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Zahnmedizin: Gemeinsamer Nenner bei den Möglichkeiten, die sich Frauen bieten

Aus unterschiedlichen Bedingungen in Ost und West heraus sind neue Arbeitsmodelle für Zahnärztinnen entstanden, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen. Der Prozess ist dynamisch und noch in vollem Gang.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist zu einem wichtigen Kriterium in allen Bereichen zahnärztlicher Berufsausübung geworden und betrifft sowohl Zahnärztinnen als auch Zahnärzte. Diesen Standpunkt vertritt die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) bereits seit rund zehn Jahren.

Im Juni 2011 hat sie ein „Memorandum zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ verabschiedet: Die Berufsausübung erfolge ganz überwiegend und unverändert in selbstständiger Praxisniederlassung. Darum hätten Unterstützungsangebote für eine familienfreundliche Niederlassung mit flexiblen Berufsausübungsformen für junge Zahnarztfamilien Priorität. Diesem Ansatz kamen neue Gesetze entgegen, zum Beispiel das Gesetz „zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Regelungen zur Verstärkung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der ambulanten Praxis“.

Starkes Ost-West-Gefälle
Der Zahnarztberuf wird immer weiblicher: In einer Prognose der Zahnärztezahl und des Bedarfs an zahnärztlichen Leistungen bis zum Jahr 2030 sagen die Autoren vom Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) in Köln voraus, dass der Frauenanteil an zahnärztlichen Approbationen bis zum Jahr 2030 sogar bis auf 70 Prozent weiter steigen wird.

Allerdings bestehen gravierende Unterschiede bei der Verteilung von Zahnärztinnen und Zahnärzten in den einzelnen Kammerbezirken. In Mecklenburg-Vorpommern sind bereits 60 Prozent der niedergelassenen Zahnärzte weiblich, im Saarland dagegen nur 28,3 Prozent – das andere Extrem.

Frauen arbeiten im Osten länger
Betrachtet man die gesamte Zahnärzteschaft, also auch die Angestellten, so liegt der Anteil der Frauen noch höher. Das liegt zum einen daran, dass die traditionell abhängig beschäftigten Assistenzzahnärzte ganz überwiegend Frauen sind. Zum anderen fallen in diese Gruppe auch Zahnärzte im Ruhestand. Da Frauen im Schnitt länger leben, kommt hier auf zwei Frauen nur ein Mann. Ansonsten gilt, dass in Westdeutschland mit zunehmendem Alter der Frauenanteil bei den berufstätigen Zahnärzten stark sinkt, während er im Osten bis zum Berufsende weitgehend konstant ist.

Solche Zahlen spiegeln die unterschiedliche Historie: In der DDR war es selbstverständlich, dass Frauen berufstätig waren und es stand außer Frage, dass sie auch nach der Geburt von Kindern wieder arbeiten würden. Die Kinder wurden in Krippen und Schulen betreut und keine Frau fühlte sich deshalb als Rabenmutter. In der „Stomatologie“ arbeiteten in der DDR bereits traditionell Ärztinnen.

Niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte im Ost-West-Vergleich 2018

In einigen Landeszahnärztekammern überwiegen bereits die Ärztinnen (orange)

Quelle: Bundeszahnärztekammer; Statistisches Jahrbuch 18/19

Die alten Bundesländer hatten ursprünglich eine in doppelter Hinsicht andere Struktur. Zahnmedizin war ein eher männlich besetzter Studiengang und Frauen blieben nach der Geburt oft zuhause und betreuten ihre Kinder selbst. Hinzu kam: Eine Frau, die Mutter und Hausfrau war, galt im Westen lange Zeit als Symbol für Wohlstand: „Meine Frau muss nicht arbeiten!“ Inzwischen hat sich die Einstellung – unabhängig von Ost oder West – gewandelt. Junge Frauen möchten ihr Leben beruflich aktiv gestalten, aber auch Kinder und Familie haben.

Flexibel durch Niederlassung
Der Familie förderlich war in der DDR sicherlich die Assistenzzeit an der Poliklinik. Dort konnten junge Ärztinnen in allen Bereichen der Zahnheilkunde für einen längeren Zeitraum Erfahrungen sammeln und hatten zugleich geregelte Rahmenbedingungen. Heute ist die freiberufliche Niederlassung im Einklang mit einer Familiengründung durchaus zufriedenstellend realisierbar. Voraussetzung sind gute Organisation und Planung. Die eigene Praxis ermöglicht Zahnärztinnen einen hohen Grad an Selbstbestimmtheit, den angestellte Kolleginnen so nicht erleben. Folgerichtig gibt es in den neuen Bundesländern zunehmend mehr Zahnärztinnen mit eigener Praxis.

Neue Arbeitsmodelle
Sowohl im Westen als auch im Osten sind neue Praxiskonstrukte denkbar, in denen sich zum Beispiel zwei bis vier Kolleginnen zusammenschließen und in gemeinsamer Abstimmung ihre beruflichen und familiären Wünsche und Planungen realisieren. Denn diese bieten Freiräume für berufliche Fortbildungen und selbstbestimmtes berufliches Handeln. Die neuen Konzepte lassen sich nutzen, um zu einer WorkLife-Balance zu finden, die der eigenen Vorstellung entspricht. So haben die unterschiedlichen Historien von Zahnärztinnen in Ost und West letztendlich in der Zahnmedizin zu einem gemeinsamen Nenner der Erfahrungen geführt. Die neuen Konzepte – unterstützt durch neue Blickwinkel auch der Politik auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – nähern sich zumindest im Be reich der Zahnmedizin heute einem zufriedenstellenden Ergebnis in der gesamten Bundesrepublik.

Quelle: (Landes-) Zahnärztekammern; Statistisches Jahrbuch 18/19

Dr. med. dent. Angelika Brandl-Riedel ist Schriftführerin im Vorstand des DÄB sowie Vorsitzende des Deutschen Zahnärzte Verbandes e. V.

E-Mail: angelika.brandl-naceta@aerztinnenbund.de
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