Vereinbarkeit: Ein Problem und viele Lösungen – auch für Männer
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird in der Medizin zunehmend auch für Männer ein Thema und die Personalabteilungen von Kliniken erkennen allmählich, dass sie ihre Angebote für beide Geschlechter ändern müssen, um ihre Stellen zu besetzen. Werden männliche Ärzte und weibliche Ärzte unterschiedlich behandelt, wenn sie nach Teilzeit fragen? Hier mehrere Erfahrungsberichte.
Ich habe in den vergangenen Jahren mehrere handfeste Beispiele zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Ärztin oder Arzt gesammelt. Mir ist es wichtig, von diesen Fällen zu berichten und zu motivieren, dass wir uns weiter dafür einsetzen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und neue Wege mit flexiblen Arbeitszeitmodellen zu gehen. Ich denke, dass der Austausch von persönlichen Erfahrungen dabei eine entscheidende Rolle spielt und uns weiterhilft, um von anderen zu lernen.
Teilzeit nimmt zu
Laut einem Evaluationsbericht der KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung) arbeiteten 2018 41 Prozent der Ärzt:innen in Teilzeit. In der Weiterbildung zur Allgemeinmedizin arbeiten 63 Prozent in Vollzeit, der Rest in Teilzeit. In den übrigen Fachrichtungen hatte sich das Verhältnis bereits umgedreht und es arbeiten nur 46 Prozent in Vollzeit und 54 Prozent in Teilzeit. Dabei sind es überwiegend Frauen, die ihre Arbeitszeit herunterfahren. In der Allgemeinmedizin sind die Teilzeitstellen zu 87 Prozent von Frauen besetzt, in den anderen Fachgruppen sind es sogar 92 Prozent. Zum Teil lässt sich das damit erklären, dass insgesamt der Anteil der Frauen in der Medizin zunimmt; so sind 72 Prozent der Ärzte in Weiterbildung weiblich.
Die Apobank beschäftigte sich im Mai 2019 in der Studie mit dem Titel „Kind und Kittel“ mit der Frage, welche Arbeitsformen Familie und Beruf am besten zusammengehen lassen. Dabei stuften 84 Prozent der Befragten eine Berufsausübungsgemeinschaft und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) als die familienfreundlichste Option ein. Die Anstellung als Fachärzt:in wird immerhin noch von 32 Prozent als familienfreundlich wahrgenommen, während Stellen als Oberärzt:in oder Chefärzt:in lediglich 24 beziehungsweise 27 Prozent als solche bewerteten.
Männer fühlen sich freier
Bei der Umfrage bestätigten 42 Prozent der Frauen, dass sie viel häufiger das Gefühl haben, sich im Laufe ihrer Karriere zwischen Kind und Beruf entscheiden zu müssen. Bei den Männern waren es nur 18 Prozent, die diese Einstellung teilten.
Doch wie müssen Teilzeitmodelle in der Klinik aussehen, die praktikabel sind, welche Ansprüche müssen sie erfüllen sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber? Dazu habe ich mit verschiedenen Ärzt:innen aus unterschiedlichen Kliniken und Fachrichtungen gesprochen. Interessant zu beobachten finde ich, dass alle Kliniken mit denselben Problemen kämpfen. Die einen haben durch Flexibilität und Innovation bessere Lösungen gefunden als andere.
Ärztin in der Allgemeinchirurgie
Anke, Fachärztin in der Allgemeinchirurgie mit einem Sohn, berichtete, dass sie insgesamt sehr glücklich sei mit ihrer Teilzeitlösung. Sie rechnet ihrem Chef sehr hoch an, dass es ihr völlig freigestellt wurde, mit wie viel Prozent und welcher Aufteilung sie aus der Elternzeit zurückkehre. Sie hat sich für ein 60-Prozent-Modell entschieden. Dabei arbeitet sie drei Tage die Woche von 7:00 Uhr bis 15:30 Uhr. Anke hat das Gefühl, dass es auf diese Weise für sie bestmöglich klappt, Mutter und zugleich Ärztin zu sein. Sie konnte sich ihre Arbeitsstunden so einteilen, wie es für sie und die Familie passt. Das ist sicherlich nicht die Regel. Außerdem schafft sie es weiterhin, operativ tätig zu sein, obwohl sie keine ganzen Tage in der Klinik ist. Das wiederum zeigt, dass auch dieser Weg möglich ist.
