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Urologie: Da geht es um Männer, Frauen und Kinder

Urologen sind längst nicht ausschließlich „Männerärzte“. Und Urologen sind schon lange nicht mehr nur Männer. Lag der Frauenanteil im Jahr 2008 noch bei 11,3 Prozent, betrug er Ende 2020 laut Bundesärztekammer 20 Prozent. Die „AG Urologinnen“ in der DGU ist eine Maßnahme von mehreren, um Frauen für das Fach zu gewinnen.

Seit fast einem Jahrzehnt bin ich im Fachgebiet Urologie tätig. Überzeugt wurde ich im PJ in meinem Auslandstertial in Südfrankreich. Einerseits durch die Spezies „Urologe“ selbst, andererseits durch die Vielfalt der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten trotz des überschaubaren Organsystems. Zudem haben mich schon damals die Entwicklungsmöglichkeiten interessiert: Im Gegensatz zu großen chirurgischen Fächern ist die Urologie auch im Niederlassungsbereich unter anderem durch Zusatzweiterbildungen wie Tumortherapie, Andrologie und Kinderurologie sehr reizvoll. Zu uns kommen bei Bedarf ausnahmslos alle: Männer, Frauen, Kinder, Junge und Alte.

Während meiner Zeit als Assistenzärztin an der Uniklinik hatte ich viele Kolleginnen. Ich startete in einem Team mit 50 Prozent weiblicher Besetzung. Sie alle haben ihren Facharzt abgeschlossen. Dennoch sind nur wenige bis heute in Oberarzt- oder Chefarztpositionen angekommen. Die Kolleginnen, die sich habilitierten, haben in der Regel die Familienplanung komplett hintangestellt. Ich gewann oft den Eindruck, dass beides parallel nicht möglich sei.

Förderung für Mütter


Hier halte ich gezielte Mentoringprogramme und Forschungsauszeiten für nützlich, um die Karriereentwicklung unter anderem von Müttern zu fördern. In der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) existiert seit diesem Jahr ein Arbeitskreis „AG Urologinnen“, in dessen Agenda dieses Thema aufgenommen wurde.

Wir alle sehen, dass die Medizin mit über 60 Prozent Studienabsolventinnen immer weiblicher wird. Selten besetzen Frauen aber Führungspositionen. Karrierehindernis Nummer eins ist weiterhin die Schwangerschaft, welche leider in der Regel mit einem kategorischen OP-Verbot verbunden ist. Hier hat auch die Novellierung des Mutterschutzgesetzes von 2018 keinen grundsätzlichen Fortschritt erbracht. Meiner Meinung nach sind die Frauen darum ein Stück weit selbst gefragt. Es gibt in der Urologie in vielen Kliniken und Unikliniken Pilotprojekte zum Thema „Operieren in der Schwangerschaft“ – etwa am UKE unter dem Stichwort FamUrol. Sie ermöglichen schwangeren Ärztinnen unter bestimmten und kontrollierten Be­dingungen weiterhin Zugang zur operativen Tätigkeit, so dass sie damit nicht gegenüber den männlichen Kollegen in der Karriere­entwicklung abgehängt werden. Ärztinnen sollten den offenen Dialog zu Vorgesetzten beziehungsweise Arbeitgebern suchen, um gemeinsam ein individuelles Weiterbildungskonzept für die Schwangerschaft zu erstellen.

Möglichkeiten einfordern

Nach Schwangerschaft und Elternzeit besteht die zweite Schwierigkeit häufig in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufgrund hoher Arbeits- und Dienstbelastung im operativen Fach. Teilzeitoptionen sind gesetzlich geregelt und werden ermöglicht. Sie resultieren dennoch in einer Verzögerung der Weiterbildung. Bei diesem Thema möchte ich auf den Wandel unserer Gesellschaft hinweisen: Auch männliche Kollegen nehmen durchaus mehr als die für Väter üblichen zwei Monate Elternzeit und haben die Möglichkeit, in Teilzeit zu gehen. Ich denke, dass die strukturellen Voraussetzungen für Frauen in der Urologie günstig sind, von jeder einzelnen aber individuell herausgefordert werden müssen.

Dr. med. Jessica Schoof ist Fachärztin für Urologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und hat die Ärztliche Leitung des Ambulanzzentrums Urologie inne. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ihren Facharzt hat sie unter der Leitung von Prof. Dr. Margit Fisch gemacht, die seit wenigen Monaten die erste Frau an der Spitze der DGU ist. Mit ihr hat sie „FamUrol“ gegründet und am UKE etabliert.

E-Mail: j.schoof@uke.de
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