Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik (PID)
Ethik-Arbeitsgruppe des Deutschen Ärztinnenbundes, 2011
Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom Juli 2010, in dem ein Reproduktionsmediziner nach Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik (PID) an pluripotenten Zellen bei drei Paaren freigesprochen wurde, veranlasst den deutschen Ärztinnenbund seine Stellungnahme zur PID von 2001 zu überarbeiten.
Es wurden dafür die Erfahrungen mit der PID an totipotenten und pluripotenten Zellen in den letzten 10 Jahren im Ausland sowie die Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin in Deutschland mit der Polkörperbiopsie bei genetischen Erkrankungen kritisch analysiert. Die europäische Fortpflanzungsmedizingesellschaft (ESHRE) veröffentlicht jährlich die Ergebnisse von zurzeit 57 von etwas über 100 Zentren weltweit, in denen PID durchgeführt wird. Von 1999 bis 2007 wurden ca. 27 000 Behandlungszyklen durchgeführt und 5135 Kinder nach PID geboren. In 36,5 % der PID-Fälle wurde auf monogenetische Erkrankungen und erbliche Chromosomenstörungen untersucht, die in den betroffen Familien vorher bekannt waren. Über 60% der Untersuchungen wurden als Screening auf neu entstandene Chromosomenstörungen zur Verbesserung der Schwangerschaftsrate bei IVF-„Versagern“ und zur Reduzierung der Fehlgeburtsrate bei Frauen mit so genannter „habitueller Abortneigung“ durchgeführt. Bei diesem so genannten „PID-Screening“ hat sich inzwischen gezeigt, dass die Schwangerschafts- und Geburtsrate entgegen den Erwartungen nicht verbessert werden konnte. Als Ärztinnen, die mit der Situation von Paaren mit hohem genetischem Risiko konfrontiert sind, haben wir bei der Diskussion über die Beurteilung der PID rechtliche, medizinische und ethische Argumente abgewogen. Wir sehen individuelle Frauen und ihre Partner, die ein leidvolles Schicksal hinter sich haben: Paare, die aufgrund von Chromosomentranslokationen immer wieder Fehlgeburten erlitten haben, Eltern, die schwerstkranke Kinder pflegen sowie Eltern, die ihre Kinder sterben sehen mussten oder sich bei weiteren Schwangerschaften bei auffälliger Pränataldiagnostik für Schwangerschaftsabbrüche entschieden haben. Diese Eltern wünschen sich sehnlichst ein gesundes Kind. Sie verweisen auf den Umgang mit der PID im Ausland bei unterschiedlichsten Erkrankungen und fragen, warum man ihnen in Deutschland nicht helfen kann.
Nach bisheriger Auslegung erschien die Durchführung einer PID in Deutschland mit dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) von 1990 nicht vereinbar. In den letzten 10 Jahren haben sich die technischen Möglichkeiten in der Reproduktionsmedizin durch den Blastozystentransfer mit verlängerter Embryokultur auf 5-6 Tage weiter entwickelt. Der Bundesgerichtshof sah im Vorgehen des Reproduktionsmediziners, der sich selbst angezeigt hatte, keine Übertretung des ESchG. Ziel des Arztes war es, eine Schwangerschaft bei den betroffenen Paaren herbeizuführen. Dieser verwendete zur PID-Diagnostik keine totipotenten, sondern pluripotente Zellen aus dem Blastozystenstadium. Diese Form der PID könnte somit als sehr frühe Chorionzottenbiopsie bezeichnet werden. Die Richter verwiesen auch auf das Recht einer Frau, die Gesundheit eines Embryos untersuchen zu lassen, bevor er in ihre Gebärmutter überführt wird. Das primäre Ziel einer PID ist, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Das Verwerfen eines kranken Embryos ist nach Ansicht der Richter eine nicht erwünschte Nebenfolge, die nicht beabsichtigt ist und auch nicht zu einer anderen Verwendung des Embryos führt.