Natürlich muss Anke einige Abstriche machen. So kann sie zum Beispiel die Operationen aus dem Tagesgeschäft nicht übernehmen, da diese erst am frühen Nachmittag beginnen. Auch werde sie bei den elektiven Operationen, die morgens und vormittags laufen, teilweise weniger eingeteilt. Andere Kollegen würden dadurch insgesamt mehr operieren und häufiger auf dem OP-Plan berücksichtigt werden.
Arbeit hat sich verändert
Durch die Teilzeitstelle, berichtet sie, ist sie mit der Zeit zu einem Springer geworden und rotiert viel durch die Stationen, die Ambulanz oder den OP. Anke konstatiert: Würde sie ganze Tage arbeiten, wäre es leichter im Beruf. Aber die KiTa-Öffnungszeiten lassen es nicht zu. Trotzdem findet sie ihre persönliche Bilanz sehr stimmig, weil sie wichtige Ziele für sich erreicht hat: die Arbeitszeit bestmöglich einzuteilen und operativ tätig zu bleiben.
Schwierig ist es aber für die Kolleg:innen, die jene 40 Prozent Zeit auffangen müssen, die durch ihre Teilzeit wegfallen. Denn die Reststelle wurde nicht besetzt. Insgesamt, berichtet Anke, gibt es drei Ärztinnen, die über jeweils 100-Prozent-Stellen laufen, aber in Teilzeit tätig sind. Dadurch entstehen Lücken. Das Argument vom Chef sei, dass es sein könnte, dass die Teilzeitkraft wieder auf Vollzeit aufstocken möchte, dann müsse er das ermöglichen und könne darum nicht den restlichen Teil ihrer Stellen besetzen.
Weniger, dafür schneller arbeiten
Anke versucht, ihre Lücke für die Kolleg:innen zu kompensieren, indem sie beispielsweise die Arbeit auf der Station in der kürzeren Zeit bewältigt. Wenn sie gehe, sei die Station fertig. Trotzdem bleibt den Vollzeitkolleg:innen mehr Arbeit in anderen Stellenanteilen. Anke glaubt, das Modell funktioniere in der Klinik vor allem deshalb, da es sich in der Abteilung um ein sehr gutes Team handele, was zusammenhält, sehr kollegial miteinander umgehe und versuche, jeden zu unterstützen.
Trotzdem gebe es manchmal einen etwas bitteren Beigeschmack bei den anderen Teammitgliedern und so kommt von den männlichen Ärzten auch mal eine spitze Bemerkung mit einem Augenzwinkern wie „Hast du morgen deinen Hausfrauentag?“, wenn sie am nächsten Tag frei hat. Die Frauen würden das besser akzeptieren, weil sie vielleicht in wenigen Jahren selbst in der Situation sein könnten. Die Männer dächten über Teilzeit in der chirurgischen Abteilung hingegen nicht nach.
Teilzeitmodelle bei den Oberarztstellen gibt es keine und das sei auch ausdrücklich nicht gewünscht vom Chef.
Oberarzt mit Teilzeitwunsch
Doch wie steht es um Teilzeitmodelle bei Männern? Das Ärzteblatt berichtete 2020, in Kliniken und Praxen arbeiteten im Jahre 2019 nur 11 Prozent aller männlichen Arbeitnehmer in Teilzeit, im Jahre 2014 waren es sogar nur 8 Prozent.
Matthias, Oberarzt in der Urologie einer Uniklinik, war der erste männliche Oberarzt dort, der sich eine Teilzeitstelle wünschte. Er arbeitete damals seit über zehn Jahren dort, war, als er seinen Wunsch vortrug, bereits Oberarzt und wünschte sich eine unbefristete Stelle. Zugleich wollte er nur 80 Prozent arbeiten, wenn seine Frau aus der Elternzeit zurückkehre. Denn diese wollte in Vollzeit wieder einsteigen, um ihre assistenzärztliche Zeit abzuschließen. Intern hatten sie beschlossen, dass Matthias mit seinem Mehr an Familienzeit die kleine Tochter nachmittags nach der Arbeit rechtzeitig von der KiTa abhole.
