Für bessere Arbeitsbedingungen und eine echte „New Work“: DÄB-Projekt zum Mutterschutz
Für den Deutschen Ärztinnenbund ist der Mutterschutz ein großes Thema. Seit das neue Mutterschutzge-setz die Bedingungen für Schwangere in Gesundheitsberufen eher verschlechtert als verbessert hat, bemühen wir uns, die Auslegung des Gesetzes zugunsten der Arbeitswünsche der Frauen geradezurücken – auch mit dem Projekt „Mutterschutz für Frauen in Gesundheitsberufen“.
Es besteht dringender Handlungsbedarf, um Schwangere in Gesundheitsberufen in ihrem Wunsch nach geeigneter und nicht benachteiligender Weiterbeschäftigung zu unterstützen. Unser Ziel ist es, dass Ärztinnen, Pflegekräfte, Hebammen und andere Angehörige von Gesundheitsberufen möglichst weiter arbeiten können, wenn sie schwanger sind – sofern ihre Gesundheit und die des ungeborenen Kindes es zulässt. Wir möchten erreichen, dass das Mutterschutzgesetz im Sinne der schwangeren Frauen ausgelegt wird. Dafür müssen die Arbeitgeber eine individuelle Gefährdungsbeurteilung vornehmen und gegebenenfalls den Arbeitsplatz wirklich anpassen. Es kann nicht angehen, dass zum Beispiel schwangere Ärztinnen nicht mehr operieren dürfen und darum bei ihrer Facharztausbildung Zeit verlieren. So geraten sie gegenüber männlichen Mitbewerbern beruflich ins Hintertreffen.
Auf bundespolitischer Ebene arbeite ich für den DÄB zu diesem Thema bereits im entsprechenden Arbeitskreis des Ausschusses Mutterschutz mit. Parallel dazu planen wir ein Modellvorhaben, das Projekt „Mutterschutz für Frauen in Gesundheitsberufen“, bei dem zunächst die Ist-Situation in Klinik und Praxis analysiert werden soll. Anschließend möchten wir in fünf Modellregionen unsere Ansätze zur Verbesserung der Situation umsetzen und evaluieren. So hoffen wir, ein Vorgehen zu etablieren, an dem sich das gesamte Gesundheitswesen orientieren kann.
Kliniken in der Haftung
Den Umgang mit Schwangeren wertet der DÄB als eine strukturelle Ursache, die Karrieren von Ärztinnen derzeit behindert. Problematisch ist dabei die Formulierung im novellierten Mutter schutzgesetz, das eine Null-Risiko-Strategie fordert. Das hat weitreichende Konsequenzen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber: Nur dadurch, dass Chefärzt*innen die volle Verantwortung übernehmen und die Klinik vollumfänglich haftet, wird es möglich, als Schwangere operieren zu dürfen. Wir finden, das muss auch anders gehen und möchten Auswege aufzeigen.
Wir erachten es für notwendig, dass die Einrichtungen der Gesundheitsversorgung wie Krankenhäuser und Pflegeheime beim Thema Mutterschutz selbstbestimmt handeln und ihre Arbeitsorganisation sowie die Arbeitsprozesse so anpassen, dass alle Mitarbeiter*innen zufrieden ihrem Beruf nachgehen können.
Im Projekt „Mutterschutz für Frauen in Gesundheitsberufen“ planen wir zunächst eine Bestandsaufnahme (in fünf Modellregionen). Wie handhaben Kliniken und Praxen den Mutterschutz momentan im Alltag? Welche Probleme treten auf? Was steht zufriedenstellenden Lösungen im Weg?
Dialog mit den Behörden
Auf dieser Grundlage möchten wir im Dialog mit den beaufsichtigenden Behörden Konzepte erarbeiten, wie und unter welchen Umständen schwangere Ärztinnen weiter mit Patienten arbeiten können. Diese sollen in Fortbildungen einfließen, die sich an an Mitarbeiter*innen der beaufsichtigenden Behörden richten, an Arbeits- und Betriebsmediziner*innen sowie an Personalverantwortliche. Um das Projekt realisieren zu können, benötigen wir finanzielle Unterstützung und Partner.
Deutscher Demografie Preis
Daher haben wir das Projekt beim „Deutschen Demografie Preis 2020“ in der Sparte „New Work“ eingereicht – und wurden nominiert! Die Jury fand also, dass wir den Ausschreibungskriterien gerecht werden: „Der Megatrend New Work beschreibt einen erheblichen Umbruch der Arbeitswelt – sie wird digitaler, agiler, dynamischer. Neue Methoden und Wege der Arbeitsorganisation schaffen Raum für Selbstverantwortung, Kollaboration und neues Denken. Wer New Work vorlebt, soll dafür gefeiert werden.“ Tatsächlich kann es sich unsere Gesellschaft angesichts des demografischen Wandels nicht weiterhin leisten, auf die bestens qualifizierten Frauen zu verzichten. Den Mutterschutz sinnvoll auszulegen, ist daher ein wesentlicher Beitrag zur New Work.