Rechtlich ist somit die Durchführung einer PID vom BGH nicht beanstandet worden. Die Aufklärung über die medizinischen Risiken der PID ist unsere ärztliche Aufgabe. Es handelt sich um eine aufwendige Methode. Um bei einem Paar mit hohem genetischen Risiko diese hochspezialisierte Technik vornehmen zu können, muss sich die Frau zuvor einer Hormonbehandlung mit anschließender Eizellentnahme und Befruchtung im Reagenzglas (IVF = invitro- Fertilisation) unterziehen. Auf die Risiken einer solchen Behandlung (Überstimulationssyndrom, Entnahme der Eizellen unter Narkose) und die Erfolgsaussichten muss das Paar eindringlich hingewiesen werden. Auch darauf, dass neben der körperlichen eine enorme psychische Belastung entsteht durch die Anspannung während der gesamten Maßnahmen und durch die Ungewissheit des Ausgangs. Das Ausbleiben einer Schwangerschaft oder eine Fehlgeburt nach künstlicher Befruchtung führen bei den betroffenen Frauen und Paaren zu großer Enttäuschung, Trauer und Schmerz. Es muss allen Paaren bewusst sein, dass die Erfolgsraten bei der künstlichen Befruchtung gering sind. Laut letzter publizierter Auswertung der ESHRE (2010) liegt die Geburtenrate pro Transfer bei erblicher Belastung durchschnittlich bei 26 Prozent. Da im Einzelfall bei den seltenen Erkrankungen keine große Erfahrung in der PID besteht, wird man die Eltern darauf hinweisen, dass bei eingetretener Schwangerschaft eine Überprüfung des Ergebnisses durch eine Pränataldiagnostik anzuraten ist, auch wenn es laut ESHRE-Statistik eher selten zu Fehldiagnosen gekommen ist (0,3 – 1,7%). Die bisher bereits in Deutschland mögliche Polkörperdiagnostik (PKD) kann als früheste Form der PID ebenfalls nur nach künstlicher Befruchtung durchgeführt werden. Da bei diesem Verfahren ein ausgeschiedener Teil der Eizelle (Polkörper) untersucht wird, lässt sich damit nur eine Störung erkennen, die über die Mutter weitergegeben wird. Für Veränderungen, die der Vater vererbt, kann man mit der PKD keine Auskunft erhalten. Die ethische Beurteilung der PID ist auch in unserem Kreis ambivalent gewesen und sehr kontrovers diskutiert worden. Nach unserem Grundgesetz steht dem Embryo von Anfang an ein Lebensschutz zu. Ein Auswählen (Selektion) von guten und das Verwerfen von schlechten Embryonen wird daher von Vielen als unverantwortlich angesehen. Selbst wenn man die PID für Einzelfälle gerechtfertigt sieht, bleiben Fragen: Wird es Indikationslisten geben? Welche Beeinträchtigung der Gesundheit ist einem Kind bzw. seinen Eltern zuzumuten? Kommt es zu einer Diskriminierung von Behinderten? Man befürchtet, einen Missbrauch nicht verhindern zu können.
