Dr. med. Ute Teichert, MPH
Foto: Bettina Engel-Albustin

Der Öffentliche Gesundheitsdienst – ein attraktives Betätigungsfeld für Ärztinnen?

Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) – neben dem ambulanten und stationären Versorgungsbereich auch als „Dritte Säule des deutschen Gesundheitswesens“ bezeichnet – fand bis Ende des vergangenen Jahrzehnts in der gesundheitspolitischen Diskussion kaum Beachtung. Mit Beginn der COVID-19-Pandemie hat sich dies schlagartig geändert.

Die Bevölkerungsmedizin, und mit ihr der ÖGD, rückten in den Fokus der Öffentlichkeit. Auch den gesundheitspolitisch Verantwortlichen wurde bewusst, wie sehr der ÖGD in den letzten Jahren und Jahrzehnten per­sonell ausgedünnt worden war und damit seinen bevölkerungsmedizinischen Aufgaben nicht mehr gerecht werden konnte.

Dabei ist das Aufgabenspektrum des ÖGD und der Gesundheitsämter in den 375 Landkreisen und kreisfreien Städten sehr breit gefächert. Die Aufgaben des ÖGD liegen vorrangig im Bereich der Bevölkerungsmedizin, der Prävention und der Gesundheitsförderung und haben durch eine verstärkte Ausrichtung auf vulnerable Gruppen einen starken sozialkompensatorischen Bezug.

Pakt für den ÖGD


Mit dem von der seinerzeitigen Bundesregierung und allen Bundesländern im Sommer 2020 beschlossenen Pakt für den ÖGD wurde ein Paradigmenwechsel vollzogen und eine finanzielle, digitale und strukturelle Verbesserung auf den Weg gebracht. Dafür stellt der Bund in den Jahren 2021 bis 2026 insgesamt 4 Milliarden Euro für Personal, Digitalisierung und moderne Strukturen zur Verfügung.

Der im November 2021 von der Ampelkoalition vereinbarte Koalitionsvertrag sieht neben der konsequenten Umsetzung des Pakts für den ÖGD auch einen Appell an die Tarifpartner vor, einen eigenständigen Tarifvertrag für den ÖGD zu schaffen. Als wesentliche strukturelle Veränderung ist überdies vorgesehen, ein Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit am Bundesministerium für Gesundheit einzurichten, in das die bislang eigenständige Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aufgehen soll. In dem Bundesinstitut sollen die Aktivitäten im Public-Health-Bereich, die Vernetzung des ÖGD und die Gesundheitskommunikation des Bundes angesiedelt werden.

Erstmalig spiegelt sich eine Trendwende in der Personalentwicklung auch in den neuesten Statistiken der Bundesärztekammer wider. Nachdem die Zahl der in den Gesundheitsämtern berufstätigen Ärzt:innen in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zurückging, war im Jahr 2021 ein signifikanter Anstieg von 5 Prozent zu verzeichnen.

Eine Frauendomäne

Dabei ist bemerkenswert, dass der Frauenanteil an der Gesamtzahl der Ärzt:innen in den Gesundheitsämtern bei rund 77 Prozent liegt; bei den dort tätigen Fachärzt:innen für öffentliches Gesundheitswesen hingegen nur bei 60 Prozent. Auch wenn zu der Besetzung der Amtsleitungen in den Gesundheitsämtern noch keine konkreten genderspezifischen Statistiken vorliegen, ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl noch von „Amtsärzten“ eingenommen wird. In den kommenden Jahren werden viele Kolleg:innen – auch in Leitungsfunktionen – in den Ruhestand gehen. Beim Personalausbau und den Neu­besetzungen sollte dies als Möglichkeit genutzt werden, qualifizierten Frauen in Führungspositionen auch im ÖGD bessere Chancen zu eröffnen. Um dem ÖGD innerhalb der Ärzteschaft den gebührenden Stellenwert zu verschaffen, wäre es auch wünschenswert, wenn sich Kolleg:innen aus den Gesundheitsämtern stärker als bislang in den Ärztekammern engagieren und in den entsprechenden Gremien vertreten sind.

Dr. med. Ute Teichert ist Fachärztin für Öffentliches Gesundheitswesen und Magistra Public Health. Sie leitet seit Februar 2022 die Abteilung Öffentliche Gesundheit im Bundesgesundheitsministerium. Zuvor war sie seit 2014 die Leiterin der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf und war bis Ende Januar 2022 Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes e. V. (BVÖGD). Der BVÖGD hat sie 2022 mit der Johann-Peter-Frank-Medaille ausgezeichnet.
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