Frauen gesundheitlich vom Klimawandel stärker betroffen als Männer
Wie bei der Mitgliederversammlung im Oktober 2021 beschlossen, ist der DÄB dem KLUG e. V. (Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit) beigetreten. Ziel dieser Allianz ist es, deutlich zu machen, welche weitreichenden Folgen der Klimawandel für die Gesundheit hat. Warum das für den DÄB ein Thema ist.
Als Deutscher Ärztinnenbund wahren und fördern wir die beruflichen und sozialen Interessen von Ärztinnen und Zahnärztinnen und beraten bei gesundheits- und sozialpolitischen Gesetzgebungen und bei ethischen Fragestellungen – immer auch mit Blick auf die Verbesserung der Situation von Frauen in unserer Gesellschaft. So sieht es die Satzung vor. Als Mitglied des Weltärztinnenbundes interessiert uns zudem die gesundheitliche Situation von Frauen weltweit.
Im Folgenden möchten wir aufzeigen, warum der Klimawandel für Mädchen und Frauen weltweit ein überproportional hohes Gesundheitsrisiko bedeutet. Eine 2020 erschienene Metaanalyse aus 130 Studien hat dies ergeben (carbonbrief.org/mapped-how-climate-change-disproportionately-affects- womens-health/). Gesundheitlich sind Frauen grundsätzlich drastischer von den Auswirkungen der Erderwärmung betroffen: Sie leiden häufiger als Männer an Hitzesymptomen wie Kopfschmerzen, Leistungsabfall und Schlaflosigkeit. Während Hitzewellen entstehen vermehrt Schwangerschaftskomplikationen, etwa Frühgeburten. Im Hitzesommer 2003 waren in Europa 75 Prozent der Verstorbenen weiblich. Prinzipiell ist die Überlebenswahrscheinlichkeit von Frauen bei einer Ressourcenverknappung – etwa von Lebensmitteln oder Trinkwasser – geringer als bei Männern.
Darüber hinaus gibt es viele gesellschaftliche und politische Gründe, warum die aktuelle Klimaveränderung besonders für Frauen und Mädchen ein hohes Gesundheitsrisiko darstellt.
Traditionelle Rollenzuschreibungen könnten bewirken, dass Frauen sich zunächst um andere kümmern, bevor sie gut für sich selbst sorgen. Weltweit leisten Frauen deutlich mehr Sorgearbeit als Männer. Sie sind zudem in Pflegeberufen in der Überzahl vertreten und dort den besonderen Risiken übermäßig häufig ausgesetzt. Die Ungleichverteilung der Sorge- und Haushaltsarbeit macht es Frauen schwerer, sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. Oft bleibt ihnen zu wenig Zeit, sich um Dinge wie neue Anbaumethoden in der Landwirtschaft zu kümmern oder sich eine bezahlte Arbeit zu suchen – Faktoren, die Familien resilienter gegen Klimakrisen machen könnten.
Das gilt nicht nur für Länder des globalen Südens. Auch in den USA zeigte sich nach dem Wirbelsturm Katrina 2005, dass eher die Frauen die Care-Arbeit übernahmen und mit höherer Wahrscheinlichkeit ihre Jobs aufgaben. Ein anderes relevantes Beispiel ist die Corona-Pandemie: Häufig sind es Frauen, die an vorderster Front in systemrelevanten Berufen arbeiten – mit damit einhergehendem höherem Infektionsrisiko und höherer Arbeitsbelastung. Wir wissen auch, dass zudem Frauen sich mehr um die von Homeschooling betroffenen Kinder kümmern als Väter. Durch die Pandemie sind Fortschritte in der Gleichstellung der Geschlechter gefährdet und es könnten weltweit zusätzliche 47 Millionen Frauen und Mädchen von Armut bedroht sein.
Weltweit – auch in den sogenannten Industrieländern – sind Frauen stärker von Armut betroffen und verfügen über weniger Geld oder Besitz als Männer. Im globalen Süden ist die Situation der Frauen besonders dramatisch. Dort haben Frauen tendenziell weniger Landbesitz, weniger Zugang zu landwirtschaftlichen Produktionsmitteln wie Geräten, Saatgut oder Dünger, aber auch weniger Kapital.