Offenheit als Nachteil
Er entschied sich, das Thema zum einen sehr frühzeitig, bereits gut ein Jahr vor der geplanten Umsetzung, anzusprechen, damit die Klinik ausreichend Zeit habe, das Organisatorische zu regeln. Außerdem sprach er in dem Gespräch den Wunsch nach einer Entfristung nach über 10-jähriger Tätigkeit an der Klinik an. Er entschied sich damals bewusst, nicht erst die Entfristung zu verlangen und dann die Teilzeit einzureichen, da er dies für eine nicht ehrliche Kommunikation hielt. Im Nachhinein wahrscheinlich eine Fehlentscheidung, meint er jetzt.
Letztendlich war die Reaktion vom Chef auf das Anliegen einer Stellenreduktion: „Das finde ich nicht so toll, aber jetzt schauen wir erstmal und warten ab.“ Es passierte zunächst gar nichts mehr. Das Anliegen wurde ignoriert. Als Matthias nach über einem halben Jahr erneut den Wunsch nach einer Entfristung äußerte, war die Antwort: „Ja, sicher: die Entfristung. Das mit der Teilzeitstelle hat sich doch erledigt, oder?“ Da es sich mit der Teilzeitstelle nicht erledigt hatte, kam das Argument, dass unter diesen Umständen eine Entfristung nicht möglich sei. Konkrete Gründe wurden nicht genannt. So erhielt Matthias am Ende nur einen 2-Jahres-Vertrag – aber auch seine 80-Prozent-Stelle. Beschränkt wurde die Teilzeitanstellung jedoch zunächst auf ein Jahr.
Man gewöhnt sich dran
Rückblickend meint Matthias, dass dies für den Chef, aber auch für die Klinik anfangs unerwartet und auch ungewohnt gewesen sei. Aber es habe sich alles wunderbar eingespielt und funktioniere sehr gut. Benachteiligt fühle er sich in der Klinik nicht und stoße mittlerweile auf Akzeptanz. Das zeigt, nach seiner Einschätzung, dass zuvor viele Vorurteile und Ängste bestanden, die sich nicht bestätigt haben.
Die Uniklinik bietet mittlerweile befristete Teilzeitverträge an. Somit können Arbeitnehmende für eine bestimmte Zeit ihre Stelle reduzieren, für diese Zeit einen befristeten Teilzeitvertrag abschließen und die Führungskräfte haben Planungssicherheit. Sie können beispielsweise bei zwei Mitarbeitenden, die auf 80 Prozent reduzieren, die restlichen Stellenanteile mit einer neuen 40-Prozent-Kraft besetzen. Nach Ablauf der befristeten Verträge lässt sich die Stelle wieder aufstocken. Trotzdem ist es ein deutlich vermehrter Arbeitsaufwand und eine große Herausforderung für die Personalplanung und es gibt sicher viele Fälle, bei denen das Konzept noch nicht optimal aufgeht. Mit mehr Routine und Erfahrung entstehen jedoch mehr Ideen, um gut damit umzugehen.
Eine andere positive Erfahrung von Männern kommt aus der Unfallchirurgie: Niklas wollte seine Stelle auf 90 Prozent einschränken. Die Zeit brauchte er, um sein Kind freitags früher aus der KiTa abzuholen, wenn seine Frau länger in der Klinik war. Außerdem wollte er es mittwochs in die KiTa bringen, wenn seine Frau aus dem Dienst kommt und es darum nicht schafft wie an den restlichen Wochentagen. Er ging mit einem konkreten Plan zum Chef. Dabei hatte er große Sorge, auf Widerstand und Ablehnung zu stoßen. Denn auch er war der erste Mann. Doch sein Chef stimmte ohne Probleme zu.