Der Deutsche Demografie Preis wird getragen vom Demographie Netzwerk e. V. in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG, der ING Bank, dem ZEIT-Verlag und dem Beratungsunternehmen EY als Initiatoren. Als weitere Partner unterstützen die BAHN-BKK, der Internationale Bund (IB) und das Sozialforschungsunternehmen Nextpractice den Preis. In sieben Inhaltskategorien will der Demografie Preis Projekte hervorheben, „die den demografischen Wandel als Chance begreifen und die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten nutzen und erweitern.“
Nominiert aus 120 Projekten
Auch wenn wir den Preis letztendlich nicht erhalten haben, bedeutet bereits die Nominierung ein Erfolg und insbesondere einen großen Ansporn. Von rund 120 Projekten haben wir es zusammen mit bekannten Firmen und Organisationen wie dem Caritasverband, Bosch oder Boehringer Ingelheim auf die Short List geschafft. Und mit den Organisatoren steht uns ein Netzwerk zur Seite, das uns zugesichert hat, sich weiter um eine Verbreitung der nominierten Projekte zu bemühen. Auch wenn die Verleihung wegen der Corona-Pandemie nur per Video übertragen wurde und die Netzwerk-Gala ausfiel, nehmen wir den Schwung mit und hoffen, Partner für unser Projekt zu begeistern.
Ernüchternder Bericht
Die Notwendigkeit des DÄB-Projekts unterstreicht auch der Erfahrungsbericht einer jungen Ärztin. Hier schildert sie, was ihr als Schwangere in der Facharztweiterbildung in der Neurochirurgie widerfahren ist: „Ich habe sofort angesprochen, dass ich meine Ausbildung weitermachen möchte und dabei auch operieren. Mein Chef hat bei der aufsichtsführenden Behörde angefragt, wie mit den Vorschriften umzugehen sei. Es erreichte uns von dort ein Katalog mit Dingen, die ich nicht mehr tun sollte. Er hat nur wenige Tätigkeiten übriggelassen, die ich als Ärztin noch übernehmen konnte. Die Folge war ein komplettes Operationsverbot. Mein Chef hätte mich zwar gerne unterstützt, aber ihm wurde klargemacht, dass er mit seinem Privatvermögen hafte, wenn durch meine Tä-tigkeit in der Schwangerschaft irgendwo ein Schaden entstünde. Ich habe dann in Absprache mit ihm eine Gefährdungsbeurteilung geschrieben. Darin habe ich einen Katalog ausgearbeitet mit Dingen, die angepasst werden müssten und habe Vorschläge unterbreitet, wie man die Ausbildung fortsetzen könnte. Wir haben letztlich von der aufsichtsführenden Behörde die Empfehlung bekommen, unsere Vorschläge auf gar keinen Fall umzusetzen. Wir haben auch mehrfach eine Begehung angeboten. Doch die aufsichtsführende Behörde hatte kein Interesse, sich das einmal anzusehen. Ich würde mir wünschen, dass es einen bundeseinheitlichen Katalog gibt, wie dieses Gesetz umzusetzen ist.“
Mehr Infos im Video.
E-Mail: barbara.schmeiser@aerztinnenbund.de
Auf bundespolitischer Ebene arbeite ich für den DÄB zu diesem Thema bereits im entsprechenden Arbeitskreis des Ausschusses Mutterschutz mit. Parallel dazu planen wir ein Modellvorhaben, das Projekt „Mutterschutz für Frauen in Gesundheitsberufen“, bei dem zunächst die Ist-Situation in Klinik und Praxis analysiert werden soll. Anschließend möchten wir in fünf Modellregionen unsere Ansätze zur Verbesserung der Situation umsetzen und evaluieren. So hoffen wir, ein Vorgehen zu etablieren, an dem sich das gesamte Gesundheitswesen orientieren kann.
Kliniken in der Haftung
Den Umgang mit Schwangeren wertet der DÄB als eine strukturelle Ursache, die Karrieren von Ärztinnen derzeit behindert. Problematisch ist dabei die Formulierung im novellierten Mutter schutzgesetz, das eine Null-Risiko-Strategie fordert. Das hat weitreichende Konsequenzen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber: Nur dadurch, dass Chefärzt*innen die volle Verantwortung übernehmen und die Klinik vollumfänglich haftet, wird es möglich, als Schwangere operieren zu dürfen. Wir finden, das muss auch anders gehen und möchten Auswege aufzeigen.
