen.

Annäherung an eine Lösung


Wir alle wissen, dass schon kleine, und oft sehr leicht erreichbare Veränderungen Verbesserungen des Befundes erzielen können. Im Bereich unseres medizinischen Handelns sind dies beispielsweise
  • das Abbestellen von ohnehin nicht gelesenen Medizinzeitschriften,
  • das Ablehnen von Produktmustern, die in der Praxis nicht verwendet werden (oder vielleicht gleich der Verzicht auf Besuche von Pharmareferent:innen?),
  • der sinnvolle Einsatz von Einmalhandschuhen, die zum Beispiel laut Robert Koch-Institut (RKI) beim Impfen nicht notwendig sind,
  • Verwenden von Großpackungen und Recycling-Produkten,
  • Reduktion des Papierverbrauchs durch Fax-PDF-Dokumente statt Ausdruck,
  • Nutzung von Strom aus regenerativen Energiequellen,
  • Umstellung auf LED-Beleuchtung.
Um aber eine deutliche Verringerung des Verbrauchs zu erzielen, sollten die Hauptquellen im eigenen Handlungsumfeld identifiziert werden. Wie sich der Energieverbrauch in einer durchschnittlichen ärztlichen Praxis zuordnen lässt, zeigt die Abbildung.

Durchschnittliche Verteilung des Energieverbrauchs in ärztlichen Praxen: Anteile in Prozent* angegeben

*Adaptiert nach Tennison et al.; 2021: Health care's response to climate change: a carbon footprint assessment of the NHS in England. The Lancet Planetary Health, Volume 5, e84-e92
Natürlich kann die Zuordnung im Einzelfall erheblich von der durchschnittlichen Verteilung abweichen. Wer hausärztlich oder internistisch arbeitet, kann durch zwei Maßnahmen schnell und effektiv das eigene berufliche Handeln klima- und patient:innenfreundlicher gestalten.

Zum einen Druckgas-Dosieraerosole (DA): Sie enthalten ein Treibgas mit einem extrem hohen Global-Warming-Potenzial. Die Umstellung von DA auf Pulverinhalatoren zur Therapie von Asthma und COPD spart erhebliche Mengen – rund 30 Mal weniger – an CO2-Äquivalent und erleichtert vielen Patien­t:innen gleichzeitig die Anwendung. Lediglich (kleine) Kinder und Menschen mit sehr niedrigem Atemzugvolumen
benötigen eventuell weiterhin ein DA. Genaue Hinweise gibt die DEGAM-S2k-Leitlinie „Klimabewusste Verordnung von Inhalativa“.

Medikamenten-Review

Aufwendiger, aber neben der CO2-Einsparung mit erheblichen Co-Benefits verbunden, ist der regelmäßige kritische Medikamenten-Review bei Polymedika­tion. Patient:innen profitieren von weniger unerwünschten Wirkungen, seltenerer Krankenhausbehandlung wegen Medikationsfehlern und weniger Stress durch die Koordination der Medikationseinnahme. Viele gute Tipps hierzu finden sich in den DEGAM-Leitlinien: Schutz vor Über- und Unterversorgung und Deprescribing bei Langzeittherapie mit Antidepressiva und Hypnotika in der Hausarztpraxis.

Ganz viele Anregungen für die Praxis finden Sie auch hier:
https://wilderness-international.org/co2-rechner-medizin oder:
https://klima-gesund-praxen.de/material/

Dr. med. Ulrike Berg ist Diplom-Betriebswirtin (BA) und Fachärztin für Allgemeinmedizin, Palliativmedizin und eine der beiden Vorsitzenden des Ausschusses „Klima und Gesundheit“ des DÄB.

E-Mail: klima@aerztinnenbund.de
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