In der Diskussion der Ethik-Arbeitsgruppe des Deutschen Ärztinnenbundes zeigte sich keine einheitliche Meinung zur PID. Die Mehrheit möchte den Paaren helfen, deren sehnlicher Wunsch ein gesundes Kind ist. Den Verzicht auf eigene Kinder oder das Angebot einer Pränataldiagnostik mit ggf. nachfolgendem Schwangerschaftsabbruch anzuraten, fällt in der ärztlichen Beratung schwer, wenn die PID in der individuellen Situation ausdrücklich gewünscht wird und auch möglich ist. Für viele Paare ist nicht zu verstehen, warum sie in Deutschland den Weg über die Pränataldiagnostik gehen müssen, in deren Folge ein betroffenes Kind dann in der 12./13. Schwangerschaftswoche (in der Regel nach Chorionbiopsie) abgetrieben werden darf. IN der Begründung wird auf den erst dann vorliegenden Schwangerschaftskonflikt hingewiesen, bei dem die seelische Gesundheit der Schwangeren gegen das Leben des Kindes abgewogen werden darf. Wir erleben aber in unserem ärztlichen Alltag, dass bei den Paaren bereits durch die Kenntnis eines hohen Risikos für ein krankes Kind, also schon vor Eintritt einer Schwangerschaft, ein Konflikt besteht. Vielfach suchen betroffene Paare dann Hilfe im Ausland (reproduktives Reisen) und können sehr unsicheren Verhältnissen ausgesetzt sein, sei es durch Sprachprobleme, ungenügende Aufklärung oder mangelnde Qualitätsstandards. Wir sprechen uns daher nach 10 Jahren Erfahrung im Ausland mehrheitlich für den Kompromiss aus, die PID für einzelne schwerwiegende Fälle in Deutschland zuzulassen. Wir möchten jeder Frau die Gewissensentscheidung überlassen, ob sie mit dieser Methode versuchen will, ein gesundes Kind zu bekommen. Um einem Missbrauch zu verhindern, appellieren wir als Deutscher Ärztinnenbund an die Politiker und die Gesellschaft, nach akzeptablen Lösungen zu suchen. In Absprache mit den Humangenetikern, die bei der PID die genetischen Untersuchungen durchführen, und den Reproduktionsmedizinern kann der Gesetzgeber solche Grenzen festlegen. Durch das Gendiagnostikgesetz sind viele klare Vorgaben bereits vorhanden. Die PID sollte unter Arztvorhalt in qualifizierten Einrichtungen nach einer ausführlichen Beratung durch HumangenetikerInnen und ReproduktionsmedizinerInnen in einer Hand erfolgen. In das PID-Team müssten erfahrene und zertifizierte Embryologen sowie psychosoziale BeraterInnen integriert sein. Die betroffenen Paare sollten über die Technik, ihre Risiken und ihre Erfolgsaussichten umfassend und unabhängig beraten werden. Denkbar ist, dass dazu Kommissionen bei den Ärztekammern eingerichtet werden. Die Vorgaben müssen so festgelegt werden, dass nur 1-2 unbetroffene Embryonen entstehen können, die eingesetzt werden oder gegebenenfalls eingefroren werden müssen.
Durch das BGH-Urteil ist eine unerwartete Rechtssicherheit über die Zulässigkeit der PID deutlich geworden. Dies hat die öffentliche Diskussion über ein Verbot der PID in Deutschland wiederbelebt. Die Vielzahl der Beiträge zeigt, dass es nicht nur um rationale Naturwissenschaft und Medizin geht, sondern vor allem um die Wertvorstellungen des Einzelnen und der Gesellschaft. Der Deutsche Ärztinnenbund plädiert entgegen seiner früheren Stellungnahme, die damals auch nicht von allen Mitgliedern getragen wurde, für eine begrenzte Anwendung der PID in ausgewählten deutschen Zentren, wenn eine umfassende interdisziplinäre ärztliche und psychosoziale Betreuung der betroffenen Paare gewährleistet ist. Auch wenn unsere früheren Bedenken zum Teil weiter bestehen, plädieren wir im Interesse der letztendlich wenigen betroffenen Paare für eine Zulassung. Die Bedenken gegen die Einführung der PID respektieren wir. Wir glauben nach den bisherigen Erfahrungen nicht, dass durch PID einer verbrauchenden Embryonenforschung Vorschub geleistet wird. Ebenso wenig sind wir der Meinung, dass es zu einer verstärkten