Wir erachten es für notwendig, dass die Einrichtungen der Gesundheitsversorgung wie Krankenhäuser und Pflegeheime beim Thema Mutterschutz selbstbestimmt handeln und ihre Arbeitsorganisation sowie die Arbeitsprozesse so anpassen, dass alle Mitarbeiter*innen zufrieden ihrem Beruf nachgehen können.
Dialog mit den Behörden
Auf dieser Grundlage möchten wir im Dialog mit den beaufsichtigenden Behörden Konzepte erarbeiten, wie und unter welchen Umständen schwangere Ärztinnen weiter mit Patienten arbeiten können. Diese sollen in Fortbildungen einfließen, die sich an an Mitarbeiter*innen der beaufsichtigenden Behörden richten, an Arbeits- und Betriebsmediziner*innen sowie an Personalverantwortliche. Um das Projekt realisieren zu können, benötigen wir finanzielle Unterstützung und Partner.
Deutscher Demografie Preis
Daher haben wir das Projekt beim „Deutschen Demografie Preis 2020“ in der Sparte „New Work“ eingereicht – und wurden nominiert! Die Jury fand also, dass wir den Ausschreibungskriterien gerecht werden: „Der Megatrend New Work beschreibt einen erheblichen Umbruch der Arbeitswelt – sie wird digitaler, agiler, dynamischer. Neue Methoden und Wege der Arbeitsorganisation schaffen Raum für Selbstverantwortung, Kollaboration und neues Denken. Wer New Work vorlebt, soll dafür gefeiert werden.“ Tatsächlich kann es sich unsere Gesellschaft angesichts des demografischen Wandels nicht weiterhin leisten, auf die bestens qualifizierten Frauen zu verzichten. Den Mutterschutz sinnvoll auszulegen, ist daher ein wesentlicher Beitrag zur New Work.
Der Deutsche Demografie Preis wird getragen vom Demographie Netzwerk e. V. in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG, der ING Bank, dem ZEIT-Verlag und dem Beratungsunternehmen EY als Initiatoren. Als weitere Partner unterstützen die BAHN-BKK, der Internationale Bund (IB) und das Sozialforschungsunternehmen Nextpractice den Preis. In sieben Inhaltskategorien will der Demografie Preis Projekte hervorheben, „die den demografischen Wandel als Chance begreifen und die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten nutzen und erweitern.“
Nominiert aus 120 Projekten
Auch wenn wir den Preis letztendlich nicht erhalten haben, bedeutet bereits die Nominierung ein Erfolg und insbesondere einen großen Ansporn. Von rund 120 Projekten haben wir es zusammen mit bekannten Firmen und Organisationen wie dem Caritasverband, Bosch oder Boehringer Ingelheim auf die Short List geschafft. Und mit den Organisatoren steht uns ein Netzwerk zur Seite, das uns zugesichert hat, sich weiter um eine Verbreitung der nominierten Projekte zu bemühen. Auch wenn die Verleihung wegen der Corona-Pandemie nur per Video übertragen wurde und die Netzwerk-Gala ausfiel, nehmen wir den Schwung mit und hoffen, Partner für unser Projekt zu begeistern.
Ernüchternder Bericht
Die Notwendigkeit des DÄB-Projekts unterstreicht auch der Erfahrungsbericht einer jungen Ärztin. Hier schildert sie, was ihr als Schwangere in der Facharztweiterbildung in der Neurochirurgie widerfahren ist: „Ich habe sofort angesprochen, dass ich meine Ausbildung weitermachen möchte und dabei auch operieren. Mein Chef hat bei der aufsichtsführenden Behörde angefragt, wie mit den Vorschriften umzugehen sei. Es erreichte uns von dort ein Katalog mit Dingen, die ich nicht mehr tun sollte. Er hat nur wenige Tätigkeiten übriggelassen, die ich als Ärztin noch übernehmen konnte. Die Folge war ein komplettes Operationsverbot. Mein Chef hätte mich zwar gerne unterstützt, aber ihm wurde klargemacht, dass er mit seinem Privatvermögen hafte, wenn durch meine Tä-tigkeit in der Schwangerschaft irgendwo ein Schaden entstünde. Ich habe dann in Absprache mit ihm eine Gefährdungsbeurteilung geschrieben. Darin habe ich einen Katalog ausgearbeitet mit Dingen, die angepasst werden müssten und habe Vorschläge unterbreitet, wie man die Ausbildung fortsetzen könnte. Wir haben letztlich von der aufsichtsführenden Behörde die Empfehlung bekommen, unsere Vorschläge auf gar keinen Fall umzusetzen. Wir haben auch mehrfach eine Begehung angeboten. Doch die aufsichtsführende Behörde hatte kein Interesse, sich das einmal anzusehen. Ich würde mir wünschen, dass es einen bundeseinheitlichen Katalog gibt, wie dieses Gesetz umzusetzen ist.“
Mehr Infos im Video.
E-Mail: barbara.schmeiser@aerztinnenbund.de