Mutterschutz: Quo vadis?
43 Prozent der Medizinstudentinnen und Ärztinnen sehen ihre berufliche Entwicklung behindert, weil ihr Aufgabenbereich umgestaltet wird, sobald sie eine Schwangerschaft bekannt geben. Dieses Ergebnis einer Umfrage des DÄB ist besorgniserregend. Der Ärztinnenbund hat inzwischen mehrere Initiativen angestoßen, um die Situation zu bessern.
Seit 01. Januar 2018 ist das novellierte Mutterschutzgesetz in Kraft. Es sollte eine diskriminierungsfreie Teilhabe von schwangeren, stillenden und jüngst entbundenen Frauen an ihrem Arbeitsplatz bewirken. Allerdings werden nun schwangeren und stillenden Ärztinnen meist Tätigkeiten zugewiesen, die zum Teil berufsfremd und meistens nicht weiterbildungsrelevant sind. Viele werden sogar direkt ins Beschäftigungsverbot geschickt. Für manche Schwangere beginnt der Karriereknick bereits im Studium, weil sie bestimmte Kurse nicht mehr belegen können oder nicht mehr „am Patienten“ arbeiten dürfen.
Spielraum für WillkürJuristische Formulierungen im Gesetzestext sind nicht eindeutig und daher weit auslegbar. Das macht es für Arbeitgeber:innen schwer, Schwangere weiter zu beschäftigen – selbst bei fundierter Gefährdungsbeurteilung, gewissenhafter Umgestaltung der Arbeitsbedingungen und Einhaltung strenger Schutzmaßnahmen. Nicht selten halten beaufsichtigende Behörden Restrisiken für nicht gänzlich ausgeschlossen und bescheiden daher die Gefährdungsbeurteilung negativ. Noch komplizierter ist die Situation, weil die Bewertung in verschiedenen Regionen Deutschlands ganz unterschiedlich erfolgt – und zudem individuell davon abhängt, wer einen solchen Vorgang bearbeitet.
Der DÄB engagiert sich für die weiterbildungsrelevante Weiterbeschäftigung von schwangeren Ärztinnen, die bei normal verlaufender Schwangerschaft weiter mit Kontakt zu Patient:innen sicher tätig sein möchten. Wir sind im Bundes- ausschuss für Mutterschutz vertreten, der jedoch nur langfristig zu einem Ergebnis führen wird. Um schneller Verbesserungen zu erreichen, hat der DÄB im Sommer 2021 die Ärztekammern sowie Fach- und Berufsverbände zur Unterstützung unseres Anliegens aufgerufen. Die daraus entstandene Unterstützerliste findet sich auf der DÄB-Website.
Ende 2021 haben wir einen gemeinsamen Brief mit der Bundesärztekammer, dem Deutschen Pflegerat und dem Deutschen Hebammenverband an drei Bundesministerien (BMG, BAM, BMFSFJ) sowie an die gesundheitspolitischen Ausschüsse der Koalitionsparteien verschickt, um auf die Missstände aufmerksam zu machen. Kürzlich erfolgte zudem ein Aufruf, uns Positiv-Beispiele zu melden von Kliniken, Krankenhaus-Abteilungen und Arztpraxen, die den Mutterschutz im Sinne der schwangeren Frauen umsetzen. Ein solches Beispiel finden Sie auf S. 9. Ziel ist es, daraus eine Liste von Best-Practice-Beispielen zu erstellen, um damit auch anderen Arbeitgebern Vorbilder zu liefern, wie es zu schaffen ist, dass schwangere Ärztinnen gut geschützt ihrer Arbeit nachgehen können.
Wir fordern, dass notwendige Schutzmaßnahmen ergriffen werden, um die Arbeitsbedingungen gesundheitlich sicher zu gestalten und so eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Pauschale Beschäftigungsverbote müssen vermieden werden, um die Gesetzesnovelle ihrem Sinn gemäß umzusetzen.
Es besteht RechtsanspruchIn einer Zeit des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen ist es nicht hinnehmbar, dass hochmotivierte und gut ausgebildete Beschäftigte nicht weiterarbeiten dürfen, obwohl die Risikolage verantwortbar ist. Ein Nullrisiko existiert nirgendwo für Schwangere, folglich kann das kein Argument sein. Frauen aus der Retraditionalisierungsfalle holt nur, wer den Mutterschutz konsequent in den betrieblichen Arbeitsschutz integriert und Lösungen sucht. Auf einen Mutterschutz, der beiden Schutzanliegen gleichermaßen gerecht wird, haben Frauen einen Rechtsanspruch (S. 6 ff.). Staat und Gesellschaft sind in der Pflicht. Die Benachteiligung von Frauen, die das Gesundheitswesen maßgeblich stützen und am Laufen halten, muss enden.
E-Mail: barbara.schmeiser@aerztinnenbund.de