Treffen der Regionalgruppe Lübeck zum Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“
Das Leben als Ärztin und Mutter ist ein ständiger Kompromiss – manchmal gelingt dieser Kompromiss besser, manchmal schlechter. Zu diesem Thema organisierte die Lübecker Regionalgruppe unter Federführung von Dr. Tonia Iblher am 25.1.2012 ein Treffen zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf „Ärztin“ in Lübeck – mit reger Beteiligung!
Die Ärztinnen Dr. Kerstin Marquardt (Allgemeinmedizin, Praxis), Antonia Reisser (Allgemeinmedizin/ Geriatrie, DRK Krankenhaus) Dr. Andrea Ortfeld (Kinderchirurgie, UKSH, Campus Lübeck) und Dr. Cornelia Liebau (Gynäkologie, Karolinska Universität, Stockholm) berichteten von ihrem persönlichen Spannungsfeld zwischen Familie und Beruf - von ihren Erfahrungen, von Fallstricken, Wünschen und Zielen.
Sehr unterschiedlich waren die geschilderten Lebensläufe – und verdeutlichten die niemals endende und immer wieder neue Suche nach einem möglichen Lebensweg. Deutlich wurde, dass dieser Lebensweg auch von vielen Zufällen abhängt, z.B. der Kinderbetreuung, dem Wohnort, den Chefs. Von idealistischen Vorstellungen sei es wichtig sich zu verabschieden – beruflich, wie privat! Dies auch, um nicht ein permanent schlechtes Gewissen zu haben – wofür auch? Beruflich sei es unerlässlich sich auf genaue Ziele zu fokussieren, hier könnte auch eine Mentorin oder ein Coach zur Seite stehen. Bemängelt wurden die teilweise katastrophalen organisatorischen und personellen Verhältnisse in den Kliniken und die manchmal fehlende Kollegialität. Bezüglich der Fort- und Weiterbildung wurde eine Anpassung der Fristen an Teilzeittätigkeit gefordert. Gewünscht wurde außerdem eine Kinderbetreuung sowie eine Kostenreduktion der Teilnahmegebühren der für die Fort- und Weiterbildung erforderlichen Kursen für Ärztinnen und Ärzte in Teilzeit oder während beruflicher Pause. Um das Familienleben am Laufen zu halten wurde der Zweitberuf als Terminkoordinatorin erwähnt und die Notwendigkeit eines intakten Netzwerkes betont.
Frau Dr. Liebau lebt – nach anfänglicher Berufstätigkeit in Deutschland - seit einigen Jahren in Schweden und zeigte sich bestürzt über die geschilderten Verhältnisse der Vorrednerinnen. Die großen Unterschiede zwischen deutschem und skandinavischem System lägen für sie vor allem in der flacheren Hierarchie der Kliniken und der ausgezeichneten Kinderbetreuung. So könne man in Schweden auch mit vier Kindern selbstverständlich Chefin werden. Zur Facharztausbildung gehöre unter anderem die Teilnahme an (von der Klinik bezahlten) Kursen zur Persönlichkeitsentwicklung, um Führungspositionen einnehmen zu können. Mütter und Väter kümmerten sich relativ gleichberechtigt um die Versorgung der Kinder und seien meist trotzdem beide in Vollzeit berufstätig. Ideal sei der garantierte und hoch subventionierte Kindergartenplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr des Kindes mit Betreuungszeiten von 8-18 Uhr mit einem Kostenaufwand für die Eltern von ca. €150/monatlich.
Hintergrundinformationen zu den Rechten und Pflichten als Arbeitnehmerinnen während der Schwangerschaft und mit Kindern wurden im Vortrag der Gleichtstellungsbeauftragte des UKSH, Campus Lübeck, Ariane Weigelt gegeben. Sie betonte, die Zeiten seien insgesamt aufgrund des Ärztemangels günstig, man könne immer mehr Chefs von Teilzeitstellen überzeugen. Sie empfahl folgenden Aspekt im Vorstellungsgespräch anzusprechen: Was biete ich und was fordere ich? Täglich beispielsweise um Punkt 12 Uhr die Klinik zu verlassen sei unrealistisch. Ein Modell vorzustellen, an drei Tagen pünktlich zu gehen, an 2 Tagen dafür flexibler arbeiten zu können sei für alle Beteiligten realistischer.
Die sich anschließende, sehr lebhafte Podiumsdiskussion wurde von Professor Marianne Schrader geleitet. Rund 40 Teilnehmerinnen tauschten sich über ihre Erfahrungen aus. Unter anderem wurde auch der provokanten These von Frau Dr. Liebau nachgegangen, ob die deutschen Ärztinnen sich zu sehr ausbeuten, zu viel gefallen ließen – vielmehr sollten sie aufstehen und kämpfen! Schnell wurde deutlich, dass Kampfgeist wichtig sei - aber politisches und übergreifendes Engagement alleine neben beruflicher und familiärer Belastung kaum möglich. Hier könnte beispielsweise der Ärztinnenbund eine gemeinsame Plattform für Austausch und Aufbruch bieten.
Bedanken möchte sich die Lübecker Regionalgruppe bei dem Verein „Frauen fördern die Gesundheit e.V.“, der die Reisekosten für Frau Dr. Liebau aus Schweden übernommen hat - der Vortragsabend war durch den deutsch-skandinavischen Vergleich sehr bereichert.