Diskriminierung behinderter Menschen kommen wird. Die meisten Behinderungen entstehen durch Unfälle oder Erkrankungen im Kindesoder Jugendalter. Behinderungen jedweder Art, auch solche durch bewusstes in Kauf nehmen eines kranken Kindes, sind von der Gesellschaft zu akzeptieren und müssen best möglichst behandelt werden. Die möglichen Auswirkungen der PID in Deutschland, d.h. wie viele Paare die PID zu welcher Fragestellung in Anspruch nehmen, sollten in regelmäßigen Abständen überprüft werden, um missbräuchliche Inanspruchnahme erkennen und Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
Dr. Gabriele du Bois Vorsitzende der Ethik-Arbeitsgruppe
Es wurden dafür die Erfahrungen mit der PID an totipotenten und pluripotenten Zellen in den letzten 10 Jahren im Ausland sowie die Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin in Deutschland mit der Polkörperbiopsie bei genetischen Erkrankungen kritisch analysiert. Die europäische Fortpflanzungsmedizingesellschaft (ESHRE) veröffentlicht jährlich die Ergebnisse von zurzeit 57 von etwas über 100 Zentren weltweit, in denen PID durchgeführt wird. Von 1999 bis 2007 wurden ca. 27 000 Behandlungszyklen durchgeführt und 5135 Kinder nach PID geboren. In 36,5 % der PID-Fälle wurde auf monogenetische Erkrankungen und erbliche Chromosomenstörungen untersucht, die in den betroffen Familien vorher bekannt waren. Über 60% der Untersuchungen wurden als Screening auf neu entstandene Chromosomenstörungen zur Verbesserung der Schwangerschaftsrate bei IVF-„Versagern“ und zur Reduzierung der Fehlgeburtsrate bei Frauen mit so genannter „habitueller Abortneigung“ durchgeführt. Bei diesem so genannten „PID-Screening“ hat sich inzwischen gezeigt, dass die Schwangerschafts- und Geburtsrate entgegen den Erwartungen nicht verbessert werden konnte. Als Ärztinnen, die mit der Situation von Paaren mit hohem genetischem Risiko konfrontiert sind, haben wir bei der Diskussion über die Beurteilung der PID rechtliche, medizinische und ethische Argumente abgewogen. Wir sehen individuelle Frauen und ihre Partner, die ein leidvolles Schicksal hinter sich haben: Paare, die aufgrund von Chromosomentranslokationen immer wieder Fehlgeburten erlitten haben, Eltern, die schwerstkranke Kinder pflegen sowie Eltern, die ihre Kinder sterben sehen mussten oder sich bei weiteren Schwangerschaften bei auffälliger Pränataldiagnostik für Schwangerschaftsabbrüche entschieden haben. Diese Eltern wünschen sich sehnlichst ein gesundes Kind. Sie verweisen auf den Umgang mit der PID im Ausland bei unterschiedlichsten Erkrankungen und fragen, warum man ihnen in Deutschland nicht helfen kann.
Nach bisheriger Auslegung erschien die Durchführung einer PID in Deutschland mit dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) von 1990 nicht vereinbar. In den letzten 10 Jahren haben sich die technischen Möglichkeiten in der Reproduktionsmedizin durch den Blastozystentransfer mit verlängerter Embryokultur auf 5-6 Tage weiter entwickelt. Der Bundesgerichtshof sah im Vorgehen des Reproduktionsmediziners, der sich selbst angezeigt hatte, keine Übertretung des ESchG. Ziel des Arztes war es, eine Schwangerschaft bei den betroffenen Paaren herbeizuführen. Dieser verwendete zur PID-Diagnostik keine totipotenten, sondern pluripotente Zellen aus dem Blastozystenstadium. Diese Form der PID könnte somit als sehr frühe Chorionzottenbiopsie bezeichnet werden. Die Richter verwiesen auch auf das Recht einer Frau, die Gesundheit eines Embryos untersuchen zu lassen, bevor er in ihre Gebärmutter überführt wird. Das primäre Ziel einer PID ist, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Das Verwerfen eines kranken Embryos ist nach Ansicht der Richter eine nicht erwünschte Nebenfolge, die nicht beabsichtigt ist und auch nicht zu einer anderen Verwendung des Embryos führt.
