Foto: O. Tjaden

Schwangerschaft und digitale Gesundheitsversorgung: Regulatorische Herausforderungen

Die digitale Gesundheitsversorgung in Deutschland folgt klar definierten regulatorischen Rahmenbedingungen. Das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) wurde geschaffen, um Innovationen in die Regelversorgung zu integrieren. Dennoch gibt es Gesundheitszustände – darunter Schwangerschaft –, die sich nicht eindeutig in bestehende Kategorien einordnen lassen. Der Fall der App „uma“ illustriert dies: Die Anwendung war wissenschaftlich fundiert, zertifiziertes Medizinprodukt und entsprach den DiGA-Standards in Bezug auf Informationssicherheit. Dennoch war eine Zulassung als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) nicht möglich.

Der rechtliche Rahmen des DVG definiert eine DiGA als Anwendung zur Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten. Schwangerschaft erfüllt diese Vor­aussetzung nicht – eine regulatorische Hürde, die für das Entwicklungsteam und viele Fachpersonen zunächst nicht in vollem Umfang absehbar war. Erst durch die direkte Auseinandersetzung mit dem BfArM wurde dies deutlich. Auch eine Zulassung für Risikoschwangerschaften wurde geprüft und dann abgelehnt. Somit blieb auch dieser Weg für „uma“ verschlossen.

Eine alternative Zulassung als Präventions-App wurde geprüft, aber ebenfalls abgelehnt, da „uma“ über präventive Maßnahmen hinausging und Funktionen enthielt, die als sekundärpräventiv oder unterstützend in der Schwangerenversorgung interpretiert wurden. Dies stellte das Entwicklerteam vor eine paradoxe Situation: Während Schwangerschaft nicht als Krankheit galt, wurde die App gleichzeitig nicht als reine Präventionslösung anerkannt.

Trotz politischer Gespräche mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG), Verbänden, dem Zentrum für Telematik und Telemedizin (ZTG) sowie Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Parteien, in denen die Problematik erkannt und viel positiver Wille geäußert wurde, blieb eine Anpassung der bestehenden Regelungen aus. Dies führte dazu, dass ein hochqualitatives, zertifiziertes Versorgungsangebot wirtschaftlich nicht tragfähig ist, während kostenfreie Lifestyle-Apps, die über Werbung finanziert werden, problemlos verfügbar sind.

Die Entwicklung von „uma“ folgte bewusst den höchsten
Standards für Datenschutz, Informationssicherheit und medizinische Qualität – darunter ISO-27001-Zertifizierung, europäische Server und vollständiger Verzicht auf US-Technologieanbieter sowie eine Evaluation von „uma“ in einer randomisierten kontrollierten Studie. Diese Anforderungen führten zu erheblichen Kosten für Zertifizierung und Betrieb, die sich ohne eine Erstattungsmöglichkeit durch Krankenkassen nicht refinanzieren ließen. Dies führte dazu, dass die umaversum GmbH den Geschäftsbetrieb einstellen musste.

Der Fall „uma“ zeigt eine strukturelle Schwäche der aktuellen Regulierung: Schwangerschaft ist eine Phase mit medizinischen Herausforderungen, Risiken und Versorgungsbedarfen – dennoch existiert keine angemessene gesetzliche Grundlage, um digitale Versorgungsangebote für Schwangere in die Regelversorgung zu integrieren. Während politischer Wille zur Anpassung signalisiert wurde, fehlen bisher konkrete Schritte, um Innovationen in diesem Bereich nachhaltig zu ermöglichen. Dies stellt eine verpasste Chance dar, digitale Gesundheitslösungen gezielt zur Unterstützung von Schwangeren einzusetzen und bestehende Versorgungslücken zu schließen.

„uma“ startete als Förderprojekt des Landes Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Union (EFRE) und konnte nach seiner Laufzeit an der Hochschule für Gesundheit in Bochum (heute: Hochschule Bochum) erfolgreich als GmbH ausgegründet werden. Bei „uma“ handelte es sich um eine App, über die Schwangere Körperempfinden, Symptome und Werte tracken konnten. Die App half, diese Daten zu verstehen und in den Verlauf der Schwangerschaft einzuordnen. Anschließend erhielten die Frauen passende Infos und Anleitungen. Dadurch wurde die eigene Schwangerschaft handhabbarer und die Unterstützung der Gesundheit befördert.


Prof. Dr. Mirjam Peters ist Professorin für Hebammenwissen­schaft an der Hochschule Bochum. Ihre aktuellen Lehr-, Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte liegen u. a. in der Digitali-
sierung in der Geburtshilfe und der Frau*-zentrierten Versorgung. Zuvor war sie Gründerin und Geschäftsführerin im Kontext der uma-App.
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