Die Beispiele zeigen, dass sich in der Akzeptanz von Teilzeitmodellen bei Männern einiges weiterentwickelt, auch wenn die Modelle noch lange kein Alltag geworden sind. Anfängliche Vorurteile können durch die positive Erfahrung abgebaut werden. Aber es zeigt auch, dass es hilfreich ist, mit konkreten und strukturierten Überlegungen an die Chefärzte oder -ärztinnen heranzutreten. Deshalb ist ein Austausch von Erfahrungen wichtig, um sich vorab zu informieren und klare Vorstellungen zu haben, welche Lösungen in der eigenen Klinik praktikabel sein könnten. Das gilt für Frauen und Männer.
E-Mail: lindameyer1212@gmail.com
Teilzeit nimmt zu
Laut einem Evaluationsbericht der KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung) arbeiteten 2018 41 Prozent der Ärzt:innen in Teilzeit. In der Weiterbildung zur Allgemeinmedizin arbeiten 63 Prozent in Vollzeit, der Rest in Teilzeit. In den übrigen Fachrichtungen hatte sich das Verhältnis bereits umgedreht und es arbeiten nur 46 Prozent in Vollzeit und 54 Prozent in Teilzeit. Dabei sind es überwiegend Frauen, die ihre Arbeitszeit herunterfahren. In der Allgemeinmedizin sind die Teilzeitstellen zu 87 Prozent von Frauen besetzt, in den anderen Fachgruppen sind es sogar 92 Prozent. Zum Teil lässt sich das damit erklären, dass insgesamt der Anteil der Frauen in der Medizin zunimmt; so sind 72 Prozent der Ärzte in Weiterbildung weiblich.
Die Apobank beschäftigte sich im Mai 2019 in der Studie mit dem Titel „Kind und Kittel“ mit der Frage, welche Arbeitsformen Familie und Beruf am besten zusammengehen lassen. Dabei stuften 84 Prozent der Befragten eine Berufsausübungsgemeinschaft und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) als die familienfreundlichste Option ein. Die Anstellung als Fachärzt:in wird immerhin noch von 32 Prozent als familienfreundlich wahrgenommen, während Stellen als Oberärzt:in oder Chefärzt:in lediglich 24 beziehungsweise 27 Prozent als solche bewerteten.
Männer fühlen sich freier
Bei der Umfrage bestätigten 42 Prozent der Frauen, dass sie viel häufiger das Gefühl haben, sich im Laufe ihrer Karriere zwischen Kind und Beruf entscheiden zu müssen. Bei den Männern waren es nur 18 Prozent, die diese Einstellung teilten.
Doch wie müssen Teilzeitmodelle in der Klinik aussehen, die praktikabel sind, welche Ansprüche müssen sie erfüllen sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber? Dazu habe ich mit verschiedenen Ärzt:innen aus unterschiedlichen Kliniken und Fachrichtungen gesprochen. Interessant zu beobachten finde ich, dass alle Kliniken mit denselben Problemen kämpfen. Die einen haben durch Flexibilität und Innovation bessere Lösungen gefunden als andere.
Ärztin in der Allgemeinchirurgie
Anke, Fachärztin in der Allgemeinchirurgie mit einem Sohn, berichtete, dass sie insgesamt sehr glücklich sei mit ihrer Teilzeitlösung. Sie rechnet ihrem Chef sehr hoch an, dass es ihr völlig freigestellt wurde, mit wie viel Prozent und welcher Aufteilung sie aus der Elternzeit zurückkehre. Sie hat sich für ein 60-Prozent-Modell entschieden. Dabei arbeitet sie drei Tage die Woche von 7:00 Uhr bis 15:30 Uhr. Anke hat das Gefühl, dass es auf diese Weise für sie bestmöglich klappt, Mutter und zugleich Ärztin zu sein. Sie konnte sich ihre Arbeitsstunden so einteilen, wie es für sie und die Familie passt. Das ist sicherlich nicht die Regel. Außerdem schafft sie es weiterhin, operativ tätig zu sein, obwohl sie keine ganzen Tage in der Klinik ist. Das wiederum zeigt, dass auch dieser Weg möglich ist.
Natürlich muss Anke einige Abstriche machen. So kann sie zum Beispiel die Operationen aus dem Tagesgeschäft nicht übernehmen, da diese erst am frühen Nachmittag beginnen. Auch werde sie bei den elektiven Operationen, die morgens und vormittags laufen, teilweise weniger eingeteilt. Andere Kollegen würden dadurch insgesamt mehr operieren und häufiger auf dem OP-Plan berücksichtigt werden.