Zunehmende Trockenheit verlängert die Strecken bis zu den Wasserquellen. Mädchen werden früher zu Hausarbeit – wozu auch das Heranschaffen von Wasser gehört – herangezogen. Sie haben dadurch weniger Zeit und Gelegenheit, Bildung zu erlangen.
Da gesellschaftliche Rollen dazu führen, dass knappe Nahrung eher an Männer und Jungen verteilt wird, besteht für Frauen in ärmeren Ländern ein höheres Risiko zu hungern, wenn Lebensmittel aufgrund klimatischer Veränderungen knapp werden.
Auch die Wirtschaftspolitik trägt dazu bei, selbstversorgende Familien weiter zu verdrängen. Sie müssen sich auf immer schlechteren Böden durchschlagen. Diese sind besonders von den Klimawandel-Folgen betroffen. Verlassen die Männer als „Klimaflüchtlinge“ ihre Familien, müssen die zurückbleibenden Frauen ihre Familie alleine versorgen, was sie häufig noch verletzlicher macht.
Bei Extremwetterereignissen, vor allem in Ländern, in denen Frauen einen niedrigeren sozioökonomischen Status haben, verletzen sich Frauen häufiger als Männer und sterben auch häufiger. Bekannt ist dies aus Bangladesch, wo Frauen selten ohne männliche Begleitung aus dem Haus gehen und Klei-dung tragen, die die Bewegungsfreiheit im Fall von Überflutungen stark einschränkt.
Klimawandelbedinge Katastrophen unterbrechen häufig die Versorgung mit Mitteln der Familienplanung. Der Zugang zu gynäkologischer Versorgung oder Geburtshilfe ist noch eingeschränkter.
Die sexualisierte Gewalt steigt: Kinderehen könnten im globalen Süden wieder zunehmen, weil Krisen den Zugang zu Bildung und Hilfsangebote für Mädchen einschränken und durch Ernteausfälle oder Vertreibung in Armut gedrängte Familien ihre Töchter jung verheiraten oder gegen Vieh verkaufen. Mädchen und Frauen werden in die Prostitution gezwungen. In ländlichen Gebieten im südlichen Afrika ist darum während klimawandelbedingter Dürreperioden ein Anstieg der HIV-Rate zu verzeichnen. Frauen und Mädchen werden als Folge der Wetterextreme und der daraus resultierenden Ernteausfälle verkauft, prostituiert oder verheiratet, um das fehlende Einkommen zu kompensieren und die restliche Familie vor Hunger zu schützen. Geflüchtete Frauen und Mädchen finden in Notunterkünften häufig keine ausreichende Privatsphäre und sind dort Gewaltdelikten vermehrt ausgesetzt.
Bevölkerungsbefragungen in den Industrieländern zeigen, dass Frauen den Klimawandel stärker als Bedrohung wahrnehmen als Männer. Sie fordern in der Regel mehr politische Maßnahmen zur Bekämpfung und Anpassung und sind auch bereit, mehr Geld dafür auszugeben. Eine Studie konnte sogar aufzeigen, dass in Ländern, in denen Frauen einen höheren politischen Status haben, die CO2-Emissionen pro Kopf niedriger sind als anderswo.
Kaum Frauen entscheiden mitAuf der Weltklimakonferenz COP25 in Madrid 2019 hatten sich die Länder darauf geeinigt, geschlechtsspezifische Ansätze für Klimaschutzmaßnahmen in den kommenden 5 Jahren stärker voranzutreiben und das erweiterte Klima-Arbeitsprogramm zu Gender (LWPG) und den Gender Action Plan (GAP) verabschiedet. Dringend muss nach solchen Beschlüssen auch deren Umsetzung folgen. Ziel ist außerdem die Förderung einer gleichberechtigten und sinnvollen Beteiligung von Frauen am internationalen Klimaprozess, da Frauen bei klimabedingten Entscheidungsprozessen sowie bei Klimakonferenzen immer noch deutlich unterrepräsentiert sind.
Der beschlossene Beitritt des Ärztinnenbundes zu KLUG ist vor diesem Hintergrund sehr zu begrüßen. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit sollte darauf liegen, die geschlechterspezifischen Folgen des Klimawandels zu beleuchten, regelmäßig darauf aufmerksam zu machen und Maßnahmen für deren Bekämpfung zu unterstützen oder auch zu initiieren.
Mehr Literatur bei den Verfasserinnen.
E-Mail: wiesbaden-mainz@aerztinnenbund.de