Rechtlich ist somit die Durchführung einer PID vom BGH nicht beanstandet worden. Die Aufklärung über die medizinischen Risiken der PID ist unsere ärztliche Aufgabe. Es handelt sich um eine aufwendige Methode. Um bei einem Paar mit hohem genetischen Risiko diese hochspezialisierte Technik vornehmen zu können, muss sich die Frau zuvor einer Hormonbehandlung mit anschließender Eizellentnahme und Befruchtung im Reagenzglas (IVF = invitro- Fertilisation) unterziehen. Auf die Risiken einer solchen Behandlung (Überstimulationssyndrom, Entnahme der Eizellen unter Narkose) und die Erfolgsaussichten muss das Paar eindringlich hingewiesen werden. Auch darauf, dass neben der körperlichen eine enorme psychische Belastung entsteht durch die Anspannung während der gesamten Maßnahmen und durch die Ungewissheit des Ausgangs. Das Ausbleiben einer Schwangerschaft oder eine Fehlgeburt nach künstlicher Befruchtung führen bei den betroffenen Frauen und Paaren zu großer Enttäuschung, Trauer und Schmerz. Es muss allen Paaren bewusst sein, dass die Erfolgsraten bei der künstlichen Befruchtung gering sind. Laut letzter publizierter Auswertung der ESHRE (2010) liegt die Geburtenrate pro Transfer bei erblicher Belastung durchschnittlich bei 26 Prozent. Da im Einzelfall bei den seltenen Erkrankungen keine große Erfahrung in der PID besteht, wird man die Eltern darauf hinweisen, dass bei eingetretener Schwangerschaft eine Überprüfung des Ergebnisses durch eine Pränataldiagnostik anzuraten ist, auch wenn es laut ESHRE-Statistik eher selten zu Fehldiagnosen gekommen ist (0,3 – 1,7%). Die bisher bereits in Deutschland mögliche Polkörperdiagnostik (PKD) kann als früheste Form der PID ebenfalls nur nach künstlicher Befruchtung durchgeführt werden. Da bei diesem Verfahren ein ausgeschiedener Teil der Eizelle (Polkörper) untersucht wird, lässt sich damit nur eine Störung erkennen, die über die Mutter weitergegeben wird. Für Veränderungen, die der Vater vererbt, kann man mit der PKD keine Auskunft erhalten. Die ethische Beurteilung der PID ist auch in unserem Kreis ambivalent gewesen und sehr kontrovers diskutiert worden. Nach unserem Grundgesetz steht dem Embryo von Anfang an ein Lebensschutz zu. Ein Auswählen (Selektion) von guten und das Verwerfen von schlechten Embryonen wird daher von Vielen als unverantwortlich angesehen. Selbst wenn man die PID für Einzelfälle gerechtfertigt sieht, bleiben Fragen: Wird es Indikationslisten geben? Welche Beeinträchtigung der Gesundheit ist einem Kind bzw. seinen Eltern zuzumuten? Kommt es zu einer Diskriminierung von Behinderten? Man befürchtet, einen Missbrauch nicht verhindern zu können.