Arbeit hat sich verändert
Durch die Teilzeitstelle, berichtet sie, ist sie mit der Zeit zu einem Springer geworden und rotiert viel durch die Stationen, die Ambulanz oder den OP. Anke konstatiert: Würde sie ganze Tage arbeiten, wäre es leichter im Beruf. Aber die KiTa-Öffnungszeiten lassen es nicht zu. Trotzdem findet sie ihre persönliche Bilanz sehr stimmig, weil sie wichtige Ziele für sich erreicht hat: die Arbeitszeit bestmöglich einzuteilen und operativ tätig zu bleiben.
Schwierig ist es aber für die Kolleg:innen, die jene 40 Prozent Zeit auffangen müssen, die durch ihre Teilzeit wegfallen. Denn die Reststelle wurde nicht besetzt. Insgesamt, berichtet Anke, gibt es drei Ärztinnen, die über jeweils 100-Prozent-Stellen laufen, aber in Teilzeit tätig sind. Dadurch entstehen Lücken. Das Argument vom Chef sei, dass es sein könnte, dass die Teilzeitkraft wieder auf Vollzeit aufstocken möchte, dann müsse er das ermöglichen und könne darum nicht den restlichen Teil ihrer Stellen besetzen.
Weniger, dafür schneller arbeiten
Anke versucht, ihre Lücke für die Kolleg:innen zu kompensieren, indem sie beispielsweise die Arbeit auf der Station in der kürzeren Zeit bewältigt. Wenn sie gehe, sei die Station fertig. Trotzdem bleibt den Vollzeitkolleg:innen mehr Arbeit in anderen Stellenanteilen. Anke glaubt, das Modell funktioniere in der Klinik vor allem deshalb, da es sich in der Abteilung um ein sehr gutes Team handele, was zusammenhält, sehr kollegial miteinander umgehe und versuche, jeden zu unterstützen.
Trotzdem gebe es manchmal einen etwas bitteren Beigeschmack bei den anderen Teammitgliedern und so kommt von den männlichen Ärzten auch mal eine spitze Bemerkung mit einem Augenzwinkern wie „Hast du morgen deinen Hausfrauentag?“, wenn sie am nächsten Tag frei hat. Die Frauen würden das besser akzeptieren, weil sie vielleicht in wenigen Jahren selbst in der Situation sein könnten. Die Männer dächten über Teilzeit in der chirurgischen Abteilung hingegen nicht nach.
Teilzeitmodelle bei den Oberarztstellen gibt es keine und das sei auch ausdrücklich nicht gewünscht vom Chef.
Oberarzt mit Teilzeitwunsch
Doch wie steht es um Teilzeitmodelle bei Männern? Das Ärzteblatt berichtete 2020, in Kliniken und Praxen arbeiteten im Jahre 2019 nur 11 Prozent aller männlichen Arbeitnehmer in Teilzeit, im Jahre 2014 waren es sogar nur 8 Prozent.
Matthias, Oberarzt in der Urologie einer Uniklinik, war der erste männliche Oberarzt dort, der sich eine Teilzeitstelle wünschte. Er arbeitete damals seit über zehn Jahren dort, war, als er seinen Wunsch vortrug, bereits Oberarzt und wünschte sich eine unbefristete Stelle. Zugleich wollte er nur 80 Prozent arbeiten, wenn seine Frau aus der Elternzeit zurückkehre. Denn diese wollte in Vollzeit wieder einsteigen, um ihre assistenzärztliche Zeit abzuschließen. Intern hatten sie beschlossen, dass Matthias mit seinem Mehr an Familienzeit die kleine Tochter nachmittags nach der Arbeit rechtzeitig von der KiTa abhole.