Tonia Iblher
Information:
Anlass für das Treffen war der Artikel aus dem Deutschen Ärzteblatt 2011, 108(23):
Ärztemangel in den Krankenhäusern: Attraktiv durch Teilzeitangebote. Claudia Dinkelacker und Tonia Iblher. Nachzulesen im Archiv unter www.aerzteblatt.de.
Die Ärztinnen Dr. Kerstin Marquardt (Allgemeinmedizin, Praxis), Antonia Reisser (Allgemeinmedizin/ Geriatrie, DRK Krankenhaus) Dr. Andrea Ortfeld (Kinderchirurgie, UKSH, Campus Lübeck) und Dr. Cornelia Liebau (Gynäkologie, Karolinska Universität, Stockholm) berichteten von ihrem persönlichen Spannungsfeld zwischen Familie und Beruf - von ihren Erfahrungen, von Fallstricken, Wünschen und Zielen.
Sehr unterschiedlich waren die geschilderten Lebensläufe – und verdeutlichten die niemals endende und immer wieder neue Suche nach einem möglichen Lebensweg. Deutlich wurde, dass dieser Lebensweg auch von vielen Zufällen abhängt, z.B. der Kinderbetreuung, dem Wohnort, den Chefs. Von idealistischen Vorstellungen sei es wichtig sich zu verabschieden – beruflich, wie privat! Dies auch, um nicht ein permanent schlechtes Gewissen zu haben – wofür auch? Beruflich sei es unerlässlich sich auf genaue Ziele zu fokussieren, hier könnte auch eine Mentorin oder ein Coach zur Seite stehen. Bemängelt wurden die teilweise katastrophalen organisatorischen und personellen Verhältnisse in den Kliniken und die manchmal fehlende Kollegialität. Bezüglich der Fort- und Weiterbildung wurde eine Anpassung der Fristen an Teilzeittätigkeit gefordert. Gewünscht wurde außerdem eine Kinderbetreuung sowie eine Kostenreduktion der Teilnahmegebühren der für die Fort- und Weiterbildung erforderlichen Kursen für Ärztinnen und Ärzte in Teilzeit oder während beruflicher Pause. Um das Familienleben am Laufen zu halten wurde der Zweitberuf als Terminkoordinatorin erwähnt und die Notwendigkeit eines intakten Netzwerkes betont.
Frau Dr. Liebau lebt – nach anfänglicher Berufstätigkeit in Deutschland - seit einigen Jahren in Schweden und zeigte sich bestürzt über die geschilderten Verhältnisse der Vorrednerinnen. Die großen Unterschiede zwischen deutschem und skandinavischem System lägen für sie vor allem in der flacheren Hierarchie der Kliniken und der ausgezeichneten Kinderbetreuung. So könne man in Schweden auch mit vier Kindern selbstverständlich Chefin werden. Zur Facharztausbildung gehöre unter anderem die Teilnahme an (von der Klinik bezahlten) Kursen zur Persönlichkeitsentwicklung, um Führungspositionen einnehmen zu können. Mütter und Väter kümmerten sich relativ gleichberechtigt um die Versorgung der Kinder und seien meist trotzdem beide in Vollzeit berufstätig. Ideal sei der garantierte und hoch subventionierte Kindergartenplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr des Kindes mit Betreuungszeiten von 8-18 Uhr mit einem Kostenaufwand für die Eltern von ca. €150/monatlich.
Hintergrundinformationen zu den Rechten und Pflichten als Arbeitnehmerinnen während der Schwangerschaft und mit Kindern wurden im Vortrag der Gleichtstellungsbeauftragte des UKSH, Campus Lübeck, Ariane Weigelt gegeben. Sie betonte, die Zeiten seien insgesamt aufgrund des Ärztemangels günstig, man könne immer mehr Chefs von Teilzeitstellen überzeugen. Sie empfahl folgenden Aspekt im Vorstellungsgespräch anzusprechen: Was biete ich und was fordere ich? Täglich beispielsweise um Punkt 12 Uhr die Klinik zu verlassen sei unrealistisch. Ein Modell vorzustellen, an drei Tagen pünktlich zu gehen, an 2 Tagen dafür flexibler arbeiten zu können sei für alle Beteiligten realistischer.
Die sich anschließende, sehr lebhafte Podiumsdiskussion wurde von Professor Marianne Schrader geleitet. Rund 40 Teilnehmerinnen tauschten sich über ihre Erfahrungen aus. Unter anderem wurde auch der provokanten These von Frau Dr. Liebau nachgegangen, ob die deutschen Ärztinnen sich zu sehr ausbeuten, zu viel gefallen ließen – vielmehr sollten sie aufstehen und kämpfen! Schnell wurde deutlich, dass Kampfgeist wichtig sei - aber politisches und übergreifendes Engagement alleine neben beruflicher und familiärer Belastung kaum möglich. Hier könnte beispielsweise der Ärztinnenbund eine gemeinsame Plattform für Austausch und Aufbruch bieten.
Bedanken möchte sich die Lübecker Regionalgruppe bei dem Verein „Frauen fördern die Gesundheit e.V.“, der die Reisekosten für Frau Dr. Liebau aus Schweden übernommen hat - der Vortragsabend war durch den deutsch-skandinavischen Vergleich sehr bereichert.
Tonia Iblher
Information:
Anlass für das Treffen war der Artikel aus dem Deutschen Ärzteblatt 2011, 108(23):
Ärztemangel in den Krankenhäusern: Attraktiv durch Teilzeitangebote. Claudia Dinkelacker und Tonia Iblher. Nachzulesen im Archiv unter www.aerzteblatt.de.