In der Diskussion der Ethik-Arbeitsgruppe des Deutschen Ärztinnenbundes zeigte sich keine einheitliche Meinung zur PID. Die Mehrheit möchte den Paaren helfen, deren sehnlicher Wunsch ein gesundes Kind ist. Den Verzicht auf eigene Kinder oder das Angebot einer Pränataldiagnostik mit ggf. nachfolgendem Schwangerschaftsabbruch anzuraten, fällt in der ärztlichen Beratung schwer, wenn die PID in der individuellen Situation ausdrücklich gewünscht wird und auch möglich ist. Für viele Paare ist nicht zu verstehen, warum sie in Deutschland den Weg über die Pränataldiagnostik gehen müssen, in deren Folge ein betroffenes Kind dann in der 12./13. Schwangerschaftswoche (in der Regel nach Chorionbiopsie) abgetrieben werden darf. IN der Begründung wird auf den erst dann vorliegenden Schwangerschaftskonflikt hingewiesen, bei dem die seelische Gesundheit der Schwangeren gegen das Leben des Kindes abgewogen werden darf. Wir erleben aber in unserem ärztlichen Alltag, dass bei den Paaren bereits durch die Kenntnis eines hohen Risikos für ein krankes Kind, also schon vor Eintritt einer Schwangerschaft, ein Konflikt besteht. Vielfach suchen betroffene Paare dann Hilfe im Ausland (reproduktives Reisen) und können sehr unsicheren Verhältnissen ausgesetzt sein, sei es durch Sprachprobleme, ungenügende Aufklärung oder mangelnde Qualitätsstandards. Wir sprechen uns daher nach 10 Jahren Erfahrung im Ausland mehrheitlich für den Kompromiss aus, die PID für einzelne schwerwiegende Fälle in Deutschland zuzulassen. Wir möchten jeder Frau die Gewissensentscheidung überlassen, ob sie mit dieser Methode versuchen will, ein gesundes Kind zu bekommen. Um einem Missbrauch zu verhindern, appellieren wir als Deutscher Ärztinnenbund an die Politiker und die Gesellschaft, nach akzeptablen Lösungen zu suchen. In Absprache mit den Humangenetikern, die bei der PID die genetischen Untersuchungen durchführen, und den Reproduktionsmedizinern kann der Gesetzgeber solche Grenzen festlegen. Durch das Gendiagnostikgesetz sind viele klare Vorgaben bereits vorhanden. Die PID sollte unter Arztvorhalt in qualifizierten Einrichtungen nach einer ausführlichen Beratung durch HumangenetikerInnen und ReproduktionsmedizinerInnen in einer Hand erfolgen. In das PID-Team müssten erfahrene und zertifizierte Embryologen sowie psychosoziale BeraterInnen integriert sein. Die betroffenen Paare sollten über die Technik, ihre Risiken und ihre Erfolgsaussichten umfassend und unabhängig beraten werden. Denkbar ist, dass dazu Kommissionen bei den Ärztekammern eingerichtet werden. Die Vorgaben müssen so festgelegt werden, dass nur 1-2 unbetroffene Embryonen entstehen können, die eingesetzt werden oder gegebenenfalls eingefroren werden müssen.
Durch das BGH-Urteil ist eine unerwartete Rechtssicherheit über die Zulässigkeit der PID deutlich geworden. Dies hat die öffentliche Diskussion über ein Verbot der PID in Deutschland wiederbelebt. Die Vielzahl der Beiträge zeigt, dass es nicht nur um rationale Naturwissenschaft und Medizin geht, sondern vor allem um die Wertvorstellungen des Einzelnen und der Gesellschaft. Der Deutsche Ärztinnenbund plädiert entgegen seiner früheren Stellungnahme, die damals auch nicht von allen Mitgliedern getragen wurde, für eine begrenzte Anwendung der PID in ausgewählten deutschen Zentren, wenn eine umfassende interdisziplinäre ärztliche und psychosoziale Betreuung der betroffenen Paare gewährleistet ist. Auch wenn unsere früheren Bedenken zum Teil weiter bestehen, plädieren wir im Interesse der letztendlich wenigen betroffenen Paare für eine Zulassung. Die Bedenken gegen die Einführung der PID respektieren wir. Wir glauben nach den bisherigen Erfahrungen nicht, dass durch PID einer verbrauchenden Embryonenforschung Vorschub geleistet wird. Ebenso wenig sind wir der Meinung, dass es zu einer verstärkten Diskriminierung behinderter Menschen kommen wird. Die meisten Behinderungen entstehen durch Unfälle oder Erkrankungen im Kindesoder Jugendalter. Behinderungen jedweder Art, auch solche durch bewusstes in Kauf nehmen eines kranken Kindes, sind von der Gesellschaft zu akzeptieren und müssen best möglichst behandelt werden. Die möglichen Auswirkungen der PID in Deutschland, d.h. wie viele Paare die PID zu welcher Fragestellung in Anspruch nehmen, sollten in regelmäßigen Abständen überprüft werden, um missbräuchliche Inanspruchnahme erkennen und Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
Dr. Gabriele du Bois Vorsitzende der Ethik-Arbeitsgruppe