Foto: © Anatoli Oskin, Universität Augsburg

Weiterbeschäftigung schwangerer Ärztinnen: Es braucht noch mehr Vorbilder

Die Frage nach der Möglichkeit der Weiterbeschäftigung schwangerer Ärztinnen in Deutschland ist insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels ein wichtiges Thema, auch in Hautarztpraxen und -kliniken. Die Dermatologie hat schon einiges geleistet, stellt die Autorin fest, doch als Normalfall gilt eine uneingeschränkte ärztliche Tätigkeit in der Schwangerschaft noch nicht.

Die Dermatologie ist zwar ein sogenanntes kleines Fach, deckt aber eine große Breite an unterschiedlichen konservativ und operativ zu behandelnden Krankheiten ab. Hierzu gehören die Allergologie, die Immunologie, Hautinfektionen, die Dermato-Chirurgie und die Dermato-Onkologie. Auch patientenferne diagnostische Tätigkeiten wie die Dermato-Histopathologie und die Teledermatologie gehören zum Spektrum des Faches. Diese Vielfalt kann ein Risiko für schwangere Ärztinnen darstellen, da wir oft die gesamte Breite abdecken müssen und nicht immer wissen, was uns erwartet. Sie bietet aber auch Chancen, durch eine Auswahl eine gefährdungsarme Weiterbeschäftigung bis zur Mutterschutzzeit und einen schnellen Wiedereinstieg zu ermöglichen. Dies erspart insbesondere den Weiterbildungsassistentinnen größere Unterbrechungen und dadurch eine Verlängerung der Weiterbildungszeit.

Rechtliche Grundlagen

Nach § 3 MuSchG dürfen Schwangere nicht in Bereichen beschäftigt werden, in denen sie einer Gefährdung für sich oder das ungeborene Kind ausgesetzt sind. Dies bedeutet, dass bestimmte Tätigkeiten in Hautkliniken und Praxen für schwangere Ärztinnen problematisch sein können, wie beispielsweise Laserbehandlungen mit potenziell infektiösen Aerosolen, die Verabreichung zytotoxischer Medikamente oder der Kontakt zu Patient:innen mit unklarem Infektionsstatus.

Allerdings ist eine pauschale Aussage über die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung schwangerer Ärztinnen in der Dermatologie nicht gerechtfertigt. Es ist möglich, geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um die Gesundheit von Mutter und Kind zu gewährleisten. Dies kann beispielsweise durch die Reduzierung der Exposition gegenüber potenziell gefährlichen Substanzen und insbesondere die Anpassung der Einsatzbereiche erreicht werden.

Praktische Umsetzung

Die Weiterbeschäftigung schwangerer Ärztinnen ist in Hautkliniken und Praxen eine Herausforderung, die eine sorgfältige Planung erfordert, aber relativ einfach gemeistert werden kann. Es ist wichtig, dass die Klinik- oder Praxisleitung und die schwangere Mitarbeiterin gemeinsam eine individuelle Gefährdungsanalyse erstellen und Tätigkeiten definieren, die gefährdungsarm sind. Dazu gehört dann auch während der Schwangerschaft die regelmäßige Überprüfung der Arbeitsbedingungen und die Anpassung von Aufgaben, um Risiken zu minimieren.

Unproblematisch ist der Einsatz in patientenfernen Bereichen wie der Histologiebefundung, in den meisten Forschungsgebieten, in der Lehre oder der Teledermatologie. Auch die elek-tive Versorgung von Patientinnen und Patienten mit geprüftem Infektionsstatus im Bereich der konserva­tiven Dermatologie mit Allergologie und Immunologie inklusive der meisten hautchirurgischen Eingriffe stellt keine relevante Gefährdung dar. Bewährt hat sich ein Tandem aus der Schwangeren und einer nicht schwangeren ärztlichen Person, die gemeinsam ihre Patient:innen betreuen, wobei sich die Schwangere jederzeit aus Tätigkeiten wie Infusionen oder Untersuchungen von Notaufnahmen mit unklarem Status zurückziehen kann und dafür administrative Tätigkeiten übernimmt.

Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft, deren Präsidentin ich derzeit bin, hat schon seit vielen Jahren eine Arbeitsgruppe „Frauen in der Dermatologie“ etabliert. Zusammen mit dem Deutschen Ärztinnenbund wurde bereits eine Positivliste von Tätigkeiten schwangerer Ärztinnen in der Dermatologie definiert und publiziert: „Schwanger – und nun? Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung schwangerer Ärztinnen in Hautkliniken“ (DOI: 10.1111/ddg.14964_g). Auch an der geplanten Leitlinie beteiligt sich die Fachgesellschaft aktiv.

Persönliches Fazit

Ich habe während meiner Oberarztzeit in der Dermatologie um den Jahrtausendwechsel herum drei Kinder bekommen und während der Schwangerschaften bis zur Mutterschutzzeit sowie danach trotz langer Stillperioden in Vollzeit direkt weitergearbeitet. Dabei habe ich auf Tätigkeiten verzichtet, die mir riskant erschienen, wie Konsile und Operationen bei hochinfektiösen Patient:innen. Mein damaliger Chefarzt hat das ebenso wie meine mittäglichen Stillpausen stillschweigend zur Kenntnis genommen. Die Kolleg:innen hatten dadurch praktisch keine Mehrarbeit zu bewältigen. Die einzigen negativen Kommentare („Rabenmutter“, „Willst du gar nichts von deinen Kindern haben?“) erhielt ich erstaunlicherweise von bis dahin kinderlosen Kolleginnen. Mein Mann hat einen großen Teil der Versorgung der Kinder tagsüber übernommen, bevor sie in die Krippe und in den Kindergarten gekommen sind. Die Mutterschutzzeiten habe ich für Publikationen und meine Habilitation nutzen können.

In meiner nun fast 20-jährigen Tätigkeit als Klinikdirektorin habe ich viele schwangere Ärztinnen begleitet. Die meisten haben sich darüber gefreut, eine Unterstützung für eine kontrollierte Weiterarbeit zu bekommen. Einzelne Ärztinnen, insbesondere Spätgebärende mit unerfülltem Kinderwunsch im Vorfeld, waren sehr unsicher und haben ein frühes Beschäftigungsverbot durch den Frauenarzt oder die Frauenärztin dankbar angenommen, auch wenn es oft für die gesamte Schwangerschaftsdauer nicht gerechtfertigt erschien. Den Wiedereinstieg haben alle geschafft, die es wollten. Widerstände gegenüber einer Weiterbeschäftigung gab es teilweise vonseiten der Personalabteilung und der Betriebsärztinnen, wohl aus Vorsicht und teilweise auch aus wirtschaftlichen Gründen, denn bei einem Beschäftigungsverbot werden den meisten Arbeitgebern sofort die Arbeitgeberaufwendungen aus dem Mutterschutzfonds erstattet. Dadurch wird das Budget nicht belastet und die Stelle kann nahtlos neu besetzt werden, was bei wiederholten Krankmeldungen nicht der Fall ist.

Unsicherheit auf allen Seiten

Ich finde es weiterhin bedauerlich, dass eine ärztliche Tätigkeit in der Schwangerschaft nicht als Normalfall betrachtet wird und lediglich Ausnahmen definiert werden. Dadurch entsteht eine große Unsicherheit auf allen Seiten. Längere Ausfallzeiten führen nahezu automatisch zu einer Benachteiligung von Ärztinnen, die dann zur „leaky pipeline“, also dem „Verlust“ von Frauen auf dem Karriereweg, führen. Trotz unserer langjähri­gen Bemühungen um eine Gleichstellung liegt auch in der Dermatologie der Anteil weiblicher Führungskräfte weiterhin bei unter 20 Prozent. Dabei sind die Karrierechancen so gut wie nie zuvor, da jetzt die geburtenstarken Jahrgänge langsam auf das Rentenalter zusteuern. Es braucht offenbar noch mehr weibliche Vorbilder, um schwangeren Ärztinnen zu zeigen, wie spannend und erfüllend eine Führungstätigkeit in der Medizin in Kombination mit Familie sein kann.

Prof. Dr. med. Julia Welzel ist Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Augsburg – Medizincampus Süd. Sie ist zudem Präsidentin der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft e. V. (DDG).

E-Mail: julia.welzel@uk-augsburg.de