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Rassismuskritik gehört ins Medizinstudium!

Das Genfer Gelöbnis fordert von uns als (angehende) Ärzt:innen nicht zuzulassen, dass „Erwägungen von […] ethnischer Herkunft, […] Rasse […] oder jeglicher anderer Faktoren“ zwischen unsere Pflichten und unsere Patient:innen treten. Doch Diskriminierung und Rassismus sind gesamtgesellschaftlich tief verankerte Probleme, die auch in der Medizin zu Ungleichheit führen.

Rassismus: Schlecht für die Gesundheit


Rassismus führt als soziale Determinante von Gesundheit dazu, dass Betroffene von Rassismus häufiger an beispielsweise Herzinfarkten oder Depressionen erkranken und früher versterben. Der Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaDiRa) von 2023 zeigt, dass Betroffene in Deutschland häufiger den:die Ärzt:in wechseln, weil ihre Beschwerden nicht ernst genommen werden. Auch nehmen sie aus Sorge vor Rassismus Gesundheitsversorgung verzögert in Anspruch. Dabei ist davon auszugehen, dass die meisten Ärzt:innen nicht bewusst rassistisch handeln wollen. Umso wichtiger ist es, dass bereits im Medizinstudium vermittelt wird, was Rassismus ist und was dagegen getan werden kann.

Rassismuskritik im Medizinstudium

Eine Möglichkeit, Rassismuskritik im Medizinstudium zu verankern, bieten die Weiterentwicklung des Medizinstudiums im Rahmen des „Masterplans Medizinstudium 2020“ sowie die geplante Aktualisierung der Approbationsordnung. Der Natio­nale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM) soll die zentralen Lernziele für ein weiterentwickeltes Medizinstudium unter der noch zu verabschiedenden Approbationsordnung festhalten.

Der NKLM 2.0 sieht vor, dass Medizinstudierende lernen, Diskriminierung aus rassistischen Gründen zu erkennen und dagegen zu handeln. Jedoch zeigt sich in unserer Analyse, dass der Lernzielkatalog selbst durch sprachliche und begriffliche Ungenauigkeit Rassismus reproduziert und diskriminierende Tendenzen in der Lehre verstärken kann. Lernziele zu wichtigen rassimuskritischen Kompetenzen fehlen. So fehlt im deutschsprachigen Medizinstudium bislang weitestgehend eine kritische Beschäftigung mit der Beteiligung der akademischen Medizin an der Entwicklung und pseudowissenschaftlichen Begründung von Rassetheorien und ihrer Beteiligung an Verbrechen des Kolonialismus. Problematisch ist auch das verbreitete Missverständnis, dass es Menschenrassen im biologischen Sinne gäbe.

Ansatzpunkte für Rassismuskritik in Medizin und Gesundheitsversorgung

Im Medizinstudium sollte deshalb klargestellt werden, dass sich der vorrangig in den englischsprachigen Gesundheitswissenschaften verwendete Begriff „race“ nicht auf biologisch unterscheidbare Menschengruppen bezieht. Stattdessen stellt der Begriff eine sozial konstruierte Kategorie dar, die verwendet werden kann, um rassistische Diskriminierung zu erfassen. Die in Vorlesungsfolien immer wieder zu findende Übersetzung von „race“ in den deutschen Begriff „Rasse“ fördert ohne kritische Einordnung einen biologistischen Rassismus.

Weiterhin weist das Medizinstudium inhaltliche Leerstellen auf, die zur Vermittlung von medizinischer Rassismuskritik zu füllen sind: So ist dermatologisches Wissen über Hauterkrankungen auf dunklen Hauttönen noch eine Seltenheit in der Lehre. Auch fehlt Wissen über rassistische Vorurteile gegenüber verschiedenen „Kulturen“ und ihre Auswirkungen auf die medizinische Praxis, etwa in der Schmerzbehandlung. Die vollständige Analyse des NKLM 2.0 und unsere Vorschläge für die Berücksichtigung von Rassismuskritik in seiner Weiterentwicklung sind unter www.t.ly/c1_4O abrufbar.

Lena Honerkamp und Simon M. Gerhards sind Mitglieder der Studie­rendenorganisation „Medicine for Antiracist Action“, einem Projekt der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e. V. (bvmd), und haben zusammen mit Ronja Finke-Gori den NKLM 2.0 aus rassismuskritischer Perspektive analysiert. Lena Honerkamp ist Ärztin in Weiterbildung in der Viszeral- und Allgemeinchirurgie in Berlin. Simon M. Gerhards studiert Medizin in Oldenburg und erforscht in seiner Promotion die Perspektiven von Medizinstudierenden auf Rassismus.

E-Mail: maa@bvmd.de