Offenheit als Nachteil
Er entschied sich, das Thema zum einen sehr frühzeitig, bereits gut ein Jahr vor der geplanten Umsetzung, anzusprechen, damit die Klinik ausreichend Zeit habe, das Organisatorische zu regeln. Außerdem sprach er in dem Gespräch den Wunsch nach einer Entfristung nach über 10-jähriger Tätigkeit an der Klinik an. Er entschied sich damals bewusst, nicht erst die Entfristung zu verlangen und dann die Teilzeit einzureichen, da er dies für eine nicht ehrliche Kommunikation hielt. Im Nachhinein wahrscheinlich eine Fehlentscheidung, meint er jetzt.
Letztendlich war die Reaktion vom Chef auf das Anliegen einer Stellenreduktion: „Das finde ich nicht so toll, aber jetzt schauen wir erstmal und warten ab.“ Es passierte zunächst gar nichts mehr. Das Anliegen wurde ignoriert. Als Matthias nach über einem halben Jahr erneut den Wunsch nach einer Entfristung äußerte, war die Antwort: „Ja, sicher: die Entfristung. Das mit der Teilzeitstelle hat sich doch erledigt, oder?“ Da es sich mit der Teilzeitstelle nicht erledigt hatte, kam das Argument, dass unter diesen Umständen eine Entfristung nicht möglich sei. Konkrete Gründe wurden nicht genannt. So erhielt Matthias am Ende nur einen 2-Jahres-Vertrag – aber auch seine 80-Prozent-Stelle. Beschränkt wurde die Teilzeitanstellung jedoch zunächst auf ein Jahr.
Man gewöhnt sich dran
Rückblickend meint Matthias, dass dies für den Chef, aber auch für die Klinik anfangs unerwartet und auch ungewohnt gewesen sei. Aber es habe sich alles wunderbar eingespielt und funktioniere sehr gut. Benachteiligt fühle er sich in der Klinik nicht und stoße mittlerweile auf Akzeptanz. Das zeigt, nach seiner Einschätzung, dass zuvor viele Vorurteile und Ängste bestanden, die sich nicht bestätigt haben.
Die Uniklinik bietet mittlerweile befristete Teilzeitverträge an. Somit können Arbeitnehmende für eine bestimmte Zeit ihre Stelle reduzieren, für diese Zeit einen befristeten Teilzeitvertrag abschließen und die Führungskräfte haben Planungssicherheit. Sie können beispielsweise bei zwei Mitarbeitenden, die auf 80 Prozent reduzieren, die restlichen Stellenanteile mit einer neuen 40-Prozent-Kraft besetzen. Nach Ablauf der befristeten Verträge lässt sich die Stelle wieder aufstocken. Trotzdem ist es ein deutlich vermehrter Arbeitsaufwand und eine große Herausforderung für die Personalplanung und es gibt sicher viele Fälle, bei denen das Konzept noch nicht optimal aufgeht. Mit mehr Routine und Erfahrung entstehen jedoch mehr Ideen, um gut damit umzugehen.
Eine andere positive Erfahrung von Männern kommt aus der Unfallchirurgie: Niklas wollte seine Stelle auf 90 Prozent einschränken. Die Zeit brauchte er, um sein Kind freitags früher aus der KiTa abzuholen, wenn seine Frau länger in der Klinik war. Außerdem wollte er es mittwochs in die KiTa bringen, wenn seine Frau aus dem Dienst kommt und es darum nicht schafft wie an den restlichen Wochentagen. Er ging mit einem konkreten Plan zum Chef. Dabei hatte er große Sorge, auf Widerstand und Ablehnung zu stoßen. Denn auch er war der erste Mann. Doch sein Chef stimmte ohne Probleme zu.
Die Beispiele zeigen, dass sich in der Akzeptanz von Teilzeitmodellen bei Männern einiges weiterentwickelt, auch wenn die Modelle noch lange kein Alltag geworden sind. Anfängliche Vorurteile können durch die positive Erfahrung abgebaut werden. Aber es zeigt auch, dass es hilfreich ist, mit konkreten und strukturierten Überlegungen an die Chefärzte oder -ärztinnen heranzutreten. Deshalb ist ein Austausch von Erfahrungen wichtig, um sich vorab zu informieren und klare Vorstellungen zu haben, welche Lösungen in der eigenen Klinik praktikabel sein könnten. Das gilt für Frauen und Männer.
E-Mail: lindameyer1212@gmail.com